Neues von der ES8.0!

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Ich durfte einen Mandanten wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit beim Amtsgericht Aue vertreten. Der Vorwurf war Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h. Das bedeutete eine Geldbuße von 80,00 € und einen Punkt.

Dies wollten wir so nicht hinnehmen, es bestanden sich Unklarheiten. Denn die Messung wurde durchgeführt von der Geschwindigkeitsmeßanlage der Firma eso GmbH vom Typ ES8.0. Diese Messanlage kam zu der Zeit mehr und mehr in die Kritik. Deswegen wurde ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger gebeten, eine Begutachtung des Meßvorganges durchzuführen. Die wesentlichen Passagen aus dem Gutachten habe ich dann schriftsätzlich gegenüber dem Amtsgericht wie folgt verwenden können:


„In dem Bußgeldverfahren

gegen

XXX

Aktenzeichen:XXX


wie im Gutachten ausgeführt handelt es sich bei der streitgegenständlich zum Einsatz gekommenen Geschwindigkeitsmessanlage ES8.0 nach Meinung des Herstellers, der PTB und auch des Sachverständigen XXX um ein neues Gerät mit einer eigenen Baumusterprüfbescheinigung vom 19.5.2020. Für dieses Gerät gelten andere Anforderungen, als an bisherige vergleichbare Anlagen. Dies schlägt sich unter anderem sowohl in einer eigenen Gebrauchsanweisung mit neuen Vorgaben an das Meßprotokoll, an die Aufstellung der Kameras wieder, als auch mit der Vorgabe, dass das Bedienungspersonal – zu welchem auch das auswärtige Personal gehört – geschult sein muss und dies schriftlich zu bestätigen ist. Auf die Abbildung 30 im Gutachten wird hingewiesen.


Der Anlage aus der E-Mail des Sachverständigen XXX vom 10.02.2021 lässt sich weiterhin entnehmen, dass als auswärtige Software das esoDigitales3-Studio zum Einsatz gekommen ist.


Dies erfolgte entgegen jeglicher verbindlicher Weisung, da eine solche Software nie durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig geprüft wurde. Dies hat die PTB bereits mit E-Mail vom 13.6.2019 auf Nachfrage des Sachverständigen XXX bestätigt.


Des Weiteren ist im Gutachten zu lesen, dass sowohl der Hersteller indessen Gebrauchsanweisung als auch die PTB in der Baumusterprüfbescheinigung ein ganz konkretes Auswerteprogramm und auch die Hardware vorschreibt, welches zur rechtlich relevanten Anzeige eines Beweisfotos zu nutzen sind. Dabei ist der auswärtige Rechner mit einem Sicherungsstempel zu versehen, welcher vor eine Auswertung zu prüfen ist.


Unter 1.2.5 heißt es ausdrücklich:


„1.2.5 Messwertanzeige am Referenz-Auswerters Rechner


Bild-, Meß- und ergänzende Daten werden in der Sensoreinheit beweisgerecht zu einem Falldaten Satz zusammengeführt und in einer Falldatei angelegt. Diese Falldatei wird anschließend digital signiert. Bei der Auswertung wird die Falldatei anhand der digitalen Signatur auf Authentizität und Integrität der Dateien geprüft, bevor Messwerte mit dazugehöriger Verkehrssituation zur weiteren Auswertung zur Verfügung stehen. Der Geschwindigkeitsmesswerte ist zusätzlich in die Pixelstruktur des Fotos integriert.


Das auf dem Referenz-Auswerterechner installierte Referenzauswerteprogramm esoDigitales3 Viewer stellt die rechtlich relevante Anzeige dar. Die entsprechenden SHA 256-Hashwerte sind dem Anhang C zu entnehmen.“


Im vorgelegten Gutachten heißt es unter Abbildung 31:


Auszug aus der Baumusterprüfbescheinigung (DE-17-M-PTB-0017, Revision 4 vom 19.5.2020). Durch die PTB wurde festgelegt, dass die rechtlich relevante Anzeige ausschließlich durch das auf dem Referenz-Auswerterechner installierte Programm esoDigitales3Viewer erfolgen kann. Auf Seite 47 f. der Baumusterprüfbescheinigung legt die PTB weiterhin die genauen Softwareversionen des zu verwendenden esoDigitales3Viewer was auf die Version 23.1.0.8 8 und 23.1.0.110 fest. Diese beiden Versionen sind für alle Falldateien der Revision 4 zu nutzen.


Im vorgelegten Gutachten heißt es unter Abbildung 32:


Auszug aus der Gebrauchsanweisung vom 28.3.2018. Unter dem Kapitel „Durchführung von amtlichen Messungen“ legt der Hersteller ebenfalls fest, dass die rechtlich relevante Anzeige ausschließlich über den Referenz Auswerterechner erfolgen kann.


