Scheu vor Scheidungskosten wegen Hauskredit – Lösung: VKH

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Auch derjenige, der momentan in Eigentum wohnt, soll sich scheiden lassen können. Beton ist das neue Gold, doch vielen Scheidungswilligen gehört ihre Immobilie noch nicht, sondern der Bank. Für die Scheidung extra den Schornstein verkaufen, ergibt keinen Sinn, und so gibt es auch für Eigenheimbesitzer eine Möglichkeit, sich trotz laufenden Immobilienkredits Verfahrenskostenhilfe (VKH) zu beschaffen. Dann schießt der Staat etwas zu Ihren Scheidungskosten zu oder übernimmt sie komplett. Lesen Sie hier unter anderem zwei Beispielfälle.

Welche Kriterien müssen erfüllt sein, um Verfahrenskostenhilfe zu beantragen?

Eine Scheidung Scheidung während des Hausbaus ist denkbar unerfreulich. Würden Sie sich mit der Begleichung der Kosten aus eigener Tasche verschulden, können Sie mit Einreichen des Scheidungsantrags auch jenen auf Verfahrenskostenhilfe einreichen.

Für die Gewährung der Verfahrenskostenhilfe sollten Sie folgende Voraussetzungen erfüllen:

  1. Sie können aufgrund Ihrer finanziellen Situation die anfallenden Verfahrenskosten entweder gar nicht, nur teilweise oder ausschließlich in Raten begleichen (siehe § 114 ZPO).
  2. Die rechtliche Auseinandersetzung, ob in Anspruch oder Verteidigung, hat ausreichende Erfolgschancen. Eine fehlende Erfolgsaussicht liegt vor, wenn Sie z.B. einen Scheidungsantrag vor Ende des Trennungsjahres stellen, ohne einen triftigen Grund dafür zu haben.
  3. Ihre rechtliche Aktion darf nicht als unbegründet oder unnötig erscheinen.
  4. Es sollte kein verwertbares Vermögen in Ihrem Besitz sein (gemäß § 90 SGB XII).
  5. Eine Erstattung der Prozesskosten durch Ihren Ehepartner ist nicht möglich. Bis zur rechtlichen Trennung hat Ihr Partner eine Unterhaltspflicht und könnte dazu verpflichtet sein, die Verfahrenskosten zu übernehmen. Dies gilt, sofern er/sie finanziell dazu in der Lage ist. Es liegt in Ihrer Verantwortung, dem Gericht zu beweisen, dass dies nicht der Fall ist.

Der Punkt, um den es geht, ist hier Nummer 4. Eine Immobilie ist ein verwertbares Vermögen. Auch wenn es Ihnen noch nicht gehört – im Grunde könnten Sie es verkaufen oder beleihen. Oft würde damit aber der Bock zum Gärtner gemacht und die Dinge unnötig kompliziert. Deswegen unterscheidet das Gesetz zwei Fälle.

Wann muss man Haus verkaufen, um Scheidungskosten zu bezahlen?

Vorab: Wenn Sie Besitzer eines „passenden kleinen Hausgrundstücks“ sind, ist es in der Regel nicht notwendig, dieses zu veräußern. Falls Sie jedoch ein Mietobjekt besitzen, könnte ein Verkauf erforderlich sein, besonders wenn der Erlös die Verfahrenskosten decken kann.

Selbstbewohntes Haus und VKH, trotz Mischnutzung

Wenn Sie im eigenen Haus wohnen, stellt sich die Frage, ob Sie etwa Ihr Haus verkaufen oder beleihen müssen, bevor Ihnen Verfahrenskostenhilfe bewilligt werden kann. Auch die Wohnfläche spielt dabei eine Rolle. Das Gesetz sowie einige gerichtliche Entscheidungen geben Hinweise darauf, wie Immobilienbesitz bei der Beantragung von Verfahrenskostenhilfe zu bewerten ist.

Es stellen sich bei der Beurteilung, ob Sie Ihre Immobilie zur Deckung der Scheidungskosten einsetzen müssen, immer zwei Fragen:

  1. ob Ihnen die Verwertung Ihres Immobilienbesitzes in der aktuellen Situation überhaupt möglich ist und
  2. inwieweit Ihnen die Verwertung dann auch zuzumuten ist.

