Pferdehaltung im Gewerbebegebiet

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Wie bereits im Beitrag „Das Pferd am Haus - Pferdehaltung im Wohngebiet“ eruiert, ist die Pferdehaltung nicht überall dort erlaubt, wo sie sich anbietet. Häufig drohen Konflikte mit den Nachbarn – um diesen vorbeugend begegnen zu können, bietet sich die Unterstellung der Tiere in Gebieten an, in denen sie von vornherein keine anderen Personen stören können. Hierbei stellen sich insbesondere Gewerbegebiete als vorteilhaft dar, da sich in diesen grundsätzlich keine privaten Wohnunterkünfte von Menschen befinden. Doch ist die Unterbringung von Pferden im Gewerbegebiet überhaupt zulässig?


Das Gewerbegebiet

Nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO) existieren verschiedene Baugebiete, wonach sich einerseits die erlaubte Bebauung und andererseits auch die erlaubte Nutzung der Grundstücke richten. Für Gewerbegebiete regelt dies § 8 BauNVO. § 8 BauNVO folgend dienen Gewerbegebiete vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Zulässig sind nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO selbstredend Gewerbebetriebe aller Art, inklusive von Lagerhäusern, -plätzen sowie öffentliche Betriebe. Auch Bürogebäude (§ 8 Abs. 2 Nr. 2) sowie Tankstellen (§ 8 Abs. 2 Nr. 3) finden ihre Daseinsberechtigung im Gewerbegebiet sowie Anlagen für sportliche Zwecke (§ 8 Abs. 2 Nr. 4). Hierrunter fällt insbesondere die Unterbringung größerer Sportanlagen, sodass auch Reithallen im Gewerbegebiet zulässig sein können [vgl. König/Roeser/Stock/Stock, 5. Aufl. 2022, BauNVO § 8 Rn. 38], wobei der zulässige Störgrad zu beachten ist. Anlagen für sportliche Zwecke im Freien sind im Gewerbegebiet hingegen eher restriktiv zu erlauben; hierfür bedarf es der besonderen Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit der Eigenart des Gebietes sowie der Beachtung der Immissionen hinsichtlich des konkreten Standortes [König/Roeser/Stock/Stock, 5. Aufl. 2022, BauNVO § 8 Rn. 38]. Dies kann sich insbesondere im Hinblick auf Reitplätze sowie der Unterbringung von Pferden samt ihrer Emissionen draußen als problematisch gestalten.

Das Gewerbegebiet ist vom Industriegebiet, § 9 BauNVO, abzugrenzen, welches ebenfalls Gewerbebetriebe beherbergt, allerdings solche, von denen ein höherer Störgrad ausgeht [Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Söfker, 143. EL August 2021, BauNVO § 8 Rn. 1].

§ 8 Abs. 3 BauNVO regelt mögliche Ausnahmen, wie z.B. Wohnungen für Aufsichtspersonal, die dem Gewerbebetrieb zugeordnet und ihm gegenüber in Grundfläche und Baumasse untergeordnet sind. Zu beachten ist, dass das allgemeine Wohnen in Gewerbegebieten nicht vorgesehen ist [Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Söfker, 143. EL August 2021, BauNVO § 8 Rn. 8].


Private und gewerbliche Pferdehaltung

Weder das Baugesetzbuch (BauGB) noch die BauNVO enthält eine Definition des Begriffs „Gewerbes“. Grundsätzlich kann hierbei zunächst auf die gewerberechtliche bzw. steuerrechtliche Definition zurückgegriffen werden [Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Söfker, 143. EL August 2021, BauNVO § 8 Rn. 22], wonach eine selbständige, nachhaltige, mit Gewinnerzielungsabsicht vorgenommene Betätigung vorliegen muss, die weder Forst- noch Landwirtschaft ist und keinen freien Beruf darstellt [detalliert: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Söfker, 143. EL August 2021, BauNVO § 8 Rn. 22]. Somit fallen zum Beispiel das Handwerk oder das Hotelgewerbe unter den Begriff des Gewerbes [BeckOK-BauNVO/Schmidt-Bleker, 29. Ed. 15.4.2022, BauNVO § 8 Rn. 103]. Dabei darf jedoch nicht nur auf die Gewerbedefinitionen des Gewerbe- und Steuerrechts zurückgegriffen werden, da sie lediglich eine Orientierungshilfe bieten und nicht abschließend sind [Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Söfker, 143. EL August 2021, BauNVO § 8 Rn. 25].

