Vorweggenommene Erbfolge in der Patchworkfamilie rechtliche und erbschaftsteuerliche must have‘s

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Patchworkfamilien sind Familien, in denen mindestens ein Kind nur mit einem Ehepartner verwandt ist, weil es für diesen die zweite Ehe ist oder das Kind aus einer nichtehelichen vorherigen Beziehung stammt. In diesen Familien kann es also gemeinsame Kinder und für die Ehepartner „fremde" Kinder aus anderen Beziehungen geben.

Aus der Sicht auf das Erbrecht kann in solchen Konstellationen für die Vermögensnachfolge erheblicher „Sprengstoff" sein, was folgender Fall verdeutlichen soll:

Erich Meier lernt Frauke Frieder kennen und lieben und heiratet sie. Er ist Witwer, sie ist geschieden, sodass es sich für beide um die zweite Ehe handelt.

Erich ist vermögend und Eigentümer von zwei Miethäusern in Köln sowie dem Familienheim. Aus seiner Ehe mit der verstorbenen Ehefrau sind zwei Kinder hervorgegangen, Konrad und Karoline. Frauke hatte mit dem ersten Ehemann eine „Rosenkrieg“-Scheidung. Entsprechend ist das Verhältnis zu ihm vergiftet. Aus der ersten Ehe hat sie einen Sohn, Stefan, der nicht verheiratet ist und keine Kinder hat.


Die Eheleute machen ein eigenhändiges gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben des Erstversterbenden einsetzen, sonst aber nichts bestimmen.

Nach 5 Jahren glücklicher Ehe verstirbt Erich Meier. Frauke unternimmt außer der Testamentseröffnung nichts zur Regelung der Nachfolge. Konrad und Karoline wollen die letzte Ehefrau des Vaters nicht belästigen und unternehmen ihr gegenüber nichts. Hinsichtlich der Erbfolge nach Frauke macht sich keiner der Beteiligten konkrete Gedanken.

Nach erneut 5 Jahren verstirbt Frauke. Bevor einer der Abkömmlinge die Erbfolge regeln kann, wird Stefan, der Sohn von Frauke, in einen für ihn tödlich verlaufenden Verkehrsunfall verwickelt.

Die Rechtsfolgen einer solchen Situation sind gravierend:

Der Erbfall nach Frauke ist testamentarisch nicht geregelt. Das Testament der Eheleute war mit dem ersten Erbfall nach Erich „verbraucht“. Es tritt also gesetzliche Erbfolge ein. Das gesetzliche Erbrecht geht von der Erbfolge in der Blutsverwandtschaft aus, die nur durch Geburt vermittelt wird. Durch Eheschließung wird das Kind des neuen Ehepartners „Stiefkind". Nach dem gesetzlichen Erbrecht vermittelt diese Stellung aber keinerlei Recht nach dem Tod der Stiefmutter oder des Stiefvaters.

Alleinerbe nach Frauke ist Stefan geworden, weil er der einzige Abkömmling von Frauke ist. Nach seinem Tod schlägt nun wieder gnadenlos das gesetzliche Erbrecht zu. Alleinerbe nach Stefan wird der ungeliebte geschiedene Ehemann von Frauke. Das gesamte Vermögen von Erich Meier geht in der gesetzlichen Erbfolge auf den Ex-Ehemann von Frauke Frieder über.

Und der Pflichtteil?

Der Pflichtteil hätte von Konrad und/oder Karoline nach dem Tod von Erich Meier gegenüber Frauke Frieder geltend gemacht werden können. Er verjährt aber in 3 Jahren nach der Eröffnung des Testamentes. Für den Beginn der Verjährungsfrist ist nur die Kenntnis vom Testament erforderlich, mit dem die Enterbung eintrat. Da Frauke 5 Jahre nach Erich verstorben ist, war mit Sicherheit die Frist schon abgelaufen. Die Pietät vor der emotionalen Ruhe der zweiten Ehefrau wirkt sich fatal aus.

