Umschlaganlagen und die neue Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen

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1.
Mit Inkrafttreten der neuen Bundesverordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) vom 18.04.2017 (BGBL, IU S. 905), in Kraft seit dem 01.08.2017, stellen sich viele Fragen, insbesondere welche zukünftigen Anforderungen an Anlagen gestellt werden. 

Unter anderem bei den Logistikern im Zusammenhang mit Umschlaganlagen herrscht große Unsicherheit. 

Bei einer Umschlaganlage wechseln im Regelfall Güter von einem Arbeitsmittel zu einem anderen innerhalb einer Transportkette. Der Umschlagsprozess wird entweder mit Hilfe eines dritten Arbeitsmittels, z. B. eines Krans, eines Gabelstaplers oder Roboters durchgeführt oder ein Arbeitsmittel führt den Umschlagsprozess selbst durch (z. B. Lkw mit Lastaufnahmemittel).

Eine Selbsteinstufung nach Gefährdungsklassen ist (grundsätzlich) nicht möglich. Beim Umschlagen des Stückguts liegt nur die „gefahrgutrechtliche Kennzeichnung“ vor. Auch anhand der UN-Nummern kann im Regelfall eine solche „Umrechnung“ nicht erfolgen. 

2.
Da es sich um eine völlig neue Rechtsmaterie handelt, kann eine Rechtsprechungsexpertise naturgemäß nicht erfolgen. Insbesondere ist daher die Begründung für die Verordnung des Bundesrats vom 31.03.2017, Drucksache 144/16, von elementarer Bedeutung sowie rudimentär die bisherigen vergleichbaren rechtlichen Regelungen in den einzelnen Bundesländern. 

3.1. Bagatellregelung der AwSV gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 AwSV

Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 AwSV findet die AwSV auf oberirdische Anlagen mit einem Volumen von nicht mehr als 0,22 Kubikmetern bei flüssigen Stoffen oder mit einer Masse von nicht mehr als 0,2 Tonnen bei gasförmigen und festen Stoffen keine Anwendung, wenn sich diese Anlagen außerhalb von Schutzgebieten und festgesetzten oder vorläufig festgesetzten Überschwemmungsgebieten befinden.

§ 1 Abs. 3 AwSV ist mit dem Ziel der Entbürokratisierung hinsichtlich einer Bagatellregelung eingeführt worden. Von der Verordnung ausgenommen sind danach oberirdische Anlagen bis 220 Litern bzw. 200 Kilogramm außerhalb von Schutzgebieten und festgesetzten oder vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten.

Für die Betreiber dieser (Bagatell-)Anlagen gelten damit die technischen Anforderungen, Anzeigepflichten oder andere Verpflichtungen nach dieser Verordnung nicht. Für diese Anlagen bleibt jedoch nach Satz 2 der Besorgnisgrundsatz bzw. der Grundsatz des bestmöglichen Gewässerschutzes nach § 62 Abs. 1 WHG unberührt, auch wenn nach der Verordnung keine speziellen technischen und organisatorischen Maßnahmen gefordert sind. 

Diese Bagatellregelung bedeutet auch nicht, dass es sich bei den angegebenen Mengen um unerhebliche Mengen handelt. Die Freisetzung eines wassergefährdenden Stoffes aus einer Kleinanlage ist genauso bedeutsam wie die Freisetzung derselben Menge aus einer Anlage, die der Verordnung unterliegt. 

Nach § 1 Abs. 3 Satz 3 AwSV bedürfen die genannten Kleinanlagen auch keiner Eignungsfeststellung nach § 63 Abs. 1 WHG. Die Einführung einer solchen Bagatellregelung folgt dem vielfach geäußerten Wunsch, für solche Anlagen auf jegliche Art einer behördlichen Kontrolle zu verzichten und die Einhaltung des Besorgnisgrundsatzes bzw. des bestmöglichen Schutzes der Gewässer der Eigenverantwortung der Betreiber zu überantworten. 

Durch die Bagatellregelung werden auch die zuständigen Behörden von jeglicher Kontrollarbeit entlastet, es sei denn, es kommt zum Austreten wassergefährdender Stoffe oder zu Boden- oder Gewässerverunreinigungen, vgl. Seite 200, Bundesrat, Entwurf vom 31.03.2017, Drucksache 144/16. 

3.2. Wann ist die Bagatellregelung bei Umschlaganlagen einschlägig? 

Bei Umschlagsanlagen stellt sich allerdings in diesem Zusammenhang die Frage, wann die Bagatellgrenze greift bzw. welches Volumen angesetzt werden muss. 

Gemäß § 39 Abs. 1 S. 2 AwSV ist bei flüssigen Stoffen, das für die jeweilige Anlage maßgebende Volumen zu Grunde zu legen, bei gasförmigen und festen Stoffen die für die jeweilige Anlage maßgebende Masse. § 39 Abs. 5 AwSV konkretisiert die Vorgaben bei Umschlagsanlagen. 

Demnach entspricht bei Anlagen zum Umladen wassergefährdender Stoffe in Behältern oder Verpackungen von einem Transportmittel auf ein anders sowie bei Anlagen zum Laden und Löschen von Stückgut oder losen Schüttungen von Schiffen, das maßgebende Volumen oder die maßgebende Masse der größten Umladeeinheit, für die diese Anlage ausgelegt ist. 

