Vorgehen gegen einen Bußgeldbescheid – lohnt sich der Einspruch wirklich?

  • 6 Minuten Lesezeit

Themen: Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid; Bußgeldverfahren; Verkehrsrecht; Ordnungswidrigkeit; Geschwindigkeitsüberschreitung; Rotlichtverstoß; Abstandsverstoß

Viele Verkehrsrechtsportale berufen sich auf eine Studie, nach der mindestens 80 % aller in Deutschland erlassenen Bußgeldbescheide fehlerhaft seien. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, so muss dennoch berücksichtigt werden, dass nicht jeder Rechtschreibfehler zur Rechtswidrigkeit führt.

In diesem Rechtstipp werden die einzelnen Schritte eines klassischen Bußgeldverfahrens praxisnah erläutert und dargestellt, an welchen Stellen ein Einspruch zum Erfolg führen kann.

Ein kritischer Blick – Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid

Die von mir am häufigsten vor Gericht bearbeiteten Bußgeldverfahren sind Geschwindigkeitsverstöße, Abstandsverstöße und Rotlichtverstöße.

Dies verwundert nicht, da alle drei Verstöße mittlerweile auch mit festinstallierten Geräten im Dauereinsatz gemessen werden können.

Bekommt man einen Bußgeldbescheid zugestellt, gegen den man vorgehen möchte, so muss man innerhalb von 14 Tagen nach der Zustellung Einspruch gegen diesen einlegen (§ 67 I OWiG). Der Einspruch wird bei der Behörde eingelegt, die den Bußgeldbescheid erlassen hat.

Für Bußgeldbescheide, die von der Polizei in Bayern aufgrund von Verkehrsverstößen erlassen wurden, ist das beispielsweise die Zentrale Bußgeldstelle in Viechtach.

Die Behörde hat dann selbst die Möglichkeit den Vorgang nochmals zu prüfen.

Hier kann es beispielsweise passieren, dass eine Kennzeichenverwechslung stattgefunden hat, die falsche Person angeschrieben wurde oder lediglich ein geringerer Verstoß vorliegt.

Fehler, die der Behörde offensichtlich unterlaufen sind, können hier also gleich bei der Ausgangsbehörde korrigiert werden und zu einer Einstellung des Verfahrens führen. Dies geschieht jedoch in den seltensten Fällen.

Tipp

Bereits im Bußgeldbescheid lässt sich die ausstellende Behörde erkennen.

Erfahrungsgemäß sind Bußgeldbescheide der Stadt oder Gemeinde leichter anfechtbar als die der Polizei.

Hilft die Behörde dem Bußgeldbescheid nicht ab, so kommt es zum gerichtlichen Verfahren.

Spätestens hier lohnt die Akteneinsicht durch den Anwalt.

Das bringt die Akteneinsicht

Hier ist nicht nur die Urschrift des Bußgeldbescheides einsehbar, sondern auch der gesamte Messvorgang, der zum Bußgeldbescheid führte. Bei Blitzerfotos kann es sein, dass es sich lohnt die Fahrereigenschaft zu bestreiten, wenn das Bild den Fahrer nicht eindeutig erkennen lässt oder man tatsächlich nicht gefahren ist.

Zudem lässt sich erkennen, ob das Messfoto überhaupt verwertbar ist. Wurde der richtige Auswerterahmen eingehalten? Befinden sich andere Fahrzeuge im Auswerterahmen?

Hier kann schon eine erste Einschätzung getroffen werden, ob die Messung korrekt ist und der Einspruch weiter lohnt.

Zudem kann geprüft werden, ob alle erforderlichen Unterlagen vorliegen und die technischen Regeln beachtet wurde.

Wurde das Messgerät richtig auf- und eingestellt? War ein Anfangstest notwendig? Wurde er durchgeführt? Liegt ein gültiger Eichschein für das Messgerät vor? All diese Dinge können zur Unverwertbarkeit des Messergebnisses führen.

Allerdings sind die meisten Akten zunächst unvollständig, notwendige Rohdaten oder unvollständige Dokumente lassen sich jedoch auch noch im Nachhinein beiziehen.

Wer hat die Messung durchgeführt?

In jüngster Rechtsprechung wurde entschieden, dass ein Bußgeldbescheid rechtswidrig ist, wenn die Polizei oder Gemeinde eine Privatfirma mit der Verkehrsüberwachung beauftragt. Die Verkehrsüberwachung ist eine hoheitliche Aufgabe und darf nicht an private Dienstleister übertragen werden.

Das bringt die Hauptverhandlung

Folgende Maßnahmen können in der Hauptverhandlung durchgeführt werden:

1. Fahrereigenschaft bestreiten

Zu Beginn der Verhandlung kann eine Stellungnahme zum Tatvorwurf gemacht werden.

Dies ist dann sinnvoll, wenn beispielsweise die Fahrereigenschaft bestritten wird.

2. Verwarngeld unterhalb der Eintragungsgrenze

Auch in anderen Fällen, in denen die Fahrereigenschaft klar ist, kann an dieser Stelle ab und an bereits erreicht werden, dass der Einspruch auf die Rechtsfolgen beschränkt wird und lediglich ein geringeres Bußgeld verhängt wird, sodass z. B. eine Punkteeintragung unterbleibt.

