Prosavus AG – Insolvenzverwalter RA Scheffler fordert mit Klage Zinszahlungen zurück

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Der Unterzeichner gibt hier einen Bericht einer Verhandlung vor dem Landgericht Stuttgart und einer sehr gut vorbereiteten Richterin, die folgende sachdienliche Hinweise gab, die möglicherweise auch für andere Anleger und Anwälte von Bedeutung sein könnten:

1. Worum geht es? – Anfechtung von Zinszahlungen nach § 134 InsO durch den Insolvenzverwalter

Der Insolvenzverwalter hat Zinszahlungen der Gesellschaft an die Beklagte mit § 134 Insolvenzordnung angefochten, weil es sich nach seiner Auffassung um unentgeltliche Leistungen handelt. Der Insolvenzverwalter begründet das damit, dass den Zinszahlungen keine realen Gewinne zugrunde lagen. Ob das der Fall war, ist auch die entscheidende Frage und nicht, ob es sich prinzipiell um ein Schneeballsystem handelt.

Zunächst beschäftigte sich die Gesellschaft mit dem Aufkauf von Lebensversicherungen, woraus auch in früheren Zeiten aufgrund der dabei auf lange Sicht erzielten Garantiezinsen durchaus Gewinne generiert werden konnten.

Das System schien unrentabel zu werden, als sich der Garantiezins ab 2008 erheblich reduzierte. Dabei scheint die Unternehmensführung eine Umstrukturierung dahingehend vorgenommen zu haben, dass die Liquidität nunmehr durch Provisionen erzielt wurde.

2. Wie kann der Fall geklärt werden? – Sachverständigengutachten?

Ob es sich dabei um ein bloßes Provisionskarussell oder um ein tragfähiges Unternehmensmodell handelt, kann nur durch ein Sachverständigengutachten überprüft werden. Dass es sich dabei um ein nichttragfähiges Modell gehandelt hat, obliegt der Darlegungs- und Beweislast des Klägers, des Insolvenzverwalters. Das Gericht wies darauf hin, dass hier mit Gutachterkosten in einer Größenordnung ab 40.000 € zu rechnen sei. Regelmäßig liegen die Gutachterkosten dabei meist noch höher.

Der Unterzeichner weiß aus einem Fall mit der Göttinger Gruppe, dass hier über einen Zeitraum von mehr als vier Jahren Gutachtertätigkeiten mit drei Nachtragsgutachten mittlerweile Gutachterkosten in Höhe von über Euro 500.000 angefallen sind.

Die bisher im Strafverfahren erstellten Gutachten sind nach Auffassung des Gerichts nicht ergiebig, ebenso die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, wie auch die bisher fehlenden Ergebnisse/Urteile in den Strafverfahren.

Im Ergebnis muss der Kläger hier darlegen und die Gutachten bezahlen.

Das Risiko besteht für den nicht rechtsschutzversicherten Anleger darin, dass im Falle des Unterliegens, was nicht ausgeschlossen werden kann, auch diese Kosten dann von ihm zu tragen sind.

3. Was bringen bereits vorhandene Gutachten und das Strafverfahren?

Das vorhandene Gutachten von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte lässt nicht erkennen, welche Unterlagen verwertet wurden und welche Unterlagen nicht mehr vorhanden waren.

Das Strafgericht in Dresden „kommt nicht zu Potte“ – O-Ton Gericht – „Im Ergebnis ist hier nichts in trockenen Tüchern.“

Der Kläger hat die Beweislast für die Scheingewinne. Es kommt nicht auf ein Schneeballsystem an. Sind Gewinne gezahlt worden, die keine sind, sind sie zurückzuzahlen. Handelte es sich um die Rückzahlung von Kapital, liegt keine Unentgeltlichkeit vor.

4. Gibt es Unterschiede bei den Gewinnen?

Man kann noch differenzieren zwischen Übergewinn und Basisgewinn. Dabei knüpft der Übergewinn an reale Gewinne an. Ob das bei den Basisgewinnen auch so ist, ist fraglich.

Hier könnte man argumentieren, dass Basisgewinne zu zahlen sind, wenn kein Jahresfehlbetrag vorliegt. Andererseits ließe sich auch hier argumentieren, dass auch der Basiszins reale Gewinne voraussetzt.

Es spricht durchaus einiges dafür, dass die bisherigen Zinszahlungen Kapitalrückzahlungen sind und einen festen Zins bilden. Das Risiko, dass es anders sein könnte, trägt der Kläger.

5. Gibt es beim an sich objektiven § 134 InsO auf einmal auch ein subjektives Element?

Hinzu kommt bei dieser Fallkonstellation neuerdings ein subjektives Element, das in der Rechtsprechung zunehmend bei der Anwendung des § 134 InsO Berücksichtigung findet.

Mittlerweile wird in der Richterausbildung gelehrt, dass der § 134 InsO ohne ein subjektives Element maßlos ausufert und diese Vorschrift deshalb eine entsprechende Korrektur durch ein subjektives Element erfahren muss.

Der BGH beginnt langsam auch dazu überzugehen, wie man den Entscheidungen vom 20.04.2017 IXZR 250/16 und 252 /17 entnehmen kann.

Soweit also argumentiert wird, für den Anfechtungstatbestand seien keine Kenntnisse erforderlich, läuft die Anwendung dieser Vorschrift aus dem Ruder.

Ein subjektives Element muss eingeführt und berücksichtigt werden.

Dabei genügt es nicht, wenn lediglich der Insolvenzschuldner von einer Pflicht ausgeht und denkt, das Geschäft sei entgeltlich. In diesem Falle bleibt es bei dem Anfechtungstatbestand des §134 InsO.