Ausgehend davon, dass Betriebe der Land- und Forstwirtschaft nicht in Gewerbegebiete gehören [Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Söfker, 143. EL August 2021, BauNVO § 8 Rn. 25], ist in der Folge zunächst danach zu fragen, ob die Pferdehaltung hierrunter zu subsumieren ist. Dabei ist auf die Art der konkreten Pferdehaltung abzustellen. Pferdezucht sowie Pferdehaltung sind grundsätzlich der Landwirtschaft zuzuordnen; hierrunter fällt auch die Ausbildung der Tiere [Brandis/Heuermann/Nacke, 161. EL März 2022, EStG § 13 Rn. 87 m.w.N.]. Hierbei dürfen jedoch nicht die für die landwirtschaftliche Nutzung zulässigen Vieheinheiten überschritten werden, da ansonsten eine Einordnung als gewerbliche Tierhaltung in Betracht kommt [Brandis/Heuermann/Bode, 161. EL März 2022, EStG § 15 Rn. 67]. Sofern der landwirtschaftliche Aspekt also überwiegt, ist die Ansiedlung im Gewerbegebiet grundsätzlich nicht zulässig.

Sofern der Pferdesport, d.h. die Vorbereitung und Teilnahme an Turnieren etc., im Vordergrund steht, liegt regelmäßig eine gewerbliche Tätigkeit vor [Brandis/Heuermann/Nacke, 161. EL März 2022, EStG § 13 Rn. 87]. Sofern beispielsweise auch noch die Unterrichtserteilung zur Pferdehaltung hinzutritt, liegt ebenfalls regelmäßig eine gewerbliche Tätigkeit vor [Brandis/Heuermann/Bode, 161. EL März 2022, EStG § 15 Rn. 69]. Hierbei ist zu differenzieren – abhängig vom jeweiligen Einzelfall – ob ein Gewerbebetrieb vorliegt, welcher von der landwirtschaftlichen Pensionspferdehaltung unabhängig ist oder ein nur landwirtschaftlicher oder nur gewerblicher Betrieb vorliegt [Brandis/Heuermann/Nacke, 161. EL März 2022, EStG § 13 Rn. 92]. Hiernach bemisst sich dann die jeweilige Zulässigkeit im Gewerbegebiet.

Hinsichtlich des Begriffs der Landwirtschaft ist auf § 201 BauGB zu verweisen. Sofern es sich um die Haltung von Pferden handelt, welche im Rahmen eines forstwirtschaftlichen Betriebes gehalten werden, beispielsweise um Holz im Wald zu verrücken, so gilt das zur Landwirtschaft Ausgeführte entsprechend.

Im Gegensatz hierzu steht die private Pferdehaltung – d.h. die nicht-gewerbliche Pferdehaltung, sodass eine Haltung im Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO nicht in Betracht kommt.

Mithin lässt sich § 8 BauNVO entnehmen, dass eine grundsätzlich private Pferdehaltung in reinen Gewerbegebieten nicht einfach zulässig ist; gleiches gilt insoweit für die landwirtschaftlichen Pferdehaltungsbetriebe. Sofern es sich jedoch um gewerbliche Pferdehaltungen handelt, von denen zugleich kein erhöhter Störfaktor ausgeht, kann die rechtliche Zulässigkeit im Geltungsbereich des § 8 BauNVO grundsätzlich bejaht werden. Dabei ist sowohl eine Einordnung als Gewerbebetrieb als auch als zulässige sportliche Anlage denkbar. Allgemeine Betrachtungen verbieten sich an dieser Stelle, sodass auf den jeweiligen Einzelfall zu rekurrieren ist.


