„Sexueller Übergriff“ – Vorladung als Beschuldigter? – bundesweite Strafverteidigung!

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Was mache ich, wenn ich eine Vorladung zur Beschuldigtenvernehmung bekommen habe?

Täglich erhält eine Vielzahl von Personen bundesweit eine sog. Vorladung als Beschuldigter wegen des Vorwurfes „sexueller Übergriff“. In einer solchen Situation fühlt man sich regelmäßig nicht nur überfordert, sondern ist auch verunsichert, wie man sich nun zu verhalten hat. 

Den ersten richtigen Schritt haben Sie, nachdem der erste Schock verdaut ist, nun bereits gemacht, indem Sie sich hier zunächst über dieses Thema informieren und sich zugleich auf die Suche nach einem Rechtsanwalt begeben, welcher sich mit dieser Art von Verfahren durch die tägliche Arbeit gut auskennt. 

Den gewöhnlichen Ablauf in einem derartigen Verfahren entspricht es, dass Sie mich zunächst einmal telefonisch (oder auch gerne per E-Mail) kontaktieren. Im persönlichen Kontakt werden dann ersten Rückfragen beantwortet – und ich erläutere Ihnen den Ablauf des Verfahrens (Was passiert als nächstes? Wie lange dauert alles? Etc.). 

Anschließend zeige ich Ihre Vertretung gegenüber der Polizei an, sage den Vernehmungstermin ab und fordere die Akten an. Zugleich werden die gesamte Korrespondenz und die gesamte Bearbeitung dieser Angelegenheit nun über unsere Kanzlei geführt. Sobald die Akten dann hier eingehen, überlegen wir uns eine Verteidigungslinie und bringt das Verfahren dann (im Regelfall) außergerichtlich zum Abschluss.

Was genau ist jetzt ein sexueller Übergriff bzw. wann liegt ein solcher sexueller Übergriff vor? 

Zunächst muss es zu sexuellen Handlungen gekommen sein. Hierbei ist es egal ob der Täter am Opfer, das Opfer am Täter oder das Opfer an sich selbst sexuelle Handlungen vornimmt. Auch wenn Dritte an der Tat beteiligt sind, kann der Tatbestand des § 177 Absatz 1 erfüllt sein. 

Entscheidend ist nur, dass die sexuellen Handlungen gegen den erkennbaren Willen erfolgen. Somit ist ein sexueller Übergriff immer dann gegeben, wenn das Opfer nicht in die sexuellen Handlungen eingewilligt hat. Hierbei muss es aber für den Täter klar sein, dass das Opfer den erklärten Widerwillen auch ernst meint. Man kann also gerade in Beziehungen und Lebenspartnerschaften ein „Nein“ nicht ohne weiteres als erklärten Widerwillen verstehen können. Stattdessen wird man dort die Gesamtsituation betrachten müssen. 

§ 177 Absatz 1 StGB neue Fassung – was hat sich geändert?

Durch den Gesetzesbeschluss vom 07.07.2016 wurde das Strafgesetzbuch im Hinblick auf das Sexualstrafrecht weitreichend reformiert. Denn seit langem gibt es Streit darüber, wie man Sexualstraftäter verurteilen soll und wie man es Opfern erleichtern kann, Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmtheit zu melden und strafrechtlich verfolgen zu lassen. 

Hieraus schafften feministische Gruppierungen die „Nein heißt Nein“-Kampagne. Dieser Slogan verbreitete sich schnell und gab schließlich, gestärkt durch die Ereignisse in der Silvesternacht in Köln, den Anstoß zu der Gesetzesreform. Unter anderem wurde der § 177 StGB (früher: „sexuelle Nötigung“ – jetzt „sexueller Übergriff“) umgestellt. 

Schon Im Absatz 1 des § 177 wird eine Änderung des Motivs deutlich. Die Zwangslage, als Tatbestandsvorrausetzung, ist weg. Es geht jetzt nicht mehr darum, dass der Täter das Opfer mit physisch oder psychisch wirkendem Zwang zu sexuellen Handlungen bewegen muss. Der Neue § 177 Absatz 1 stellt ausschließlich auf das fehlende Einverständnis ab. Hier kommt die Kampagne „Nein heißt Nein“ eindeutig zum Tragen. Die Strafbarkeitsgrenze wurde also gesenkt.

Ersichtlich ist dies auch schon im Namen. Der § 177 I beschreibt nun einen sexuellen Übergriff und nicht mehr sexuelle Nötigung. 

Ein so langer Paragraph – Was ist der Inhalt der vielen Absätze? 

Durch die Gesetzesreform wurden die § 179 (sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen) und § 240 Absatz 4 Nr. 1 (besonders schwerer Fall der Nötigung) gestrichen. Der Inhalt dieser Normen wurde sodann – leicht verändert – in den § 177 integriert. Dadurch entsteht diese lange und unübersichtliche Norm. Im Folgenden werde ich deshalb die Norm Absatz für Absatz erklären:

Im Absatz 2 wird zunächst der Tatbestand erweitert. Das heißt, neben dem oben geschilderten sexuellen Übergriff sind auch andere Handlungen gemäß § 177 Absatz 1 strafbar. Hierunter fällt der sexuelle Missbrauch von Menschen, die nicht (Nr. 1) oder nur beschränkt (Nr. 2) in der Lage sind, sich einen freien Willen zu bilden (oder zu äußern). Hierunter fallen Alkoholisierte, Schlafende oder geistig behinderte Menschen. Wenn die Unfähigkeit den Willen zu bilden oder zu äußern auf einer Behinderung/Krankheit beruht, wird das Strafmaß zusätzlich auf mindestens ein Jahr erhöht (§177 Absatz 4). 

