Scheidungsanwalt: Wie bereite ich mich auf das Gespräch mit dem Anwalt vor?

  • 7 Minuten Lesezeit

Möchten Sie sich von Ihrem Ehepartner scheiden lassen, müssen Sie einen Rechtsanwalt kontaktieren, da nur dieser eine Scheidung bei Gericht beantragen kann. Er oder sie ist im Verlaufe der Scheidung Ihr Lotse in jeglicher Hinsicht, da Rechte und Pflichten bei einer Scheidung gesetzlich mitunter bis ins Detail geregelt sind. Doch auch Sie selbst können sich ein wenig einlesen, um beim Gespräch mit dem Rechtsanwalt gut vorbereitet zu sein und vielleicht auch etwas die Scheu vor einer solchen Unterredung zu verlieren. Neben einer Liste, was der Rechtsanwalt alles fragen kann, finden Sie in diesem Artikel auch Information zu benötigten Unterlagen, Unterhaltsansprüchen und ein paar Kostenfragen.

Eine gute Vorbereitung erleichtert die Zielführung

Wenn Sie in den Urlaub fahren, geben Sie die Adresse des Ziels oder des ersten Teilziels normalerweise in ein Navigationsgerät ein und folgen den Anweisungen. Im Prinzip können Sie das genauso machen, wenn Sie die Scheidung wünschen – Sie haben ja einen Rechtsbeistand. Er wird Sie vor gefährlichen Abzweigungen, steilen Klippen und großem Verkehrsaufkommen warnen, um im Bild zu bleiben.

Vielleicht ist es aber auch so, dass Sie ein/e „Fahrer/in“ sind, die sich am besten schon 10 Kilometer vor einer Autobahnauffahrt (zum Beispiel dem Gerichtstermin) darauf einstellen will und sich die Verkehrslage bei Google Street View anschaut. So können Sie es dann auch beim Anwaltstermin halten, indem Sie einen groben Ablauf der Scheidung kennen, wichtige Fragen schon weit bevor sie auf den Tisch kommen ansprechen und jederzeit mit einem guten Gefühl im Trennungsjahr verbleiben.

Sie haben somit auch den Vorteil, dass Sie das Gespräch mit dem Anwalt effektiver führen, gezielt Fragen stellen können und besser verstehen, was der Anwalt erklärt. Zugleich können Sie besser beurteilen, wenn Ihr Ehepartner seinerseits Forderungen stellt und Sie ungefähr wissen, wie realistisch solche Forderungen sind.

Wie bereite ich mich am besten vor?

Am besten ist, wenn Sie Ihre Besprechung anhand einer Checkliste vorbereiten, die diejenigen Fragen enthält, die ein Rechtsanwalt typischerweise an Sie stellen wird. Versuchen Sie nicht, sich alles im Gedächtnis zu merken. Machen Sie sich Notizen darüber, was Sie wissen wollen und was Ihnen wichtig erscheint. Sie vermeiden, dass Sie im Gespräch unter vier Augen das eine oder andere vergessen und den Anwalt dann erneut kontaktieren müssten.

Beispiel:

Erwarten Sie nach der Scheidung nachehelichen Ehegattenunterhalt, sollten Sie ungefähr wissen, unter welchen Voraussetzungen Ihnen welche Ansprüche zustehen. Gehen Sie bei jeglicher Erkenntnis zum Anwalt, muss der Anwalt Sie erst einmal über die Grundzüge des Unterhaltsrechts informieren, bevor Sie überhaupt beurteilen können, ob Ihnen Ansprüche realistischerweise zustehen. Sind Sie aber bereits vorab informiert, können Sie mit dem Anwalt wesentlich effektiver kommunizieren und abklären, ob Ansprüche in Betracht kommen. Kommen Ansprüche beispielsweise wegen der Kleinkinderbetreuung oder Ihrer Krankheit oder Arbeitslosigkeit in Betracht, sind Sie besser in der Lage, die dafür notwendigen Informationen über Ihre Lebensumstände zu vermitteln. Das Gespräch ist dann wesentlich effektiver und erleichtert vornehmlich auch dem Anwalt die effektive Beratung.

Scheidung möglichst objektiv betrachten

Wenn Sie die Trennung von Ihrem Ehepartner emotional tief bewegt, sollten Sie dennoch alles daransetzen, Ihr Scheidungsverfahren als einen objektiv verlaufenden Vorgang zu betrachten. Natürlich geht es darum, wer was von wem fordern kann und wer welche Rechte und Pflichten hat. Dabei sind Emotionen die denkbar schlechtesten Ratgeber.

