Schadensersatzansprüche bei Bauschäden aufgrund Nachbarbebauung

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Da vielfach alte Gebäude nicht energetischen Vorgaben entsprechen und die Kernbereiche der städtischen Bebauung immer mehr verdichtet werden, kommt es bei Bauarbeiten zu weilen zu schädlichen Einwirkungen an den umliegenden Bestandsgebäuden. In deren Folge streiten die Eigentümer der Bestandsgebäude mit den Eigentümern des Neubaus darum, welche Rechtsfolgen aus der aufgetretenen Beschädigung hergeleitet werden können und welche Voraussetzungen bzw. Nachweise vom Anspruchsteller erbracht werden müssen. Gerade historische Besonderheiten wie gemeinsame Brandwand bedürfen einer sorgfältigen Einschätzung der Rechtslage.

Grundsätzlich besteht gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog ein sogenannter nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch, wenn eine vom Grundstück ausgehende Einwirkung auf ein anderes Grundstück zu nicht hinnehmbaren Beeinträchtigungen führt (BGH, Urteil vom 30.05.2003, V ZR 37/02).

Problematisch sind hierbei diejenigen Fälle, in denen Vorschäden vorliegen, die jedoch vor Beginn der Bauarbeiten auf dem Bestandsgebäude nicht erkennbar gewesen waren. Liegen Vorbeschädigungen vor, ist diese Tatsache im Rahmen der Ersatzpflicht unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens bei Eintritt des Schadens zu berücksichtigen. Mit Hinblick auf die vorgenannte Problematik sollte der Bauherr bei einer angrenzenden Bebauung einen Sachverständigen vor Baubeginn mit der Beweissicherung beauftragen. Der Eigentümer des Bestandsgrundstückes muss im Schadensfall den Beweis führen, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen Schaden und Bauarbeiten besteht. Der Bestandseigentümer der ein innerhalb einer geschlossenen Häuserzeile stehendes Gebäude abreißt, ist verpflichtet, Vorkehrungen zum Schutz der dadurch freigelegten Wand des Nachbargebäudes zu treffen, insbesondere Vorkehrungen gegen Feuchtigkeitseinwirkungen. Ebenso muss der Bauherr der eine halbscheidige gemeinsame Giebelwand entfernt die Kosten der hierdurch notwendigen Außenisolierung der freiliegenden Mauer tragen (OLG Koblenz, Urteil vom 11.01.2000, 1 U 1545/98). Hierbei kommt es nicht darauf an, welcher der beiden Gebäude zuerst errichtet worden ist bzw., ob sich die Abrissmaßnahme auch auf den Bereich der Nachbarwand erstreckt oder ausgewirkt hat. Nach heutigem Recht trifft den Grundstückseigentümer, der sein in einer geschlossenen Häuserzeile gelegenes Haus abreißt und damit die geschlossene Bauweise unterbricht, die Verpflichtung gemäß §§ 922, 1004 BGB zumindest Vorkehrungen durch Feuchtigkeitseindringungen der freigelegten Wand des Nachbargrundstücks zu treffen. Ob es sich hierbei um eine Nachbarwand oder Grenzwand handelt, ist unerheblich. In früheren Zeiten gab es eine solche Unterscheidung überhaupt nicht. Jedenfalls kann der Bestandseigentümer gemäß §§ 1004 Abs. 4 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB Störungen unterbinden, die das zumutbare Maß übersteigen, etwa im Wege einer einstweiligen Verfügung. Dies wäre dann der Fall, wenn der Bauherr z. B. einen Unternehmer beauftragt, welcher weder erfahren ist noch über technische Mittel verfügt (Kammergericht, Urteil vom 18.10.2012, 22 U 226/09).

Was ist aber, wenn eine Grenzwand ausschließlich auf dem Baugrundstück steht und der Bestandseigentümer an diese Wand in zulässigerweise angebaut hatte? Sofern die rechtliche Zuordnung nicht gesichert werden kann, gilt die widerlegbare Vermutung gemäß § 921 BGB, wonach sich das beidseitige Benutzungsrecht im Umfang des § 922 BGB ergibt. Allerdings dort, wo die rechtliche Zuordnung zu einem der bieden Grundstücke feststeht und die Grenzwand ausschließlich auf dem Grundstück einer Partei steht, ergibt sich der Anspruch aus § 94 BGB. Durch den Anbau eines nicht alleinstehenden Gebäudes wird kein Gemeinschaftseigentum gebildet, so dass §§ 921, 922 BGB ausscheidet. Allerding gilt auch hier der Rechtsgrundsatz des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Sind zwei Gebäude baulich miteinander verbunden, sind beim Abriss Schäden am verbleibenden Gebäude in der Regel nicht zu vermeiden. Auch in diesen Fällen besteht ein Ersatzanspruch aus § 906, 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog.

Der Bauunternehmer haftet für Schäden am Bestandsgebäude nur dann, wenn ihm ein Verschulden, etwa ein Verstoß gegen die Regeln der Technik nachgewiesen werden kann. Beim nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch haftet der Eigentümer des Grundstücks auf dem gebaut wird dem Nachbar gegenüber verschuldensunabhängig. Der Bestandseigentümer muss lediglich die Kausalität zwischen Bauarbeiten und Schäden auf seinem Grundstück beweisen.

Rechtsanwalt Wolfang Schlumberger

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

WHS Rechtsanwälte


Foto(s): @WHSRechtsanwälte

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