Des Weiteren werden überraschende Übergriffe (Nr. 3), Übergriffe unter Drohung (Nr. 5) und Übergriffe in denen das Opfer sich in einer Zwangslage befindet (Nr. 4) erfasst. 

Im Absatz 5 ist nun doch die sexuelle Nötigung enthalten. Ein besonders schwerer Fall des sexuellen Übergriffs liegt danach immer dann vor, wenn der Täter die sexuellen Handlungen durch Gewalt oder einer Drohung mit der Gefahr für das Leben oder die Gesundheit des Opfers erzwingt. Dies entspricht der alten Fassung des § 177 Absatz 1. Der Täter muss dazu also nicht nur gegen den Willen des Opfers handeln, sondern muss auch dessen Widerstand brechen. Hier wird noch einmal der Unterschied zum sexuellen Übergriff deutlich. 

Eine große Änderung befindet sich dann noch in Absatz 6. Dieser enthält die Vergewaltigung. Bis zu der Reform des Sexualstrafrechts setzte Vergewaltigung noch einen psychisch oder physisch wirkenden Zwang voraus. Dieses Erfordernis wurde erheblich abgeschwächt. Nun reicht eine Einschränkung der sexuellen Selbstbestimmung durch Penetration. Dies setzt die Grenze für Vergewaltigungsfälle deutlich herab.

Die Absätze 7 und 8 enthalten weitere besonders schwere Fälle des sexuellen Übergriffs. Wenn diese Gegeben sind, wird die Strafe erhöht. Diese wurden wortglich aus der alten Fassung des StGB übernommen.

Welche Gefahren und Probleme gehen von diesen Änderungen des Strafgesetzbuches aus?

Bei der Vergewaltigung das Erfordernis der Gewalt zu streichen führt zu einer Ausweitung der Strafbarkeit. Andere Delikte, die vorher selbstständig waren, sind nun häufiger gleichzeitig auch eine Vergewaltigung und werden deshalb mit einem höheren Strafrahmen bedroht. 

Aber auch der Vorsatz in Bezug auf den „erkennbaren Willen“ bereitet Probleme. Auf was ist hierbei abzustellen? Auf einen objektiven Dritten? Aber dann würde der Täter möglicherweise wegen vorsätzlich vollendetem sexuellen Übergriffs verurteilt werden, obwohl er im Grunde nur fahrlässig nicht den Willen bzw. Widerwillen des Opfers erkannt hat. Bisher gibt es dazu noch keine Rechtsprechung. Grundsätzlich kennt das Sexualstrafrecht aber bewusst keine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit. Dies kann nicht über die Hintertür des „erkennbaren Willens“ umgangen werden. 

Wie oben schon kurz erwähnt ist diese Herabsenkung der Strafbarkeitsgrenze auf eine Willensbekundung in Bezug auf menschliche Verhaltensweise – gerade in Beziehungen – schwierig. Nicht jedes „Nein“ ist auch immer eine Ablehnung. Hier wird man mehr als bisher die Gesamtsituation betrachten müssen. Dies wiederum führt dazu, dass Gerichte einen hohen Bewertungsspielraum haben werden. 

Wie sieht es mit dem Strafrahmen generell aus?

Der einfache sexuelle Übergriff wird mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis drei Jahren geahndet. Wenn zu dem Übergriff noch Gewalt oder Drohung (Nötigung) kommt, liegt der Strafrahmen bei mindestens einem Jahr. 

Wenn ein besonders schwerer Fall nach Absatz sechs vorliegt liegt die Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren. Dies ist praktisch wichtig, weil Haftstrafen über zwei Jahre nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden können. 

Nicht unter drei bzw. fünf Jahren fällt die Haftstrafe bei den Fällen des Absatzes sieben bzw. acht aus. 

Zusammenfassend – Was muss ich beachten? 

Die Strafbarkeitsgrenze wurde durch die Reform deutlich gesenkt. Der in § 177 verkörperte sexuelle Übergriff hat sehr viel geringere Voraussetzungen als die sexuelle Nötigung der alten Fassung. Einverständnis ist nun das Zentrum der Sexualstrafbarkeit und eben nicht mehr der Zwang. Die Strafandrohungen wurden gerade durch die Erweiterung des Vergewaltigungsbegriffs erhöht. 

Gerade bei Menschen, die nur eingeschränkt in der Lage sind, sich einen Willen zu bilden bzw. diesen zu äußern, ist im Zweifel eine klare Zustimmung einzuholen, wenn man das Risiko wegen eines sexuellen Übergriffs belangt zu werden, minimieren will. 

Und nun?

Nachdem Sie sich nun einen ersten Überblick verschafft haben, ist es im zweiten Schritt ratsam, den direkten Kontakt (per Mail oder telefonisch) zu suchen um zunächst noch eventuell offene Rückfragen zu beantworten. Sodann übernehme ich gerne Ihre Vertretung in dieser sensiblen Angelegenheit, Sie erreichen mich über die oben genannte Telefonnummer – gerne auch erst einmal nur für ein erstes unverbindliches Beratungsgespräch.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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