Langer Streit ums Testament - Pflichtteil inzwischen verjährt

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Ein Kind, das durch ein Testament enterbt ist, hat nach dem Tod der Eltern Pflichtteilsansprüche. Ein Pflichtteilsanspruch unterliegt der regelmäßigen, dreijährigen Verjährung. Diese Verjährung stellt in der Praxis kein Problem dar, wenn das betroffene Kind seinen Pflichtteilsanspruch zeitnah verfolgt.

Allerdings wird das betroffene Kind in diesen Fällen oft auch die Wirksamkeit des Testaments, durch das es enterbt ist, in Frage stellen. Dass bei diesem Streit über die Wirksamkeit eines Testaments die Verjährung eines Pflichtteilsanspruchs aus dem Blick geraten und Pflichtteilsansprüche letztlich verjähren können, zeigt eine Entscheidung des OLG München aus dem November 2021 (OLG München, Urt. v. 22.11.2021 – 33 U 2768/21):

In diesem Fall war die Erblasserin im Jahr 2014 verstorben, in einem Testament hatte sie ihre zwei Töchter enterbt. Die zwei Töchter stritten mit den eingesetzten Erben im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens über die Wirksamkeit und Gültigkeit des Testaments, das Nachlassgericht entschied Ende 2016, dass das Testament gültig ist. Dagegen erhoben die Töchter Beschwerde, das Beschwerdegericht kam jedoch Ende 2019 zum selben Ergebnis. Erst nachdem in diesem Erbscheinsverfahren die Wirksamkeit des Testaments und damit die Enterbung der Töchter bestätigt worden war, kümmerten sich die Töchter um den Pflichtteilsanspruch und klagten ihn ein. Dies ist einerseits verständlich, denn bisher hatten sie sich ja als Erbinnen angesehen, der Pflichtteilsanspruch setzt ja eine wirksame Enterbung aus.

Allerdings hat das OLG München in der zitierten Entscheidung die im Jahr 2020 eingeklagten Pflichtteilsrechte der Töchter als verjährt angesehen. Denn für den Beginn der Verjährung ist entscheidend, wann die Töchter Kenntnis vom Todesfall und der Enterbung hatten oder zumindestens ohne grobe Fahrlässigkeit hätten haben können. Die Töchter dürften sehr schnell nach dem Tod der Mutter Kenntnis von dem Testament erlangt hatten, aber was ist, wenn es für unwirksam hielten? Das OLG München hat in diesem Fall die Kenntnis von der Enterbung bejaht. Zwar kann die Kenntnis fehlen, wenn ein Pflichtteilsberechtigter infolge eines Tatsachen- oder Rechtsirrtums davon ausgeht, dass das Testament unwirksam sei und er somit zu den Erben zähle, das soll dann gelten, wenn die Bedenken gegen die Wirksamkeit eines Testaments jedenfalls nicht von vorneherein von der Hand zu weisen sind. Im vorliegenden Fall befand das OLG München die Bedenken der Töchter gegen das Testament aber als haltlos und wies die Pflichtteilsklage wegen Verjährung ab. Im Ergebnis bejahte das OLG eine Kenntnis die Klägerinnen darüber, dass sie enterbt und damit lediglich Pflichtteilsberechtigte waren, spätestens nach der ersten für sie negativen Entscheidung des Nachlassgerichts im Erbscheinsverfahren.

Fazit: Wer die Wirksamkeit eines Testaments angreift, durch das er enterbt ist, sollte die Verjährungsfrist des Pflichtteilsanspruchs immer im Blick haben. Ein Erbscheinsverfahren oder ein anderes Verfahren hemmt diese Verjährung der Pflichtteile eben nicht automatisch. Vielmehr muss man damit rechnen, dass ein Gericht im Nachhinein die Bedenken gegen die Wirksamkeit des Testaments als inhaltslos einstuft, damit Kenntnis vom Pflichtteilsrecht unterstellt und Pflichtteilsansprüche wegen Verjährung abweist. In der Praxis gilt es daher, nach Möglichkeit unter den Parteien Verzicht auf Verjährungseinreden zu verabreden, zumindest solange ein Erbscheinsverfahren oder anderes Verfahren noch läuft. Damit ist dann – zumindest für einen festgelegten Zeitraum - die Gefahr der Verjährung gebannt.


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