Schadensersatz für verfallenen Urlaub

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Entstehung von Urlaubsansprüchen

Rechnerisch entsteht im Urlaubsjahr für jeden vollen Monat in dem das Arbeitsverhältnis besteht 1/12 des vereinbarten Jahresurlaubs (§ 5 Abs. 1 BUrlG), und zwar bei einer 5-Tage-Woche mindestens 20 Arbeitstage. Scheidet der Arbeitnehmer nach der ersten Jahreshälfte aus einem Arbeitsverhältnis aus, welches seit Anfang des Jahres bestand, ergibt eine Gesamtschau des Urlaubsrechts, dass ihm der volle Urlaubsanspruch und nicht nur ein (Zwölftel-)Bruchteil zusteht. Vor Ablauf der ersten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses kann Urlaub nicht beansprucht, wohl aber gewährt werden (§ 4 BUrlG).

Gewährung von Urlaub

Urlaub ist im Urlaubsjahr (Kalenderjahr) zu gewähren. Ist dies aus betrieblichen Gründen nicht möglich, kann er in das Folgejahr übertragen werden. Dies galt aber nach bisheriger Rechtsprechung des BAG nur, wenn rechtzeitig Urlaubsantrag gestellt wurde. Einer solchen Geltendmachung des Urlaubs durch den Arbeitnehmer bedurfte es nur dann nicht, wenn der Arbeitgeber die Urlaubsgewährung ernsthaft und endgültig verweigerte (BAG 9 AZR 420/10). – Anders sahen dies z. B. der 10. und 21. Senat des LAG Berlin-Brandenburg (10 Sa 86/15, 10 Sa 108/15 und 21 Sa 221/14): Der Arbeitgeber habe von sich aus rechtzeitig Urlaub zu gewähren, andernfalls habe er Schadensersatz zu leisten. Der 9. Senat des BAG hatte diese Frage dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt (9 AZR 541/15 (A)).

Der EuGH hat zwischenzeitlich entschieden (C-619/16), dass nicht beantragter (Mindest-)Urlaub nicht automatisch verfällt, sondern nur dann, wenn der Arbeitgeber „konkret und in völliger Transparenz dafür sorgt, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, dies zu tun". Was daraus für "verspätete" Urlaubsansprüche folgt, die über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehen, ist noch offen (vgl. BAG 9 AZR 161/18 Rn. 19).

Verfällt der Urlaub nicht, kann konsequenter Weise jedenfalls im bestehenden Arbeitsverhältnis kein Schaden entstanden sein, weil der Urlaub (Freistellung von der Arbeitspflicht unter Fortzahlung der Vergütung) noch gewährt werden kann. Kann er nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder wegen unwiederbringlichem Wegfall der Arbeitsleistung (z. B. wegen Krankheit) nicht mehr gewährt werden, dürften die Schadensersatzerwägungen der bisherigen Rechtsprechung anzuwenden sein.

Zu beachten ist auch, dass nach den Entscheidungen des EuGHs durchaus Fälle denkbar sind, in denen nicht beantragter Urlaub auch ohne den sonst erforderlichen Hinweis des Arbeitgebers verfällt.

Die Übertragung des Urlaubs in die ersten drei Monate des Folgejahrs erfolgt ggf. von Gesetzes wegen automatisch (§ 7 Abs. 3 S. 2 und 3 BUrlG); einer weiteren Mitwirkung oder gar Klage bedarf es nicht.

Tipp:

Bis zur endgültigen höchstrichterlichen Klärung aller Folgefragen ist einem Arbeitnehmer dringend dazu zu raten, rechtzeitig einen Urlaubsantrag zu stellen. Zu Beweiszwecken sollte dies im Beisein eines Zeugen geschehen und der Form nach den betrieblichen Vorgaben oder Gepflogenheiten entsprechen. Einem Arbeitgeber ist dagegen zu raten, möglichst frühzeitig im Urlaubsjahr die konkrete Anzahl der Urlaubstage mitzuteilen und auf die Folge des Verfalls hinzuweisen.

Rechtsfolge bei fehlender Urlaubsgewährung

Bis zu seiner Entscheidung vom 16.5.2017 (9 AZR 572/16) war der 9. Senat des BAG davon ausgegangen, dass ein Schadensersatzanspruch in Geld entsteht, wenn nicht rechtzeitig Urlaub gewährt wird. Seit der genannten Entscheidung ist davon auszugehen, dass im Wege der Naturalrestitution ein Anspruch auf Ersatzurlaub entsteht. Erst wenn dieser nicht mehr gewährt werden kann, entsteht ein Abgeltungsanspruch in Geld nach § 7 Abs. 1 BUrlG. Dieser kann erst nach vollständiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehen und z. B. nicht schon in einer Freistellungsphase bei Altersteilzeit (BAG aaO).

Tipp:

Wegen der offenen Rechtslage sollte der Arbeitnehmer derzeit nichts unversucht lassen; Arbeitgebern wäre in jedem Fall zur Gegenwehr entsprechend der bisherigen BAG Rechtsprechung zu raten.

Tod des Arbeitnehmers

Stirbt der Arbeitnehmer, gehen seine Urlaubsansprüche bzw. Abgeltungsansprüche auf die Erben über; dies hat der EuGH entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BAG am 12.06.2014 (C-118/13) entschieden.

Rechtsanwalt Jörn Zimmermann, Wilsdruff (1.11.2017, aktualisiert 10.5.2019)



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