Pflichtteilsrecht: Wichtiges zu Grundstücks-Sachverständigengutachten

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Die Bewertung von Grundstücken durch Sachverständige spielt im Erbrecht, aber auch bei lebzeitigen Schenkungen eine große Rolle. Sei es, weil ein Grundstückswert für die Veranlagung zur Erbschaft- oder Schenkungsteuer ermittelt werden muss oder für die Teilung einer Erbengemeinschaft oder eben für die Ermittlung eines Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsanspruchs.

Sachverständigengutachten geben aber, je nach Interessenlage der beteiligten Parteien, oft Anlass zu Streit – und zwar besonders im ohnehin schon konfliktträchtigen Pflichtteilsrecht. Lesen Sie hier, wann Sie ein Sachverständigengutachten fordern oder gar selbst einholen können.

Die Ansprüche auf Auskunft und Wertermittlung

Wer enterbt wurde und pflichtteilsberechtigt ist, kann, wenn er sein Pflichtteilsrecht geltend machen will, von dem oder den Erben eine umfassende Auskunft über den Nachlassbestand fordern. Die Erben müssen Auskunft erteilen über alle Vermögensgegenstände des Erblassers oder der Erblasserin „zum Stichtag“, also zum Todestag, indem sie ein umfassende Nachlassverzeichnis erstellen oder durch einen Notar erstellen lassen.

Neben diesem Auskunftsanspruch hat der Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf Wertermittlung:

Die Erben sind verpflichtet, in dem Nachlassverzeichnis jeden Nachlassgegenstand so genau zu beschreiben, dass der Pflichtteilsberechtigte sich ein realistisches Bild vom Verkehrswert (dem Marktwert) der einzelnen Gegenstände und vom Wert des Nachlasses insgesamt machen kann. Die Erben müssen also alle wertbildenden Eigenschaften der Nachlassgegenstände angeben, z.B. Marke, Alter und Zustand.

Der Pflichtteilsberechtigte soll dadurch in die Lage versetzt werden, zu beurteilen, ob sich ein Geltendmachen seines Anspruches oder gar die Anrufung eines Gerichts überhaupt lohnt.

Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche sind also durchaus konfliktträchtig:

Die Erben haben ein Interesse daran, den Nachlass möglichst wenig werthaltig erscheinen zu lassen, wohingegen dem Pflichtteilsberechtigten daran gelegen ist, den angeblich eher geringen Wert genau zu hinterfragen.

Wie die Wertermittlung erfolgen muss – und wann der Sachverständige ins Spiel kommt

Der Pflichtteilsberechtigte kann den Wert der Nachlassgegenstände ermitteln durch Fotos, Quittungen oder sonstige Belege, auf deren Vorlage er allerdings keinen Anspruch hat. Er kann auch eigene Recherchen unternehmen, z.B. im Internet. Notfalls kann die Wertermittlung auch durch eine Schätzung erfolgen.

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens, und zwar auf Kosten des Nachlasses, kann nur verlangt werden, wenn der Pflichtteilsberechtigte ein schutzwürdiges Interesse daran hat, weil er seinen Pflichtteil sonst nicht berechnen kann. Das ist nur dann der Fall, wenn die Tatsachen, die ihm zugänglich sind oder zugänglich gemacht wurden, ihm kein ausreichendes Bild über den Wert des Nachlassgegenstandes verschaffen können, z.B., weil es sich bei dem Nachlassgegenstand um ein Unternehmen handelt, um eine Kunstsammlung oder auch um ein Grundstück.

Der Sachverständige muss ausreichend qualifiziert sein. Ein Anspruch auf Beauftragung eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen besteht allerdings nicht.

Ortsgericht statt Gutachter

Was Grundstücke angeht, die zum Nachlass gehören, muss der Erbe allerdings nicht unbedingt einen Grundstückssachverständigen beauftragen. Für eine Wertermittlung reicht es auch aus, wenn die Erben sich an anderer, geeigneter Stelle über den Verkehrswert kundig machen. Dies entschied das Oberlandesgericht Frankfurt a.M.:

Der Erbe könne den Wertermittlungsanspruch auch durch Vorlage einer ortsgerichtlichen Schätzung des Grundstückswertes erfüllen; ein Sachverständigengutachten könne darüber hinaus nicht verlangt werden (OLG Ffm., Urt. v. 08.12.2021, 12 U 110/21, NJW- Spezial 2022, 72; ZErb 2022, 72 ff).

Hierzu eine Anmerkung:

Die Ortsgerichte sind Institute in Hessen, die in anderen Bundesländern Gutachterausschüsse heißen. Es handelt sich um öffentlich-rechtliche Institutionen, die in den einzelnen Landesteilen die Bodenrichtwerte ermitteln.

Die Pflichten des Gutachters

Der Grundstückssachverständige wird von dem oder den Erben beauftragt; der Erbe oder die Erben sind seine Vertragspartner. Gleichwohl darf er kein Gefälligkeitsgutachten fertigen, vielmehr muss er das Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen erstellen.

Ist es für den Gutachter ersichtlich, dass das Gutachten auch die Rechte einer weiteren Person, z.B. eines Pflichtteilsberechtigten, berührt, dann entfaltet der zwischen dem Erben und dem Gutachter geschlossene Vertrag eine Schutzwirkung zugunsten des Pflichtteilsberechtigten. Die Folge:

Bei grob unrichtiger Begutachtung kann der Gutachter sich gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten schadensersatzpflichtig machen.

Was tun, wenn der Erbe „mauert“

Stellt der Erbe ohne nähere Angaben einen Grundstücksverkehrswert in den Raum und gibt es zwischen ihm und dem Pflichtteilsberechtigten fortwährende Differenzen über diesen Wert, kann der Pflichtteilsberechtigte selbst ein Verkehrswertgutachten in Auftrag geben und dem Erben in Rechnung stellen. Dies entschied das Landgericht Arnsberg (LG Arnsberg, Urt. v. 17.09.2021, 1 O 261/19, NJW-Spezial 2022, 8; BeckRs 2021, 29201; ZErb 2021, 480 ff).


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