Emotionen begründen keine rechtlichen Ansprüche. Umgekehrt sind Emotionen keine Grundlage, berechtigte Ansprüche abzuwehren.

Gehen Sie zum Gespräch mit dem Anwalt, sollten Sie sich emotional einigermaßen im Griff haben. Ein emotional geführtes Anwaltsgespräch schafft nicht den Rahmen, den das Gesetz vorgibt. Auch wenn es noch so schwerfällt, sollten Sie objektiv denken. Objektiv begründete Forderungen sind besser zu begründen als Forderungen, die rein emotionale Hintergründe haben. Umgekehrt lassen sich Forderungen effektiver abwehren, wenn Sie objektiv argumentieren. Berücksichtigen Sie, dass alles, was Sie emotional in das Scheidungsverfahren hineinbringen, das Verfahren verzögert. Sie tauschen unnötigerweise seitenlange Schriftsätze aus, die im Ergebnis wenig bringen und Ihre Gefühlswelt ständig auf und ab schaukeln.

Was wird Ihr Rechtsanwalt von Ihnen wissen wollen?

Wie auch in anderen Angelegenheiten tastet man sich hier von der Mitte zur Peripherie vor. Erst die wesentlichen Fragen, und später dann ins Detail. Wir haben einmal 25 davon aufgeführt (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).

Fragen zur Trennungssituation

Ihr Rechtsanwalt wird zunächst Fragen zur Trennungssituation stellen:

  1. Leben Sie getrennt voneinander?
  2. Wann genau haben Sie sich getrennt?
  3. Wie haben Sie die Trennung vollzogen?
  4. Bestreitet Ihr Ehepartner die Trennung?
  5. Sehen Sie die Chance auf eine Versöhnung?
  6. Sehen Sie die Chance auf eine einvernehmliche Scheidung?

Fragen zu bestehenden Dokumenten und Schriftverkehr

  1. Gibt es bereits Schriftverkehr mit Ihrem Ehepartner nach der Trennung?
  2. Gibt es einen Ehevertrag?
  3. Gibt es bereits Vereinbarungen über Trennungs- und Scheidungsfolgen?

Fragen zu den Kindern

  1. Haben Sie gemeinsame Kinder?
  2. Wer betreut die Kinder (Aufenthaltsbestimmungsrecht)?
  3. Können Sie sich über das Umgangsrecht verständigen?
  4. Ist das Sorgerecht streitig?

Fragen zu Unterhalt und Finanzen

  1. Ist der Ehepartner bereit, Kindesunterhalt zu zahlen?
  2. Wünschen Sie Trennungsunterhalt für den Zeitraum Ihrer Trennung?
  3. Sind Sie aufgrund Ihrer Lebensumstände (welche?) auf nachehelichen Unterhalt nach der Scheidung angewiesen?
  4. Fordern Sie Zugewinnausgleich?
  5. Wissen Sie, ob im Hinblick auf den Versorgungsausgleich in Ihrem Rentenversicherungskonto sämtliche versicherungsrelevanten Zeiten erfasst sind?
  6. Haben Sie Ihren Hausrat aufgeteilt?
  7. Welche Verbindlichkeiten haben Sie in der Ehe begründet?
  8. Kennen Sie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse Ihres Ehepartners? Liegen Ihnen entsprechende Unterlagen vor?

Detailfragen, die nicht jeden betreffen

  1. Wer betreut künftig Hund und Katze?
  2. Möchten Sie eventuelle Scheidungsfolgen außergerichtlich in einer Scheidungsfolgenvereinbarung regeln?
  3. Sehen Sie die Chance, zur Vermeidung einer streitigen Scheidung, eine Mediation in Anspruch zu nehmen?
  4. Können Sie die Scheidungskosten aus eigener Tasche bezahlen? Wenn nicht, wäre ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss gegenüber Ihrem Ehepartner zu prüfen. Ist der Ehepartner nicht leistungsfähig, können Sie staatliche Verfahrenskostenhilfe beantragen.

Wie erfahren Sie, was die Scheidung überhaupt kostet?

Dies gehört zu den Fragen, die Sie (wahrscheinlich) als eine der ersten generell bei allen für Sie in die engere Auswahl genommenen Anwälte abgeklopft haben. Vor dem ersten Gespräch bei einem Anwalt kennen Sie vielleicht die Angaben aus mehreren Kostenvoranschlägen und machen Ihre Entscheidung zur Beauftragung auch vom Erstgespräch mit dem Anwalt abhängig.