Vielmehr kommt es auf einen beidseitigen Irrtum des Insolvenzschuldners und dessen Vertragspartner an. So auch der BGH.

Im vorliegenden Fall muss also gefragt werden, wovon die Vorstände subjektiv ausgingen und was die Anleger annehmen konnten, als sie die Zinszahlungen erhielten.

6. Wovon gingen die Vorstände aus?

Fragt man also heute die Vorstände, ob sie bei Auszahlung der Zinssätze bösgläubig waren und insgesamt vorsätzlich gehandelt haben, gäbe es kein unerledigtes Strafverfahren. Das Strafverfahren ist der Beleg dafür, dass die Vorstände von der Rechtmäßigkeit der Auszahlung auf der Basis vorhandener Gewinne ausgingen.

Nichts anderes können die Anleger, die immerhin über 15 Jahre entsprechend bedient worden sind, angenommen haben.

7. Was hatte der Wirtschaftsprüfer festgestellt?

Nun soll der Wirtschaftsprüfer im Jahre 2012 in einem schriftlichen Vermerk den Vorständen erklärt haben, man könne das System auch als Schneeballsystem ansehen. Dem Vermerk ist nicht zu entnehmen, aufgrund welcher Tatsachen er zu dieser Äußerung kam.

Jedenfalls hat er immerhin testiert und damit das Konzept abgesegnet. Es könnte ja auch sein, dass der Wirtschaftsprüfer das neue Konzept der Vorstände überprüft und erkannt hat, dass man es fälschlicherweise als Schneeballsystem ansehen könnte, aber nach Überprüfung zu dem Ergebnis gekommen ist, dass es eben gerade kein Schneeballsystem ist, nur weil die Provisionen das Hauptelement der Liquiditätsbeschaffung sind.

Das wäre dann auch der Grund, warum er eben testiert hat. All das steht hier nicht fest und obliegt der Beweislast des Insolvenzverwalters, dass es nicht so war.

Für die Jahre 2013 und 2014 haben wir derartige Vermerke des Wirtschaftsprüfers nicht benannt bekommen. Der Wirtschaftsprüfer hätte jedenfalls nicht testieren dürfen, wenn er das System ernsthaft für ein Schneeballsystem gehalten hätte. Er muss also aufgrund begründeter Tatsachen zu einer angemessenen Fortführungsprognose gekommen sein.

Ob also die Vorstände im Jahre 2012 Kenntnis davon hatten, dass es sich um ein Schneeballsystem gehandelt hat bzw. keine realen Gewinne möglich waren und nicht ob jemand es dafürhalten könnte, kann im Ergebnis nur durch Zeugen bewiesen werden, die die Entscheidungsprozesse der Vorstände und deren Gedanken dabei erfahren haben.

8. Gibt es Zeugen für die Kenntnis der Vorstände?

Der Klägervertreter erklärte in diesem Zusammenhang, dass ein Zeuge hierfür bereits in anderen Verfahren als geeigneter Zeuge benannt worden sei, er habe alles gewusst und auch, dass das System nicht aufgehe bzw. keine realen Gewinne möglich gewesen seien.

Eine Entscheidung in dieser Richtung in Parallelfällen gibt es noch nicht.

9. Was ist mit Entreicherung?

Steuern?

Hier handelt es sich um Quellensteuern auf Gewinne, die von der Gesellschaft an das Finanzamt für den Steuerpflichtigen abgegeben werden müssen. Dabei sind 801 € pro Steuerpflichtigem frei und nicht zu versteuern. Bei dem Steuersatz von 25 % ist zu berücksichtigen, ob der jeweilige Steuerpflichtige hinsichtlich seiner übrigen Einkünfte prozentual darüber oder darunter liegt.

Hinsichtlich dieses möglichen Entreicherungstatbestands sind die Anleger darlegungs- und beweispflichtig. Hier müssten entsprechende Steuerbescheide vorgelegt werden, um überprüfen zu können, ob die Steuer endgültig und ungekürzt ist.

Dann könnten die Kapitaleinkünfte eventuell unter dem Freibetrag liegen, wodurch dann steuerrechtlich keine Entreicherung vorliegt. Auch könnte der persönliche Steuersatz unter den 25 % Kapitalertragsteuer liegen. Das hätte dann zumindest eine teilweise Erstattung der Steuer zur Folge, wodurch sich der Betrag der Entreicherung entsprechend reduzieren würde.

Auch insoweit sind die Anleger darlegungs- und beweispflichtig

Wiederanlagen?

Hinsichtlich Wiederanlagen und Umbuchungen vom Konto des Anlegers bedarf es weiterer Darlegung. Wie konkret und substantiiert hier die Entreicherung des Anlegers vorliegt, muss dieser darlegen und beweisen.

Die Klägerseite erklärte, dass für die Jahre 2010 und 2011 für den subjektiven Tatbestand Kenntnis der fehlenden Tragfähigkeit des Anlagekonzepts der obengenannte Zeuge benannt werden könnte. Für die Jahre 2012 und 2013 soll dies durch Gutachten geschehen.

Die Prozesse bleiben noch einige Zeit spannend.

Die Kanzlei Hogrefe wünscht allen Kollegen und den Anlegern in dieser Sache Erfolg. Sachdienliche Hinweise auch dem Unterzeichner gegenüber sind erwünscht wie auch ein Austausch unter Kollegen, um den Anlegern weiter erfolgreich zur Seite stehen zu können.



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