Schlüssiges Konzept (KdU) des Jobcenter Limburg-Weilburg für den Mittelbereich Weilburg rechtswidrig

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Seit dem 01.07.2017 wendet das Jobcenter Limburg-Weilburg für die Bestimmung der Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung im Landkreis Limburg-Weilburg ein neues sog. „schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen KdU“ an.

Hierfür wurde der Landkreis Limburg-Weilburg in fünf Vergleichsräume aufgeteilt. Jeder dieser Vergleichsräume besteht aus mehreren Gemeinden bzw. Stadtteilen. Für jeden Vergleichsraum wurde jeweils ein Richtwert ermittelt. Einer dieser Vergleichsräume ist der Mittelbereich Weilburg.

Nach dem Urteil des Sozialgerichtes Wiesbaden vom 15.05.2020, Az. S 5 AS 565/19, ist dieses seit dem 01.07.2017 von dem Jobcenter Limburg-Weilburg für den Mittelbereich Weilburg angewandte sogenannte „schlüssige Konzept zur Ermittlung der angemessenen KdU“ aber rechtswidrig.

Der Mittelbereich Weilburg umfasst nach diesem sogenannten „schlüssigen Konzept zur Ermittlung der angemessenen KdU“ die Gemeinden Weilburg, Mengerskirchen, Merenberg, Löhnberg, Weinbach und Weilmünster.

Für all diese Gemeinden im Mittelbereich Weilburg gilt ein und derselbe Richtwert.

Nach diesem sogenannten „schlüssigen Konzept“ soll es dann Aufgabe der Einzelfallprüfung sein, bei individuellen Sachverhalten zu entscheiden, ob die Anwendung der ermittelten Richtwerte gerechtfertigt ist.

Das Sozialgericht Wiesbaden führt in seinem Urteil vom 15.05.2020, Az. S 5 AS 565/19, hierzu aus:

„Bereits dieser grundsätzliche Ansatz ist zur Überzeugung der Kammer nicht mit den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Einklang zu bringen. Der Ausgangspunkt, dass die Einzelfallprüfung auch auf mögliche zumutbare Räume außerhalb des Bereichs gleicher Angemessenheitsgrenzen oder unzumutbare Teilräume innerhalb des Bereichs gleicher Angemessenheitsgrenzen erweitert werden, widerspricht nämlich dem vom BSG aufgestellten Grundsatz, dass im Vergleichsraum einer leistungsberechtigten Person ein Umzug zur Kostensenkung grundsätzlich zumutbar sein muss. Soweit das Konzept demgegenüber darauf abstellt, dass ohnehin eine Einzelfallprüfung stattzufinden habe, die im Zweifel verhindere, dass von einem Leistungsberechtigten ein unzumutbarer Umzug verlangt werde, überzeugt dies nicht. Die Einzelfallprüfung ist kein geeignetes Kriterium zur Vergleichsraumbildung. Diese hat gerade abstrakt, d.h. nicht einzelfallbezogen zu erfolgen. Anderenfalls könnten beliebig große Vergleichsräume gebildet werden mit der Begründung, dass im Rahmen der Einzelfallprüfung unzumutbare Umzüge ausgeschlossen werden.“

Dies bedeutet für den Mittelbereich Weilburg, dass die tatsächlichen Aufwendungen des Leistungsberechtigten  bis zur Höhe der sich aus § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) ergebenden Tabellenwerte zu übernehmen sind und für alle Kürzungen der KdU unter diesen Wert im Mittelbereich Weilburg keine Rechtsgrundlage existiert (Vgl. Urteil des Sozialgerichtes Wiesbaden vom 15.05.2020, Az. S 5 AS 565/19). Das Urteil gilt auch für Leistungsempfänger nach dem SGB XII (Sozialhilfe).

Aus der inhaltlichen Begründung des Urteils folgt aber nach meinem Verständnis auch, dass das Gericht bereits grundsätzliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des gesamten „Konzeptes“ hat. 

Da diese nach dem sogenannten „schlüssigen Konzept“ durchzuführende Einzelfallprüfung für alle Vergleichsräume gelten soll, ist die Anwendung des sogenannten „schlüssigen Konzepts“ nach meiner Einschätzung für alle Vergleichsräume als rechtswidrig anzusehen.

Daraus folgt für mich zwingend, dass die Angemessenheitsgrenzen für alle 5 Vergleichsräume rechtswidrig sind.

Eine darauf basierende Kürzung der KdU ist nach meiner Einschätzung unzulässig. Dies dürfte in vielen Fällen dazu führen, dass die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung in vollem Umfang zu übernehmen sind.

Da es nicht selten vorkommt, dass über vorläufig bewilligte Leistungen erst nach 2 Jahren endgültig entschieden wird, könnte der abschließende Leistungsbescheid unter Umständen jetzt noch die Möglichkeit eröffnen, eine womöglich rechtswidrige KdU-Berechnung in einem Widerspruchsverfahren geltend zu machen. Hier ist es jedoch wichtig, dass die einmonatige Widerspruchsfrist ab Zugang des Bescheides eingehalten wird.

Erfahrungsgemäß werden die Widersprüche der Betroffenen in einer solchen Konstellation aber oftmals zurückgewiesen, obwohl sich dann bei entsprechender anwaltlicher Prüfung herausstellt, dass die Kürzung(en) rechtswidrig war(en). Ich würde Ihnen daher empfehlen direkt im Widerspruchsverfahren anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, da dies nach meiner Erfahrung die Chancen erhöht, dass die Behörde es nicht auf ein gerichtliches Verfahren ankommen lässt und dem anwaltlichem Widerspruch stattgegeben wird.

Dabei stehe ich Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Wenn die Widerspruchsfrist bereits verstrichen sein sollte, besteht noch die Möglichkeit mit entsprechender Begründung für die Bewilligungszeiträume 2019 einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X zu stellen. Ein solcher Antrag sollte jedoch noch vor Ablauf des Jahres 2020 gestellt werden, sofern die Bewilligungszeiträume 2019 überprüft werden sollen.

Sollte ein solcher Überprüfungsantrag abgelehnt werden, besteht wiederum die Möglichkeit gegen den Ablehnungsbescheid Widerspruch (Widerspruchsfrist 1 Monat) einzulegen.

Auch hierbei stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.


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