Rau, aber herzlich! Oder: Auch das böse A-Wort darf nicht immer Kündigungsgrund sein

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Vielleicht haben Sie von diesem Fall gehört. Ein Arbeitnehmer ist 23 Jahre lang bei einem Familienbetrieb beschäftigt, Wasserinstallation. Die kleine Firma wird von zwei Geschäftsführern geleitet, Söhne des Firmengründers. Am Abend des 15.02.2016 kam es zu einem rustikalen Gespräch zwischen dem ältesten der drei Gesellen und dem Gründer. Am nächsten Morgen stellte einer der Geschäftsführer den Gesellen deshalb zur Rede. Vor Gericht wird das später so dokumentiert:

Der 62-jährige Geselle behauptet, dass der Firmengründer sich „wie ein Arsch“ benommen habe. Und dass der Geschäftsführer, der gern „den Chef raushängen“ ließe, seinem Vater immer ähnlicher werde. Auf den Einwand, dass diese Bemerkungen unangebracht seien, erbost sich der Geselle: „Dann kündigt mich doch!“ „Damit wir als soziale Arschlöcher dastehen?“, fragt der Geschäftsführer, woraufhin er zur Antwort bekommt: „Das ist diese Firma doch sowieso schon.“ Am Abend wird der Geselle mit der Aufforderung, sich zu entschuldigen, für drei Tage freigestellt. Leider kommt er dieser Forderung nicht nach, weshalb er nach dieser Frist die fristlose Kündigung erhält. 

Eine Kündigungsschutzklage bleibt erfolglos, die nun vorm Landesarbeitsgericht Kiel verhandelte Berufung ebenso. Und das verwundert doch. Natürlich, die Möglichkeit zur Beilegung des Streits wurde vom Kläger verpasst. Doch hatte er seinen Arbeitgeber eben nicht als „soziale Arschlöcher“ bezeichnet, er hat diese Einschätzung der Firmenseite (für den Kündigungsfall) vielmehr im Affekt bestätigt. Ein Unterschied. Genau den aber erkennt das Gericht nicht an. Die Urteilsbegründung behauptet, es könne kein Affekt vorliegen, da der Ursprung für den Streit am Abend zuvor gewesen sei. Wie bitte?

Ein 62-jähriger Handwerker, der über zwei Jahrzehnte zuverlässig in einem Betrieb arbeitet, lässt sich kaum seinen Mund verbieten. In diesen Branchen herrscht nun einmal meist ein derber, aber deswegen noch lange nicht beleidigender Umgangston. Rau, aber herzlich eben. Gut möglich, dass dem Mann mit der Frage seitens des Geschäftsführers sogar eine listige Falle gestellt wurde. Seine Antwort muss jedenfalls als erlaubte Meinungsäußerung durchgehen, nach 23 gemeinsamen Arbeitsjahren ist dem Betrieb eine Weiterbeschäftigung absolut zuzumuten. Oder eben eine Auflösung des Arbeitsvertrags unter Berücksichtigung der beidseitigen Interessen. 

Dass das Landesarbeitsgericht dies anders sieht, kann nun Folgen für viele ältere Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen haben. Ein bedauerliches Urteil, hoffentlich wird es vom Bundesarbeitsgericht schnell gekippt. 

Herzlichst, Ihr

Rechtsanwalt Gerhard Rahn, spezialisiert auf Arbeitsrecht

(LAG Kiel, Az.: 3 Sa 244/16) 


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