Im vorgelegten Gutachten heißt es unter Abbildung 33:


Auszug aus der Baumusterprüfbescheinigung (DE-17-M-PTB-0017, Revision 4 vom 19. Mai 2020). Auf Seite 32 sind beide mögliche Referenz-Auswertrechner mit deren Sicherungsstempel fotografisch dokumentiert. Diese sind vor der Auswertung einer Falldatei auf Unversehrtheit zu prüfen.


Aus dem Meßprotokoll ergibt sich, dass die Sicherungszeichen des Referenzauswertrechners überprüft worden sind, die eigentliche Signaturprüfung der Falldateien aber bei der Auswertung erfolgt ist. Nach Auskunft des Landesamtes erfolgte diese Auswertung mit dem wiederum nicht durch die PTB geprüften esoDigitales3-Studio.


Im vorgelegten Gutachten heißt es unter Abbildung 35:


E-Mail der PTB an die Unterzeichner vom 13.6.2019. Die PTB bestätigt hier noch einmal, dass im Rahmen des Zulassungsverfahrens keine anderen Programme, als die Auswerteprogramm esoDigitales3Viewer durch die Behörde geprüft worden sind.


Festzustellen ist also, dass im Rahmen des amtlichen Messverfahrens bei der Auswertung weder eine durch die PTB geprüfte Software zum Einsatz gekommen ist, noch eine Schulung des Auswertungsbeamten nachgewiesen worden ist.


Zum Beweis für das vorstehende, das insbesondere dadurch weder ein standardisiertes Messverfahren vorliegt noch die behauptete Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit in der notwendigen Sicherheit bewiesen ist durch


1. Sachverständigengutachten 

2. XXX


Das ausdrücklich vom Hersteller vorgeschriebene und durch die PTB geprüfte Auswerteprogramm ist nicht für die Auswertung zum Einsatz gekommen.


Des Weiteren ist die Auswertung der Signalverläufe bei der vorliegenden Meßserie nicht möglich. Denn die sogenannten Sensorrohdaten werden bei dem eingesetzten Gerät nicht mehr gespeichert. Das führt dazu, dass rechtsstaatswidrig eine Überprüfung durch einen Sachverständigen nicht mehr erfolgen kann. Allein schon das führt zur Rechtsstaatswidrigkeit des Handelns des Landratsamtes.


Zum Beweis für das Vorstehende: wie vor


Wie in dem Gutachten im Kap. 4.6 aufgezeigt, kann die Fotoposition selbst nicht als Nachweis für die behauptete vorgeworfene Geschwindigkeit dienen. So können Fahrzeuge erwartungsgemäß an der Fotolinie abgebildet werden, dennoch aber mit deutlich anderen Geschwindigkeiten gefahren sein, als es die im Beweisfoto eingeblendete Geschwindigkeit zeigt. Ebenso können Fahrzeuge deutlich vor oder nach der Fotolinie abgebildet sein und der eingeblendeten Geschwindigkeitswert dennoch korrekt sein. Eine Plausibilitätsprüfung der vorgeworfenen Geschwindigkeit ist nicht möglich, da hierzu ein zweites zeit- und streckenversetztes Foto notwendig wäre. Auf die vorliegend erzeugte Statistikdatei ist für den ankommenden Verkehr nicht mit korrekten statistischen Daten gefüllt, dass halt ist alle Werte sind geduldet. Dies ist äußerst ungewöhnlich, deutet auf eine nicht korrekte Funktion des Gerätes hin.


Zum Beweis für die Tatsache des vorstehenden durch


1. Sachverständigengutachten 

2. XXX


Dem vorstehenden folgend wird gebeten, das Verfahren gemäß § 47 Abs. 2 OWiG einzustellen.“


Das Gericht holte ein weiteres Gutachten ein, die Ausführungen wurden sachverständig bestätigt. Diese gehäufte Zahl von Unklarheiten und Fehlern war selbst dem Amtsgericht Aue fett. Nach entsprechendem Austausch wurde das Bußgeld reduziert auf 55,00 €, damit war der Punkt in Flensburg hinfällig geworden. Ein gutes Ergebnis.

Es lohnt sich zu kämpfen, insbesondere, wenn wie hier die Kosten von einem Rechtsschutzversicherer übernommen wurden.

Ihnen und Ihren Familien einen guten Start in das Jahr 2023.

Ihre

Schulte Anwaltskanzlei

Thomas Schulte LL.M.

Rechtsanwalt


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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