Verteidigung in Sexualstrafsachen - Änderungen des StGB und der StPO im Jahr 2021

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Strafverteidigung auf Basis der Unschuldsvermutung steht speziell in Sexualstrafverfahren auf einem schweren Stand. Vor diesem Hintergrund verpflichtet eine professionelle  Verteidigung gerade in diesem Deliktsbereich dazu, die aktuelle Rechtslage zu kennen und sicher zu beherrschen.


Angesichts eines Gesetzgebers, der in geradezu atemberaubender Geschwindigkeit eine Verschärfung des Sexualstrafrechts und des Prozessrechts nach der anderen beschließt, hilft vielfach selbst der Blick in die aktuelle Fassung der gängigen Kommentare nichts.


Nachfolgend wird daher die aktuell erneut geänderte Rechtslage stichpunktartig zusammengefasst:


Änderungen des StGB und der StPO 2021


Besitz und Verbreitung von Kinderpornographie sind künftig Verbrechen


Gemäß bisher geltendem § 184 b StGB war das Verbreiten, Herstellen, Beziehen oder Liefern kinderpornographischer Schriften mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bedroht. Im Fall der gewerbsmäßigen Tatbegehung erhöhte sich der Strafrahmen gemäß § 184 b Abs. 2 StGB auf sechs Monate bis zehn Jahre. 


Beide Strafrahmen sind erhöht worden:


  • Die Verbreitung und der Besitz von Kinderpornographie ist nunmehr als Verbrechen eingestuft und mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr belegt, § 184 b StGB.
  • Im Fall der gewerbsmäßigen oder bandenmäßigen Tatbegehung beträgt die Mindestfreiheitsstrafe künftig zwei Jahre, § 184 b Abs. 2 StGB.


  • Das Inverkehrbringen, der Erwerb und Besitz von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild wird gemäß dem neu geschaffenen § 184 l StGB mit Freiheitsstrafe bis fünf Jahre geahndet.


Sexueller Missbrauch wird nunmehr als Verbrechen eingestuft


Bisher wurde gem. § 176 StGB derjenige, der sexuelle Handlungen einer Person unter 14 Jahren vornimmt oder an sich vornehmen lässt oder ein Kind dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, im Wiederholungsfall betrug die Mindeststrafe gemäß § 176 a Abs. 1 StGB ein Jahr, in schweren Fällen gemäß § 176 a Abs. 2 StGB steigerte sich die Mindeststrafe auf zwei Jahre.


  • Nunmehr ist die Mindeststrafe auch für leichte Fälle auf ein Jahr erhöht § 176 StGB, und damit auch diese Tat immer als Verbrechen eingestuft.
  • Die Höchststrafe ist auf 15 Jahre erhöht worden.
  • Gemäß § 176 c StGB beträgt in Wiederholungsfällen die Freiheitsstrafe mindestens zwei Jahre, bei schwerer Misshandlung des Kindes gemäß § 176 c Abs. 3 StGB wird Freiheitsstrafe von nicht unter fünf Jahren verhängt.
  • Verursacht der Täter leichtfertig den Tod des Kindes, beträgt die Mindestfreiheitsstrafe zehn Jahre.


Neu geschaffener  Straftatbestand für sexuelle Handlungen ohne Körperkontakt


Ausdrücklich erfasst werden nunmehr Täter, die Kinder anderen zur Begehung sexueller Gewalttaten anbieten oder sich dazu verabreden. 

Ein eigenständiger Straftatbestand, § 176 a StGB, soll sexuelle Handlungen ohne Körperkontakt erfassen, wenn beispielsweise der Täter sexuelle Handlungen an sich selbst vor den Augen eines Kindes vornimmt. Für diese Taten wird ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zehn Jahre Freiheitsstrafe vorgesehen.


Die Verjährungsfrist für sexuelle Bildaufnahmen von Kindern beginnt nach neuer Rechtslage erst mit Ende des 30. Lebensjahres von Betroffenen.


Einvernehmlicher Sex zwischen Kindern bzw. Jugendlichen soll privilegiert werden


Die Sonderregelung des § 176 Abs. 2 StGB soll bei einvernehmlichem Sex unter Kindern und Jugendlichen etwa gleichen Alters den Gerichten die Möglichkeit einräumen, je nach Gestaltung des Einzelfalls von einer Bestrafung abzusehen. Hiermit soll vermieden werden, dass der Staat auf sexuelle Interaktionen unter Kindern und Jugendlichen, die Teil einer normalen sexuellen Entwicklung sind, unangemessen reagiert und beispielsweise Kinder oder Jugendliche auf Jahre in stigmatisierende Register bringt.


Wichtig für den Mandanten:

Verfahrenseinstellungen nach §§ 153ff StPO sind bei den neuen Verbrechenstatbeständen sind künftig ausgeschlossen.


Im Falle von Gesamtstrafenbildungen führen die erhöhten Mindeststrafen der Einzelstrafen leicht zu Gesamtstrafen, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden können.


Auch im Prozessrecht sollte der Verteidiger die neue Rechtslage, z.B. im Hinblick auf einen möglichen Haftbefehl gegen den Mandanten, kennen:


Neu gefasster § 112 III StPO: 

Ausweitung der Verhängung von Untersuchungshaft ohne gesonderten Haftgrund


Nach dem geänderten § 112 III StPO können künftig bei schwerer sexueller Gewalt gegen Kinder dringend Tatverdächtige auch ohne Flucht- oder Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft genommen werden.


  • Der Katalog der Telekommunikationsüberwachung und Online-Durchsuchung bei einschlägigen Straftaten wurde erweitert.


Erweiterung der Zulässigkeit von Durchsuchungen zur Nachtzeit, § 104 I Nr. 3 StPO:

Besteht der Verdacht, dass gerade zur Nachtzeit der Beschuldigte „auf ein elektronisches Speichermedium zugreift“, das als Beweismittel in Betracht kommt, ist nach neuer Rechtslage die nächtliche Durchsuchung ausdrücklich zulässig. Erfasst werden sollen insbesondere die Fälle des Konsums von (Kinder-) Pornografie.


Neu geschaffener § 48a StPO


Gemäß § 48a StPO  sind Verhandlungen, Vernehmungen und Untersuchungshandlungen bei besonders schutzbedürftigen Zeugen, die zugleich Verletzte sind, unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen der Zeugen und möglicher schwerwiegender Nachteile für deren körperliche und seelische Gesundheit sowie bei minderjährigen Verletzten unter einem besonderen Beschleunigungsgebot durchzuführen.


Änderung des Bundeszentralregistergesetzes


Für bestimmte Sexualstraftaten sieht das BZRG schon bei geringfügigen Verurteilungen eine Aufnahme in das erweiterte Führungszeugnis für die Dauer von zehn Jahren vor. Für bestimmte kinderschutzrelevante Straftaten ist eine Aufnahmefrist von 20 Jahren bei Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe von mehr als einem Jahr vorgesehen.



Der Autor ist Referent im Fachanwaltslehrgang Strafverteidigung des RAV zum Thema „Verteidigung in Sexualstrafsachen“

Foto(s): Rechtsanwalt Arne Timmermann

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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