Recht auf Akteneinsicht bei Blitzer - Verfassungsgericht Baden-Württemberg

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Eine wichtige Entscheidung erging am 16.01.2023 durch den Verfassungsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg (Urt. v. 16.01.2023, Az. 1 VB 38/18). Alle Betroffenen von Blitzer-Bußgeldbescheiden muss ab sofort auf Antrag des Betroffenen, auch der Zugang zu den Wartungs- und Reparaturunterlagen des Messgeräts gewährt werden, ebenso zu den Rohdaten und der üblichen Ermittlungsakte.


Dem betroffenen Autofahrer wurde vorgeworfen, die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 44 km/h überschritten zu haben. Ihm wurde mit Bußgeldbescheid und anschließendem Urteil des Amtsgerichts Mannheim eine Geldbuße in Höhe von 160,00 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot auferlegt. Während des Bußgeldverfahrens hatte der Mann die Übermittlung der Ermittlungsakte und der Rohmessdaten sowie der „Lebensakte und der Wartungs- und Reparaturnachweise“ des Messgeräts bei der Behörde über seinen Rechtsanwalt angefordert. 


Die Bußgeldbehörde hatte ihm daraufhin die Ermittlungsakte sowie Teile der gewünschten Rohmessdaten zur Verfügung gestellt. Eine Einsicht in die Lebensakte und in die Wartungs- und Reparaturunterlagen des Messgeräts verwehrte im Behörde. Sowohl das Amtsgericht als auch das Oberlandesgericht Karlsruhe im Rechtsbeschwerdeverfahren bestätigten die Entscheidung mit der Begründung, die Herausgabe der Unterlagen als Beweiserhebung sei nicht erforderlich und es bestehe kein Anspruch auf Beiziehung der Akten. 

Der Betroffene legte daraufhin Verfassungsbeschwerde ein, die erfolgreich war. Nach Ansicht der Verfassungsrichter stellt die Verweigerung der Einsicht in die Unterlagen durch die Instanzgerichte einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens dar und ist damit verfassungswidrig. Die Richter stützen sich dabei auch auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs, der festgestellt hatte, dass aus dem Recht auf ein faires Verfahren grundsätzlich ein Anspruch auf Zugang zu den nicht bei der Bußgeldakte befindlichen, aber bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Informationen folge. Hierbei handele es sich nicht um eine Frage der gerichtlichen Aufklärungspflicht, sondern der Verteidigungsmöglichkeiten des Betroffenen, wie schon seit Jahren auch den Verfasser dieses Artikels gefordert.


Im Rechtsstaat müsse dem Betroffenen die Möglichkeit gegeben werden, zur Wahrung seiner Rechte auf den Gang und das Ergebnis des einzelnen Verfahrens Einfluss nehmen zu können, so dass Verfassungsgericht. Das Gebot der fairen Verfahrensgestaltung wende sich nicht nur an die Gerichte, sondern auch an die Exekutive, damit an alle Behörden. Ein rechtsstaatliches und faires Verfahren fordere "Waffengleichheit" zwischen den Verfolgungsbehörden einerseits und dem Beschuldigten andererseits. Ein Betroffener müsse daher möglichst früh, einen umfassenden Zugang zu Beweismitteln und Ermittlungsvorgängen erhalten, ohne die er seine Rechte nicht wirkungsvoll wahrnehmen könnte. Dazu gehören nach Ansicht des Gerichts auch solche Inhalte, die zum Zweck der Ermittlung entstanden sind, aber nicht zur Akte genommen wurden. Dadurch würden seine Verteidigungsmöglichkeiten erweitert, weil er selbst nach Entlastungsmomenten suchen könne. 


Anmerkung: Jeder Betroffene sollte sein Recht ausüben, wenn er sich zu Unrecht durch einen Bußgeldbescheid sanktioniert fühlt. Wichtig ist dabei, dass die entsprechenden Unterlagen, so auch die Lebensakte in einem frühen Stadium des Verfahrens eingefordert wird, da ansonsten eine spätere Herausgabe durchaus verweigert werden könnte. Jeder Betroffenen sollte sich fachmännisch beraten lassen. Der Verfasser dieses Artikels ist seit mehr als 10 Jahren als Fachanwalt für Verkehrsrecht mit einer Spezialisierung im Bereich von Bußgeldverfahren tätig und steht Ihnen bundesweit für eine Beratung und aktive Vertretung zur Seite. Sie können mich jederzeit unverbindlich kontaktieren und ihre Möglichkeiten abfragen.


Christian Fuhrmann

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Verkehrsrecht

(fuhrmann@blf-partner.de oder 0711-5532390)


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