§ 39 Absatz 5 AwSV legt demnach fest, dass bei Anlagen, bei denen Behälter und Verpackungen umgeladen werden, das Volumen des größten Behälters oder der größten Verpackung für die Bestimmung des maßgebenden Volumens heranzuziehen ist. Bei Anlagen zum Laden und Löschen von Stückgut oder von losen Schüttungen entspricht das Volumen der größten Umladeeinheit, also z. B. dem Volumen des größten zu erwartenden Stückguts oder dem, was von einem Greifer maximal erfasst werden kann, vgl. Seite 263, Bundesrat, Entwurf vom 31.03.2017, Drucksache 144/16. 

Die AwSV definiert unverständlicherweise indessen nicht, was eine „Umladeeinheit“ ist. 

Eine Ladeeinheit ist demgegenüber (auch Ladungseinheit; abgek. LE; engl. Unit load) nach VDI 3968 ein aus einem einzelnen oder mehreren Packstücken bestehendes Transportgut, das bei Durchlaufen der Lieferkette als Ganzes transportiert, umgeschlagen oder gelagert wird. Sofern erforderlich, zählen neben den Packstücken auch der Ladungsträger und Sicherungsmittel zur LE. Eine LE ist artikelrein oder artikelgemischt beladen.

Nach diesseits vertretener Rechtsauffassung entspricht die maßgebende Masse/das maßgebende Volumen der größten Umladeeinheit, daher zumindest nicht die Summe aller Umladeeinheiten, die gleichzeitig umgeladen werden oder umgeladen werden können (zum Beispiel mittels Kran, Hubwagen, etc.). 

Im Regelfall dürfte daher die Bagatellgrenze bei Umschlaganlagen nicht eigreifen, wenn zumindest die größte Ladeeinheit, IBC-Packmittel – in der Regel zwischen 500 bis 1000 Litern -, umgeschlagen werden. 

4.1. Müssten Betreiber einer Umschlaganlage immer eine Selbsteinstufung gemäß § 4 Abs.1 AwSV vornehmen? 

Die AwSV löst die entsprechenden Regelungen in der auf der Grundlage des §19 g Abs. 5 S. 2 WHG a. F. erlassenen Verwaltungsvorschrift wassergefährdender Stoffe vom 17. Mai 1999 (Banz. Nr. 98a vom 29 Mai 1999), die durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift wassergefährdende Stoffe vom 27. Juli 2005 (VwVwS, Banz Nr. 142a vom 30 Juli 2005) geändert worden ist, ab. Gemäß § 19 d Abs. 5 WHG a. F. i. V. m. der Verordnung mussten bereits Stoffe in Wassergefährdungsklassen eingestuft werden. 

Bereits nach der alten Rechtslage war in § 19 g Abs. 2 WHG a. F. normiert, dass Anlagen zum Umschlagen wassergefährdender Stoffe und Anlagen zum Lagern und Abfüllen von Jauche, Gülle und Silagesickersäften so beschaffen sein müssen und so eingebaut, aufgestellt, unterhalten und betrieben werden, dass der bestmögliche Schutz der Gewässer vor Verunreinigungen oder sonstigen nachteiligen Veränderungen ihrer Eigenschaften erreicht wird. 

Auch eine Selbsteinstufung war grundsätzlich notwendig. Allenfalls in Nordrhein-Westfalen und Berlin wurde die Einstufung von wassergefährdenden Stoffen in Wassergefährdungsklassen (WGK) mit den letzten Novellierungen der dortigen VAwS nicht mehr fortgeführt. 

Nunmehr hat gemäß § 4 Abs.1 AwSV ein Betreiber einer Anlage (bundesweit), sofern er beabsichtigt in dieser mit einem Stoff umzugehen, die Pflicht, diesen nach Maßgabe der Kriterien von Anlage 1 als nicht wassergefährdend oder in eine Wassergefährdungsklasse nach § 3 Abs. 1 AwSV einzustufen. 

Gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 5 AwSV gilt diese Verpflichtung zur Selbsteinstufung nicht für Stoffe, die während der Durchführung einer Beförderung in Behältern oder Verpackungen umgeschlagen werden. 

§ 2 Abs. 23 AwSV definiert das „Umschlagen“ als das Laden und Löschen von Schiffen, soweit es unverpackte wassergefährdende Stoffe betrifft, sowie das Umladen von wassergefährdenden Stoffen in Behältern oder Verpackungen von einem Transportmittel auf ein anderes. 

Zum Umschlagen gehört auch das vorübergehende Abstellen von Behältern oder Verpackungen mit wassergefährdenden Stoffen in einer Umschlaganlage im Zusammenhang mit dem Transport. Nummer 5 stellt demnach eine Sonderregelung für Umschlaganlagen dar und entbindet den Anlagenbetreiber von der Verpflichtung, die wassergefährdenden Stoffe in den Containern oder Ladeeinheiten zu bestimmen. 

Der Bundesratsentwurf führt hierzu unverständlich aus: 

Eine entsprechende Einstufung kann der Betreiber nicht vornehmen, da er den Container nicht öffnen darf. Zur Entscheidung über die Wassergefährdung kann auf die gefahrgutrechtliche Kennzeichnung abgestellt werden“, vgl. Seite 216, Bundesratsentwurf, Drucksache 144/16.

Eine Einstufung in Wassergefährdungsklassen auf der Grundlage der gefahrgutrechtlichen Kennzeichnung ist indes unmöglich. 

Dem folgend stellt sich naturgemäß die Frage, in welche Wassergefährdungsklasse die Stückgüter „fiktiv“ einzustufen sind. 

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