Nichtsdestotrotz errechnen sich die Kosten einer Scheidung aus denen für den Anwalt und denen des Gerichts. Als Berechnungsgrundlage dient der sogenannte Streitwert (Verfahrenswert), der durch

  • Vermögenswerte,
  • Nettoeinkommen beider Partner,
  • der Anzahl der Kinder,
  • einer etwaigen Einvernehmlichkeit der Scheidung
  • sowie allen Verbundsachen (Sorgerecht, Unterhalt, Versorgungsausgleich usw.)

bestimmt wird. Holen Sie sich unbedingt vor dem ersten Gespräch einen kostenlosen (!) Kostenvoranschlag für Ihre Scheidung ein, den Sie auch bei uns im Übrigen bekommen. Der netteste Anwalt stellt sich hinterher nicht unbedingt als derjenige dar, der auch Ihre Kostenschonung immer im Blick hält.

Können wir gemeinsam einen Rechtsanwalt beauftragen?

Im Idealfall betreiben Sie Ihr Scheidungsverfahren als einvernehmliche Scheidung. Eventuelle Scheidungsfolgen regeln Sie außergerichtlich in einer Scheidungsfolgenvereinbarung. Dann genügt es, wenn ein Ehepartner den Scheidungsantrag stellt und der andere zustimmt. Für die Zustimmung benötigt der Partner keinen eigenen Rechtsanwalt. Insofern erscheint es naheliegend, dass Sie gemeinsam zu einem Rechtsanwalt gehen und sich beraten lassen wollen.

Doch Vorsicht: Rechtsanwälte müssen Interessenkonflikte vermeiden. Ihr Ehepartner ist trotz allen Einvernehmens Ihr potenzieller Gegner im Scheidungsverfahren. Gehen Sie gemeinsam zu einem Rechtsanwalt, darf Sie der Anwalt nur über den Ablauf eines Scheidungsverfahrens informieren und darauf hinwirken, dass Sie sich wegen der Scheidungsfolgen außergerichtlich auf eine Scheidungsfolgenvereinbarung verständigen. Sollten sich in dieser Unterredung unterschiedliche Interessen offenbaren, muss der Anwalt das Gespräch beenden und darf Sie nicht weiter vertreten. Insoweit ist es besser, wenn Sie allein Ihren Rechtsanwalt kontaktieren. Einen gemeinsamen Anwalt gibt es insofern nicht.

Welche Unterlagen benötigen Sie für das Gespräch beim Anwalt?

Ihr Rechtsanwalt benötigt zur Formulierung Ihres Scheidungsantrags folgende Unterlagen:

  • Heiratsurkunde (wenigstens eine Kopie, des Originals ist im Scheidungstermin vorzulegen)
  • Ehevertrag, soweit vorhanden
  • Erbvertrag, soweit vorhanden
  • Einkommensnachweise beider Ehepartner zur Kalkulation der Scheidungskosten und eventueller Unterhaltsansprüche (maßgebend sind die letzten zwölf Verdienstbescheinigungen)
  • Nachweise über vorhandene Vermögenswerte beider Ehepartner zur Kalkulation der Scheidungskosten und eventueller finanzieller Ausgleichsansprüche
  • Geburtsurkunden der gemeinsamen Kinder

Welche Scheidungspapiere sind zu unterschreiben?

Das einzige, was Sie beim Rechtsanwalt unterschreiben müssen, ist die anwaltliche Vollmacht. Sie brauchen keine Scheidungspapiere zu unterschreiben. Sowas gibt es nur im Fernsehen. In der anwaltlichen Vollmacht bevollmächtigen Sie den Anwalt, Sie im Scheidungsverfahren zu vertreten. Derjenige, der die Scheidungspapiere unterschreibt, ist der Richter. Er unterschreibt den Scheidungsbeschluss und dokumentiert damit, dass Ihre Ehe aufgelöst ist.

Alles in allem

Es ist ein Klischee, dass Scheidungen üblicherweise streitig verlaufen. Auch wenn Johnny Depp und Amber Heard genau dieses Klischee bedienen, sollten Sie die Kraft aufbringen, Ihre Scheidung trotz eventueller Vorbehalte möglichst einvernehmlich abzuwickeln. Sie schaffen so die Grundlage für neue Lebensperspektiven. Wenn Sie mit dieser Einstellung ins Anwaltsgespräch gehen, haben Sie beste Ausgangsvoraussetzungen, das Gespräch zu Ihrer Zufriedenheit zu führen. Für Fragen zu Ihrer Scheidung und darüber hinaus, zum Beispiel für einen Kostenvoranschlag, wenden Sie sich gern an unsere Kanzlei (geht auch über das Nachrichtenfenster unter diesem Artikel).

Foto(s): iurFRIEND

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