3. Zeugenvernehmung des Messbeamten oder des ermittelnden Polizisten

Ansonsten ist es sinnvoll, erst mal den Messbeamten als Zeugen zu vernehmen.

Hier wird nochmals das Messergebnis darauf geprüft, ob technische Fehler vorliegen und der Messbeamte über einen gültigen Schulungsnachweis verfügt.

In diesem Zusammenhang werden auch die Messungen in Augenschein genommen.

Bei einem Abstandsverstoß ist beispielsweise darauf zu achten, ob sich Fahrzeuge so dicht hinter dem Betroffenen befanden, dass eine Verringerung des Abstands nicht möglich war.

Bei einem Rotlichtverstoß, der lediglich von der Polizei beobachtet wurde, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, erfolgreich gegen den Bußgeldbescheid vorzugehen, wenn man den Beamten genauer auf den Zahn fühlt, auf welcher Höhe sich das Kfz des Betroffenen befand, als die Ampel auf Rot umschaltete.

4. Beweisanträge und Gutachten

Danach gibt es noch die Möglichkeit mit Beweisanträgen und der damit verbundenen Einholung eines Sachverständigengutachtens darzulegen, weshalb bestimmte Blitzgeräte oder Messvorgänge fehlerbehaftet sind und daher nicht zu einem verwertbaren Ergebnis führen.

Es ist jedoch auch zu beachten, dass ein solches Gutachten sehr teuer ist und sich meist finanziell nur lohnt, wenn eine Rechtsschutzversicherung für die Verfahrenskosten aufkommt.

Nach der Zeugenvernehmung sind gerade die erstinstanzlichen Gerichte oftmals von der korrekten Messung überzeugt und werden daher Beweisanträge zur Funktion der Messgeräte ablehnen. Dann hilft nur noch, falls möglich, der Weg in die höhere Instanz, damit die Beweisanträge von einem höheren Gericht erneut berücksichtigt werden.

5. Eventuell Einspruchsrücknahme

Ist das Gericht von der korrekten Messung überzeugt, kann es auch sein, dass es sich lohnt den Einspruch an dieser Stelle zurückzunehmen. Dies ist vor allem dann angezeigt, wenn aufgrund von Voreintragungen im Fahreignungsregister oder aufgrund der Beweisaufnahme eine Verschlechterung des Bußgeldbescheids im Raum steht.

6. Unzumutbare Härte – Umwandlung in höhere Geldbuße

Selbst wenn das Gericht von der korrekten Messung überzeugt ist, kann der Einspruch auch an dieser Stelle noch auf die Rechtsfolgen beschränkt werden, um beispielsweise ein Fahrverbot aufgrund von einer unzumutbaren Härte in eine höhere Geldbuße umzuwandeln.

An eine unzumutbare Härte sind allerdings immer höhere Hürden geknüpft, so muss die finanzielle Existenz vom dauerhaften Behalten des Führerscheins abhängen. Die Staatsanwaltschaft legt dieses Kriterium zunehmend härter aus. Man muss sich auch bewusste sein, dass bei einer erfolgreichen Umwandlung des Fahrverbots in eine höhere Geldbuße oft ein doppelt oder dreifach so hohes Bußgeld droht.

7. Fahrverbot hinauszögern

Führen alle vorherigen Schritte nicht zum Erfolg, hat man beim Fahrverbot immer noch die Möglichkeit, einen Fortsetzungstermin zu veranlassen, um so das Fahrverbot möglichst weit hinauszuzögern. Oftmals lassen sich die Gerichte darauf ein, wenn man anzeigt, in diesem Fall den Einspruch bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückzunehmen.

Fazit und abschließender Tipp

Wenn Sie einen Anwalt mit dem Bußgeldverfahren beauftragen, kann sich dieser um den fristgerechten Einspruch, Akteneinsicht und alle weiteren Schritte kümmern.

Verfügt man über eine Rechtsschutzversicherung, die, wie häufig der Fall, eine Verkehrsrechtsschutzversicherung beinhaltet oder wurde eigens dafür eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen, so kann diese auch für ein Bußgeldverfahren aufkommen, wenn lediglich eine fahrlässige Ordnungswidrigkeit und kein Vorsatz im Raum steht.

Die Fahrlässigkeit wird in der Regel angenommen, wenn nicht in vehementer Weise (z. B. doppelte Geschwindigkeit als erlaubt) gegen Verkehrsregeln verstoßen wurde.

Die Rechtsschutzversicherung übernimmt dann die Verfahrenskosten inklusive der gesetzlichen Anwaltsgebühren. Das Bußgeld wird dagegen nie übernommen.

Wenn man keine Rechtsschutzversicherung hat, sollte man sich genau überlegen, ob der Einspruch Sinn macht. Die drohenden Verfahrenskosten übersteigen das Bußgeld meist um einiges. Gerade bei einem drohenden Fahrverbot kann dies allerdings existenzielle Folgen für den Betroffenen haben und dann auch ohne Rechtsschutzversicherung wiederum Sinn machen.

Gerne berate ich Sie speziell für Ihren Einzelfall.

In Verkehrsordnungswidrigkeiten bin ich vor allem in München mit allen zuständigen Richtern und den meisten Messbeamten vertraut.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt David-Joshua Grziwa

Beiträge zum Thema