Urteil des VG Augsburg

Einen interessanten Fall hatte das VG Augsburg zu entscheiden [Urteil vom 05.05.2010, BeckRS 2013, 45465]. So musste sich das Gericht mit der Frage beschäftigen, ob ein Bestatter auf seinem Betriebsgelände im Gewerbegebiet Pferde halten darf. Im zugrundeliegenden Fall begehrte die Klägerin die Feststellung der Baugenehmigungsfreiheit der Umnutzung eines gewerblichen Nebengebäudes in einen Pferdeunterstellplatz für Bestattungen mit einer Kutsche; hilfsweise die Erteilung einer entsprechenden Baugenehmigung. Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, welches im Geltungsbereich eines Gewerbebetriebs liegt. Das Landratsamt teilte der Klägerin mit, dass die Nutzung zur Pferdehaltung keine gewerbliche Nutzung (und damit im Endeffekt unzulässig im Gewerbegebiet) sei. Die Baugenehmigung für die Umnutzung wurde durch das Landratsam abgelehnt und die Nutzung als Pferdestall untersagt mit der Begründung, dass eine Haltung von Pferden außerhalb eines Gewerbebetriebs keine gewerbliche Nutzung sei – der Halter habe nicht nachgewiesen, dass die Nutzung der Tiere tatsächlich betrieblich erfolge. Insbesondere stelle ein Pferdestall mit Paddocks und Mistlege städtebaulich gesehen einen Fremdkörper dar, in einem Gebiet, welches durch gewerbliche Bauten und befestigte Flächen geprägt sei.

Das Gericht gab der Klage statt; eine Baugenehmigung ist nicht erforderlich. Die Nutzung als Pferdestall widerspreche nicht der Festsetzung eines Gewerbegebietes. Nach § 8 Abs. 2 BauNVO sind im Gewerbebetrieb alle Gewerbebetriebe zulässig, welche nicht erheblich belästigend sind. Das Gericht klassifizierte den Pferdeunterstallplatz als Bestandteil des Gewerbebetriebs der Klägerin „Bestattungsunternehmen“. Daneben stellt der Pferdestall auch kein Gewerbebetrieb dar, welcher mit einem erheblichen Störfaktor verbunden ist – weder hinsichtlich des Geruchs noch hinsichtlich möglicher Emissionen.


Industriegebiet im Sinne des § 9 BauNVO 

Ähnlich dem Gewerbegebiet ist das Industriegebiet, § 9 BauNVO. Wie bereits dargelegt, erfasst § 9 BauNVO allen voran solche Gewerbe, die einen erhöhten Störfaktor aufweisen und deshalb in Gewerbegebieten in § 8 BauNVO beziehungsweise in anderen Baugebieten nicht zulässig sind. Während in Gewerbegebieten Anlagen für sportliche Zwecke grundsätzlich zulässig sind, § 8 Abs. 2 BauNVO, und damit durchaus auch Reitanlagen erfasst sein können, regelt § 9 Abs. 3 BauNVO, dass Anlagen für sportliche Zwecke im Industriegebiet nur ausnahmsweise zugelassen werden können. Der Gebietscharakter des Industriegebietes stellt auf Gewerbebetriebe ab, von welchen eine erhebliche Belästigung ausgeht, sodass den in § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO genannten Anlagen ein absoluter Ausnahmecharakter zukommt [Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Söfker, 143. EL August 2021, BauNVO § 9 Rn. 27]. Betriebe der Land- und Forstwirtschaft sind mangels Nennung in § 9 Abs. 2, 3 BauNVO unzulässig [Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Söfker, 143. EL August 2021, BauNVO § 9 Rn. 21]. Sofern es sich um die gewerbliche Tierhaltung handelt, und nicht um eine Landwirtschaft im Sinne des § 201 BauGB, können diese in Industriegebieten als Gewerbebetrieb grundsätzlich zulässig sein, insbesondere sofern eine Unzulässigkeit in anderen Baugebieten, aufgrund eines erhöhten Störfaktors, vorliegt. Gegebenenfalls greift auch § 9 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO, sodass eine Ausnahme möglich ist.


Anwaltliche Tipps

Vor der Umstellung der Pferde sollte unbedingt geprüft werden, um was für ein Gebiet es sich handelt, sodass von vornherein geprüft werden kann, ob eine Pferdehaltung grundsätzlich in Betracht kommt. Unter Hinzuziehung eines Anwalts kann eine gegebenenfalls mögliche Ausnahmegenehmigung überprüft werden.

Foto(s): Jana Christina Hartmann

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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