Zwei Beispielfälle gegeneinander gestellt:

In einem Fall des OLG Hamm (OLG Hamm, Beschluss vom 17.12.2015, 2 WF 156/15) war ein Haus mit 100.000 EUR Hypotheken belastet. Der Eigentümer bestritt aus den Mieteinnahmen in Höhe von etwa 1000 EUR seinen Lebensunterhalt und war ansonsten nur in geringem Umfang selbstständig tätig und wollte mit den Mieteinnahmen die Scheidungskosten finanzieren. Das OLG Hamm gab ihm Recht und bewilligte ihm Verfahrenskostenhilfe, die er in Raten zurückzahlen musste. Zwar sei er verpflichtet, das Haus für die Finanzierung der Scheidungskosten einzusetzen, aber nur insoweit, als dieses möglich und zumutbar sei. Da er das Haus selbst nutze und aus den Mieteinnahmen seinen Lebensunterhalt bestreite, würde er durch den Verkauf seine Lebensgrundlage verlieren. Auch komme die Beleihung durch Aufnahme eines Bankdarlehens nicht in Betracht. Da der Mann nur über ein geringes Einkommen verfüge, besitze er nicht die notwendige Bonität, um bei der Bank ein Darlehen zu beantragen. Selbst wenn er ein Darlehen bekäme, könnte er aufgrund seines Einkommens die Darlehensraten nicht zurückzahlen.


Bewohnen Sie dagegen ein unangemessen großes Haus, müssen Sie das Haus zur Finanzierung Ihrer Scheidungskosten einsetzen. In einem anderen Fall des OLG Hamm (Beschluss vom 10.7.2014, 9 W 34/14) bewohnte eine Frau gemeinsam mit der Tochter eine Doppelhaushälfte mit einer Wohnfläche von 100 m². Sie war Miteigentümerin. Das Haus war nicht mit Hypotheken belastet. Die beantragte Verfahrenskostenhilfe wurde der Frau verweigert, da das Haus ihren angemessenen Wohnbedarf übersteige.

Reines Mietobjekt – keine VKH


Sind Sie also Eigentümer eines Einfamilienhauses, sind Sie nicht verpflichtet, das Haus zu verkaufen, wenn Sie eine Wohnung selbst bewohnen und die andere Wohnung vermietet haben. Wie sieht es jedoch mit vollständig vermieteten Objekten aus?


Wenn Sie Besitzer einer vermieteten Immobilie sind, sollten Sie in der Regel berücksichtigen, dass ein Verkauf notwendig sein könnte, sofern der erzielte Verkaufspreis die Gerichtskosten Ihres Verfahrens deckt. Dabei spielt die Zumutbarkeit des Verkaufs eine Rolle.


Falls Ihr Gebäude in einem schlechten Zustand ist oder aufgrund der aktuellen Marktlage vor Ort nicht gut verkauft werden kann, sodass Sie weit unter dem Marktwert verkaufen müssten, könnte es unangemessen sein, gerade jetzt zu verkaufen. Für eine mögliche Hypothek müssen Sie außerdem die erforderliche Kreditwürdigkeit aufweisen, um von einer Bank ein Darlehen zu erhalten.

Zusammenfassung

Ob Ihr Haus oder Ihre Wohnung angemessen ist, bestimmt sich nach folgenden Kriterien:

  • Zahl der Bewohner
  • Ihr Wohnbedarf allgemein
  • Ihr Wohnbedarf, wenn Sie behindert, blind oder pflegebedürftig sind
  • Grundstücksgröße
  • Wohnungsgröße
  • Zuschnitt und Ausstattung des Wohngebäudes
  • Verkehrswert des Grundstücks
  • Verkehrswert des Wohngebäudes

Gut zu wissen: Ist Ihr Ehepartner aus der ehelichen Wohnung ausgezogen, zählt er oder sie bei der Berechnung der Wohnfläche trotzdem noch als Mitbewohner. 

Wie groß darf mein Haus  sein?

