Sozialplan darf Schwerbehinderte nicht benachteiligen

  • 3 Minuten Lesezeit

Steht eine Betriebsschließung oder Teilbetriebsschließung mit einer Vielzahl von Kündigungen bevor, erstellt der Arbeitgeber einen sog. Sozialplan. Darin regelt er in Absprache mit dem Betriebsrat die Kündigungsbedingungen und insbesondere die Abfindungsregelungen für die betroffenen Arbeitnehmer. Dabei haben Arbeitgeber das Benachteiligungsverbot zu beachten.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied nun darüber, ob eine Abfindungsregelung im Sozialplan schwerbehinderte Arbeitnehmer benachteiligt, wenn diese Regelung für die Berechnung der Abfindungshöhe auf das gesetzliche Renteneintrittsalter abstellt (BAG, Urteil v. 28.07.2020, Az.: 1 AZR 590/18).

Wie kann ein Sozialplan benachteiligen?

Nach § 75 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden. Benachteiligungen aufgrund der Rasse, ethnischen Herkunft, Abstammung oder der sonstigen Herkunft dürfen nicht vorkommen. Auch Benachteiligungen wegen Nationalität, Religion oder Weltanschauung, wegen Behinderung, Alter, politischer oder gewerkschaftlicher Aktivität und auch Benachteiligungen wegen Geschlecht oder sexueller Identität haben zu unterbleiben.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) konkretisiert die unterschiedlichen Formen der Benachteiligung. So gibt es z.B. unmittelbare Benachteiligungen und mittelbare Benachteiligungen. Eine mittelbare Benachteiligung liegt nach § 3 Abs. 2 AGG u.a. vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften Personen gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, ohne durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt zu sein.

In dem BAG-Fall ging es darum, ob ein Sozialplan eine mittelbare Benachteiligung darstellt.

Der BAG-Fall: Ungerechter Sozialplan?

Im Fall vor dem BAG stritten Arbeitgeber und Arbeitnehmer um die Höhe einer Sozialplanabfindung nach einer betriebsbedingten Kündigung. Der Arbeitgeber hatte einem 59-jährigen schwerbehinderten Arbeitnehmer wegen einer Betriebsschließung betriebsbedingt gekündigt.

Es gab einen Sozialplan, der für Arbeitnehmer im rentennahen Alter eine pauschale Abfindungszahlung bei der betriebsbedingten Kündigung vorsah. Der Zeitraum zwischen dem Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses und dem Renteneintritt sollte durch einen „fiktiven Differenzbetrag“ als Abfindung abgegolten werden. Die Regelung für die Berechnung der konkreten Höhe stellte dabei auf den „frühestmöglichen Renteneintritt“ des anspruchsberechtigten Arbeitnehmers ab.

Für den Arbeitnehmer ermittelte der Arbeitgeber unter Berücksichtigung des frühestmöglichen Renteneintritts für Schwerbehinderte nach § 236a Abs. 2 Satz 2 SGB VI bei der Altersrente für schwerbehinderte Menschen eine Abfindung i.H.v. insgesamt 39.718,99 Euro.

Der Arbeitnehmer hielt diese Berechnung für eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung. Bei einer Berechnung der Abfindung mit frühestmöglichem Rentenbeginn ohne Schwerbehinderung würde er immerhin eine Abfindung i.H.v. 100.000,00 Euro erhalten. Er klagte deswegen vor dem Arbeitsgericht den Differenzbetrag ein. In der Berufungsinstanz hatte er Erfolg – der Arbeitgeber wollte das Urteil deswegen vor dem BAG überprüfen lassen.

Die Entscheidung: Mittelbare Benachteiligung durch Sozialplan ungerechtfertigt

Allerdings bekam der Arbeitnehmer auch vor dem BAG recht. Die Regelung im Sozialplan für die Berechnung der Abfindungshöhe – abhängig vom frühestmöglichen Renteneintritt – sei eine mittelbar auf dem Kriterium „Schwerbehinderung“ beruhende Ungleichbehandlung. Eine Rechtfertigung dafür sahen die Richter nicht.  

Der Grund für die mittelbare Benachteiligung: schwerbehinderte Menschen können gemäß § 236a Abs. 1 Satz 2 SGB VI zu einem früheren Zeitpunkt Altersrente in Anspruch nehmen als nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer. Das führt zu einem geringeren Abfindungsanspruch als bei nicht behinderten Arbeitnehmern. Die Ungleichbehandlung folgt aus dem gesetzlich unterschiedlich geregelten Lebensalter des frühestmöglichen Renteneintritts – und beruht mittelbar auf der Eigenschaft „schwerbehindert“.

Beide Personengruppen seien aber in Bezug auf die wirtschaftlichen Nachteile durch die Betriebsschließung in einer vergleichbaren Situation. Ihre Arbeitsverhältnisse endeten aus demselben Grund und unter denselben Voraussetzungen. Die Benachteiligung sei daher nicht gem. § 3 Abs. 2 AGG gerechtfertigt und verstoße gegen § 75 Abs. 1 BetrVG.

Da die Berechnungsregelung unwirksam sei, stehe dem bisher benachteiligten Arbeitnehmer ein Anspruch auf eine höhere Sozialplanabfindung zu – in Form einer „Anpassung nach oben“.

Keine Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund – auch im Sozialplan!

Ungleichbehandlungen einzelner Arbeitnehmer im Betrieb müssen durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein. Anderenfalls sind die Anweisungen oder Regelungen, die zur Ungleichbehandlung führen, unwirksam.

Haben Sie Fragen zu einer Regelung in einem Sozialplan? Befürchten Sie, dass Sie durch eine Regelung im Sozialplan z.B. wegen Alter, Geschlecht oder Schwerbehinderung benachteiligt werden? Ich prüfe das gerne für Sie! Kontaktieren Sie mich gerne telefonisch in Augsburg unter 08215 / 08 526 60, per E-Mail an kanzlei@schleifer-arbeitsrecht.de oder über das anwalt.de-Kontaktformular !


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Fachanwalt für Arbeitsrecht Markus Schleifer

Beiträge zum Thema