Strafbarkeit nach Gewaltschutzgesetz; Zustellungserfordernis; Stalking; Nebenklage; Opferrecht

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„Stalking" hat sich begrifflich im deutschsprachigen Raum durchgesetzt. Jeder weiß, was damit gemeint ist, wenn eine Person „gestalkt" wird. Für die Strafrechtswissenschaft ist dieser Begriff unzureichend.

In der Sprache der Juristen spricht man in Deutschland bei bestimmten Handlungen, die in § 238 StGB genannt sind, von „Nachstellung" oder ein wenig umständlich von „Zuwiderhandlung gegen eine bestimmte vollstreckbare Anordnung nach § 1 Abs. 1 Gewaltschutzgesetz (GewSchG)". Kein Wunder, dass sich die angelsächsische Ausdrucksweise durchsetzte.

Voraussetzung für die Strafbarkeit nach § 4 Gewaltschutzgesetz ist, dass eine vollstreckbare Anordnung eines Zivilgerichts vorliegt, die dem Beschuldigten zugestellt wurde. Erst durch die Zustellung wird die vollstreckbare Anordnung wirksam. Die Zustellung der einstweiligen Anordnung oder einstweiligen Verfügung ist Wirksamkeitsvoraussetzung. Ist dem Beschuldigten nicht formal wirksam die Anordnung des (Zivil-)Gerichts zugestellt worden, kann er sich nicht strafbar machen. Die Möglichkeit einer Vollziehung vor Vollstreckung nach § 929 Abs. 3 ZPO ändert daran nichts. Der später Beschuldigte, oder im Zivilverfahren „Antragsgegner" genannt, soll vor einer unklaren Verbotsverfügung geschützt werden. Das sage nicht ich, sondern das ist Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips. Damit der Beschuldigte weiß, was er nicht darf und was noch zulässig ist, z. B. sich im Umkreis von 100 m der Antragstellerin zu nähern oder über Dritte mit ihr Kontakt aufzunehmen oder sie am Arbeitsplatz, z. B. in der Musterstraße, aufzusuchen.

Es dient der Rechtssicherheit, dass man für die Frage des Vorsatzes u. U. nicht auf mündliche Berichte Dritter abstellt. Selbst wenn der Beschuldigte von der Polizei persönlich informiert wurde, reicht es für eine strafrechtliche Verfolgung nicht aus. Der Bundesgerichtshof hat das in einem Urteil entschieden, und das Urteil des Landgerichts Göttingen in der Vorinstanz bestätigt.

Rechtstipp für Opfer:

Umso wichtiger ist für die Stalking-Opfer, Folgendes zu beachten:

Bei der einstweiligen Verfügung hat die Zustellung im Parteibetrieb zu erfolgen. Hier wird also der ausgefertigte Beschluss des Amtsgerichts an die Antragstellerin zurückversandt. Sie muss selbst einen Gerichtsvollzieher beauftragen, um die Zustellung an den Antragsgegner zu bewirken. Anders ist es bei den familiengerichtlichen Verfahren. Bei diesen Verfahren spricht man von einer einstweiligen Anordnung. Die Zustellung erfolgt hier von Amts wegen. Deshalb bestimmt die Verfahrensart, welche Vorschriften über die Zustellung zur Anwendung kommen. Bei der Entscheidung des Zivilgerichts ergeht eine einstweilige Verfügung im Sinne des § 935 ZPO.

Am sichersten und einfachsten ist es, wenn sie bei der Geschäftsstelle des Familiengerichts einen Antrag auf Gewaltschutz stellen. Und zwar zu Protokoll der Geschäftsstelle. Den Rest erledigt das Gericht, auch wenn das Familiengericht nicht immer zuständig ist. Für die Zuständigkeit wäre das Vorliegen eines auf Dauer angelegten gemeinsamen Haushaltes maßgeblich. Die falsche Verfahrensart, hier also die Anordnung des Familiengerichts, ändert jedoch nichts an die Strafbarkeit des Stalkers.

Rechtsanwalt Dr. Ebrahim-Nesbat

Fachanwalt für Strafrecht


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