Ein paar Orientierungen für Sie, um grob abzuschätzen, ob sich ein Antrag auf Verfahrenskostenhilfe lohnt und bis zu welchen Kenngrößen nicht verkauft oder beliehen werden muss:

Fläche

Die Wohnfläche bei 4 Personen im Haushalt darf bei einer Wohnung im Haus maximal 130 m² und bei 2 Wohnungen im Haus maximal 130 m² betragen, wobei beide Wohnungen zusammen nicht mehr als 200 m² Wohnfläche haben dürfen.

Anzahl der Bewohner

bei mehr als 4 Personen, erhöht sich die maximale Wohnfläche je Person um 20 m²,
 bei weniger als 4 Personen, vermindert sich die maximale Wohnfläche je Person um 20 m².

Grundstück

Die Grundstücksgröße darf bei einem Reihenhaus maximal 250 m², bei einer Doppelhaushälfte maximal 350 m² und bei einem freistehenden Haus maximal 500 m² betragen.

Welche Dokumente bezüglich Ihrer Immobilie müssen Sie bereitstellen?

Für eine korrekte Bewertung Ihrer Immobilie durch das Gericht sind genaue Angaben zum Marktwert erforderlich. Hierzu gehört auch die Vorlage des Kreditvertrags, sofern Ihre Immobilie finanziert wurde oder anderweitige Belastungen darauf liegen, sowie der Versicherungspolice für den Brandschutz. Der Marktwert dient dazu, festzustellen, ob trotz bestehender Belastungen noch verwertbares Vermögen vorliegt. Ohne die entsprechenden Dokumente wird das Gericht seine Einschätzung wahrscheinlich allein auf dem Wohnbedarf basieren.

In einem Urteil des LAG Mainz (Entscheidung vom 14.9.2011, 11 Ta 169/11) wurde ein vom Kläger alleine bewohntes Haus mit 108 m² Wohnfläche als überzogen angesehen. Eine angemessene Wohnfläche wurde mit höchstens 70 m² definiert. Da der Betroffene keine Belege zum Marktwert seines Hauses vorlegte, richtete sich das Gericht lediglich nach dem Wohnbedarf und lehnte seinen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe als unbegründet ab. Dies verdeutlicht die Bedeutung einer ausreichenden Dokumentation bei Anträgen auf Verfahrenskostenhilfe.

Bedingungen für Rückzahlung der VKH bei Immobilienbesitz anders als ohne?

Die Vermögensverhältnisse sind nur 4 Jahre lang relevant, nachdem VKH bewilligt wurde. Nur innerhalb dieses Zeitraums sind wesentliche Verbesserungen mitzuteilen. Außerdem muss/sollte die VKH binnen 4 Jahren zurückgezahlt werden.


  • Findet nach 4 Jahren der Erwerb einer Immobilie statt, ist der Erwerb für die VKH nicht relevant.
  • Daran dürfte sich auch nichts ändern, wenn die VKH nach 4 Jahren noch nicht zurückgezahlt werden konnte und mit der Gerichtskasse ein Zahlungsaufschub vereinbart werden konnte.

Scheidung oder Hauskredit bedienen – beides ist möglich

Das Ausfüllen des Antrags für Verfahrenskostenhilfe kann komplex und vielschichtig sein. Dies wird deutlich, sobald Sie das Formular und die dazugehörigen Hinweise durchsehen. Es ist ratsam, das Formular nicht eigenständig auszufüllen, sondern sich dabei von einem Rechtsanwalt unterstützen zu lassen. Insbesondere bei Immobilienbesitz, der bei der Antragsprüfung berücksichtigt werden könnte, sollten Sie vorsichtig sein.

Abschließender Tipp: Knüpfen Sie die Durchsetzung des Scheidungsantrags an die Bewilligung von VKH, um Zeit zu sparen. Ihr Anwalt kann Sie beraten.

PS: Dieses Jahr wurde auch das Schonvermögen bei der Beantragung von VKH heraufgesetzt – lesen Sie unbedingt mal rein und loten erste Chancen aus!

Ihr RA Oliver Worms

Foto(s): iurFRIEND

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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