Wann Sie Arbeitslosengeld nach Kündigung oder Aufhebungsvertrag erhalten – ein Überblick

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Wer seinen Arbeitsplatz verliert, ist meist auf Arbeitslosengeld I angewiesen (ALG I). Hier erfahren Sie, was Sie dazu nach einer Kündigung oder einem Aufhebungsvertrag wissen müssen. Besonders wichtig ist die Sperrzeit.

1. Wer bekommt Arbeitslosengeld I?

2. Was ist eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld?

3. Wann wird eine Sperrzeit verhängt?

    a. Der Arbeitgeber kündigt

    b. Sperrzeit nach einem Aufhebungsvertrag

    c. Der Arbeitnehmer kündigt

4. Weniger Arbeitslosengeld wegen Abfindung?

5. Fazit

1. Wer bekommt Arbeitslosengeld I?

Grundsätzlich kann der Arbeitnehmer nach Verlust seines Arbeitsplatzes Arbeitslosengeld I verlangen, wenn er in den letzten 30 Monaten insgesamt mindestens 12 Monate in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat (Anwartschaftszeit). Das ist grundsätzlich der Fall, wenn er entsprechend lange als Arbeitnehmer angestellt war. Es gibt daneben einige Sonderregelungen zum Beispiel für Eltern, die ihre Kinder großgezogen haben sowie häufig befristet Angestellte. Sie können auch schon nach kürzeren Anwartschaftszeiten einen Antrag stellen.

Arbeitslosengeld wird zwischen 4 und 24 Monate lang gezahlt. Die Dauer hängt davon ab, wie alt der Arbeitnehmer ist und wie lange er eingezahlt hat (s. u.).

2. Was ist eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld?

Auch wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, gibt es Fälle, in denen der Arbeitnehmer eine Zeit lang kein Arbeitslosengeld I erhält. Unter Umständen verhängt die Bundesagentur für Arbeit nämlich eine sogenannte Sperrzeit. Dazu kommt es, wenn

  • der Arbeitnehmer den Verlust der Stelle versicherungswidrig selbst verursacht hat
  • und er dafür keinen nachweisbaren wichtigen Grund hatte.

Die Sperrzeit bedeutet, dass der Arbeitnehmer für eine Zeit von bis zu 12 Wochen kein ALG I erhält. Der Betrag wird auch nicht im Nachhinein nachgezahlt. Der Arbeitnehmer verliert somit einen bedeutenden Teil seines Anspruchs auf ALG I.

Arbeitnehmer unter 50 Jahren erhalten höchstens 12 Monate lang ALG I. Wird eine Sperrzeit von 12 Wochen ausgesprochen, kann der Arbeitnehmer nur noch rund 9 Monate lang ALG I beziehen. Ist der Arbeitnehmer über 50 Jahre alt, kann der Anspruch auf ALG I auch mehr als 12 Monate betragen. In diesem Fall wird eine Sperrzeit von eigentlich 12 Wochen noch verlängert, und zwar (gem. § 148 Abs. 1 Nr. 4 SGB III) auf ein Viertel der gesamten Anspruchsdauer.

Bei einer Sperrzeit muss der Arbeitnehmer also nicht nur eine Zeit lang ohne Einkünfte auskommen, sondern der Anspruch auf ALG I reduziert sich insgesamt um einen beträchtlichen Anteil. Die Sperrzeit kann somit eine erhebliche finanzielle Einbuße bedeuten.

3. Wann wird eine Sperrzeit verhängt?

Ob die Bundesagentur für Arbeit eine Sperrzeit verhängt, hängt davon ab, wie das Arbeitsverhältnis geendet ist.

a. Der Arbeitgeber kündigt 

Eine Kündigung durch den Arbeitgeber geschieht in der Regel gegen oder ohne den Willen des Arbeitnehmers. Grundsätzlich kommt es hier also zu keiner Sperrzeit. Das gilt jedenfalls für die Fälle der betriebsbedingten oder personenbedingten Kündigung.