Dieser Fall ist konstruiert und die Namen frei erfunden. Gleichwohl hätte er sich so in der Wirklichkeit abspielen können. Fehlendes Handeln ist menschlich und auch dann anzutreffen, wenn es erkennbar zwingend geboten ist. Der Fall zeigt das wichtigste „must have“:

Wer eine bestimmte Vermögensnachfolge erreichen will, muss diese gerade bei Patchwork-Situationen regeln.

Regelungen können durch Testament oder Erbvertrag erfolgen. Sie werden dann mit dem Tod wirksam. Wichtige Regelungen können damit einfach getroffen werden, weil die Form des eigenhändigen Testaments genügt. Im obigen Fall hätte zum Beispiel die Regelung geholfen, die Kinder als gemeinsame Schlusserben einzusetzen. Zumindest wären Konrad und Karoline dann noch mit von der Partie, auch wenn der Ex-Ehemann von Frauke immer noch Mitglied der Erbengemeinschaft wäre. Das Testament hätte aber als „Sicherheitsgurt“ gewirkt.

Noch besser ist aber das Handeln zu Lebzeiten, da es so in der Hand der Verfügenden liegt, die Zukunft sicher zu gestalten. Immobilien hätten beispielsweise schon auf die Kinder übertragen werden können.

Hierbei werden die steuerlichen Vorteile optimal genutzt, insbesondere bei der Erbschaftsteuer. Gerade diese Steuerart hält für Patchworkfamilien eine positive Überraschung bereit. Die Stiefkinder werden hier wie leibliche Kinder behandelt!

Moment?! wurde nicht gesagt, dass Stiefkinder im Erbrecht nicht berücksichtigt werden?

Ja- das wurde gesagt und es bleibt auch dabei. Das große "aber" ist: Das Erbschaftsteuerrecht setzt sich darüber hinweg. Es nimmt die kleine Wirtschaftseinheit „Familie" in den Blick und begünstigt diese. Leibliche Kinder und Stiefkinder sind in der günstigen Steuerklasse 1 und haben gegenüber dem Stiefelternteil einen Freibetrag von 400.000 €.

Damit ist das wichtigste „must have" gefunden. Im Wege der Übertragung zu Lebzeiten können nicht nur die erwünschten Ziele erreicht werden, sondern zudem geplant Erbschaftsteuer gespart werden, auch wenn Kinder des anderen Ehepartners bedacht werden.

Aber „Achtung" !!  Das gilt nur für die Ehe oder die gleichgeschlechtliche eingetragene Lebenspartnerschaft. Das "einfache" Zusammenleben genügt nicht.

Wer Vermögenswerte zu Lebzeiten überträgt kann sich durch den Vorbehalt des Nießbrauchs, also das Recht zur Ziehung der Früchte (z. Bsp. Mieten), absichern. Das hat auch einen steuerlichen Effekt, da der Vorbehalt des Nutzungsrechtes wie eine Gegenleistung wirkt und damit geeignet ist, die Schenkungsteuer zu minimieren.

Sowohl die Testamentsgestaltung als auch die lebzeitige Übertragung von Vermögenswerten sollte gut überlegt und auch rechtlich und steuerrechtlich beraten sein. Gerade bei der Patchwork-Situation mit den unübersichtlichen Verwandtschaftsverhältnissen in den Beziehungen kann eine Gestaltung ohne rechtliche und steuerrechtliche Beratung zum genauen Gegenteil des Gewünschten führen. 

Der „Kitt" jeder Gestaltung ist ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen allen Beteiligten. Besteht dies nicht, sollte die lebzeitige Verfügung noch genauer überlegt sein, jedenfalls aber abgesichert werden, z.Bsp. durch Vorbehalt von Rückforderungsrechten. Insbesondere hier besteht das „must have" in der beratenen, sauberen rechtlichen Gestaltung.

Dr Arnd Löffelmann Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht in Euskirchen

Foto(s): Dr. Arnd Löffelmann

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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