Eine betriebsbedingte Kündigung wird ausgesprochen, wenn Arbeitsplätze im Betrieb des Arbeitgebers wegfallen, z. B. wegen Umsatzeinbruchs oder Outsourcing. In diesem Fall trägt der Arbeitnehmer nicht zu seiner Kündigung bei. Eine Sperrzeit scheidet aus.

Eine personenbedingte Kündigung wird damit begründet, dass der Arbeitnehmer seine Arbeit nicht mehr erbringen kann. Grund dafür sind vor allem fachliche und gesundheitliche Gründe. Anders gesagt: Der Arbeitnehmer will, aber kann nicht nach den Vorgaben seines Arbeitsvertrages arbeiten. Auch hier muss der Arbeitnehmer nicht mit einer Sperrzeit rechnen.

Übrig bleibt die verhaltensbedingte Kündigung. Diese wird ausgesprochen, wenn der Arbeitnehmer durch sein Fehlverhalten einen Grund für die Kündigung liefert. Dadurch hat der Arbeitnehmer den Verlust des Arbeitsplatzes selbst verursacht und die Arbeitsagentur kann eine Sperrzeit verhängen. Das gilt auch in aller Regel für die fristlose Kündigung.

Hierzu folgender Beispielsfall:

Berufskraftfahrer B fährt mit seinem Lkw bei Rot über eine Kreuzung und kollidiert mit einem Auto. Im folgenden Strafverfahren wird ihm der Führerschein für 6 Monate entzogen. Der Arbeitgeber kündigt ihm fristlos und die Arbeitsagentur spricht für das ALG I eine Sperrzeit von 3 Monaten aus.

Nach dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (vom 01.08.2012, Az. L 3 AL 5066/11) ist diese Sperrzeit gerechtfertigt, da der Arbeitnehmer mit seinem Fahrverhalten auch seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt habe. Die Kündigung habe er daher grob fahrlässig herbeigeführt.

Anders sieht es aus, wenn sich die Kündigung im Nachhinein als unberechtigt herausstellt. Daher empfiehlt es sich in vielen Fällen, gegen eine verhaltensbedingte Kündigung zu klagen.

b. Sperrzeit nach einem Aufhebungsvertrag

Einen Aufhebungsvertrag  unterschreibt der Arbeitnehmer freiwillig. Grundsätzlich kann die Bundesagentur für Arbeit in diesem Fall also eine Sperrzeit aussprechen.

Wichtig wird an dieser Stelle die Frage, ob der Arbeitnehmer einen wichtigen und nachweisbaren Grund für den Abschluss des Aufhebungsvertrages hatte. Das Gesetz gibt keine genauen Hinweise, wann ein wichtiger Grund vorliegt. Orientierung verschafft hier, was die Sozialgerichte und die Bundesagentur für Arbeit über die Jahre zu diesem Thema entschieden haben.

Als Grundsatz gilt: Für den Aufhebungsvertrag besteht ein wichtiger Grund, wenn die Auflösung des Arbeitsverhältnisses sinnvoll und verständlich ist.

Etwas konkreter sind die folgenden – nicht abschließenden – Beispielsfälle:

  • Der Arbeitnehmer wird gemobbt.
  • Der Arbeitnehmer wird sexuell belästigt.
  • Der Arbeitgeber ist insolvent.
  • Die Vergütung liegt 20 % oder mehr unter der branchen- und ortsüblichen Vergütung/unter Tarif.
  • Der Arbeitgeber verlangt Arbeit, die gegen die guten Sitten, das Gesetz oder tarifvertragliche Regelungen verstößt.
  • Der Arbeitnehmer möchte umziehen, um seine Ehe oder eheähnliche Lebensgemeinschaft aufrechtzuerhalten.

Es gibt eine zweite Fallgruppe, bei der trotz des Aufhebungsvertrags keine Sperrzeit ausgesprochen wird. Und zwar, wenn der Arbeitnehmer durch den Vertrag einer Kündigung durch den Arbeitgeber zuvorkommt. Damit eine Sperrzeit ausscheidet, müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Der Arbeitgeber stellte die Kündigung ganz konkret in Aussicht.
  • Diese Kündigung darf nicht verhaltensbedingt sein (s. o.).
  • Der Arbeitnehmer war nicht ordentlich unkündbar. Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung ist gelegentlich in Tarifverträgen vorgesehen.
  • Der Aufhebungsvertrag sieht vor, dass das Arbeitsverhältnis erst nach Ablauf der Kündigungsfrist endet (insbesondere also nicht von einem Tag auf den anderen).

Daneben muss der Arbeitnehmer durch den Aufhebungsvertrag objektive Nachteile durch die Kündigung vermeiden. Sonst wird ein wichtiger Grund nicht angenommen.

Objektive Nachteile in diesem Sinne sind zum Beispiel

  • eine Rufschädigung durch die Kündigung
  • oder der Verlust einer Abfindung von bis zu 0,5 Monatsgehältern pro Jahr (die also nur im Rahmen des Aufhebungsvertrags versprochen wird).

Erhält der Arbeitnehmer eine Abfindung von genau 0,5 Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr, unterstellt die Agentur für Arbeit, dass die Kündigung rechtmäßig gewesen wäre. In jedem anderen Fall prüft sie aufwändig, ob der Arbeitgeber statt des Aufhebungsvertrags hätte kündigen dürfen.

Zur Sperrzeit bei Aufhebungsverträgen folgender Beispielsfall:

Arbeitnehmerin und Arbeitgeber schlossen einen Aufhebungsvertrag, der eine Abfindung von 47.000 € vorsah. Der Arbeitgeber wollte Umstrukturierungsmaßnahmen vornehmen und durch den Aufhebungsvertrag sollte die betriebsdingte Kündigung vermieden werden. Die Agentur für Arbeit sprach eine Sperrzeit von 12 Wochen aus.

Das Bundessozialgericht entschied in seinem Urteil (vom 02.05.2012, Az. B 11 AL 6/11 R), dass diese Sperrzeit nicht gerechtfertigt war. Durch den Aufhebungsvertrag sei die Arbeitnehmerin einer betriebsbedingten Kündigung zuvorgekommen. Bei der Kündigung hätte sie außerdem keine Abfindung erhalten. Somit liege ein wichtiger Grund vor, weshalb der Aufhebungsvertrag der Arbeitnehmerin nicht zum Nachteil gereichen dürfe.

Insgesamt ist die Situation des Aufhebungsvertrags mit vielen Unsicherheiten verbunden. Vor allem die Rechtmäßigkeit einer in Aussicht gestellten Kündigung ist für juristische Laien schwer zu beurteilen. Deshalb empfiehlt es sich, an dieser Stelle einen Fachanwalt für Arbeitsrecht zu Rate zu ziehen. Ohne Beratung besteht die Gefahr, sich einer Sperrzeit auszusetzen.

c. Der Arbeitnehmer kündigt

Eine Eigenkündigung des Arbeitnehmers ist ähnlich zu bewerten wie ein Aufhebungsvertrag. Grundsätzlich verhängt die Bundesagentur für Arbeit eine Sperrzeit. Anders ist es, wenn ein wichtiger Grund für die Kündigung vorliegt (s. o.).

4. Weniger Arbeitslosengeld wegen Abfindung? 

Wichtig ist außerdem, dass eine Abfindung auf das Arbeitslosengeld angerechnet werden kann, wenn durch den Aufhebungsvertrag nicht die geltenden Kündigungsfristen eingehalten werden.

Beispiel: Der Arbeitgeber möchte einem Mitarbeiter kündigen. Die Kündigungsfrist würde Ende Mai auslaufen. Er schließt stattdessen einen Aufhebungsvertrag mit dem Arbeitnehmer. Darin ist vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis schon Anfang Mai endet. Die Abfindung wird in diesem Fall auf das Arbeitslosengeld angerechnet.

Der Arbeitnehmer soll nicht Arbeitslosengeld und gleichzeitig eine Abfindung als Lohnersatz erhalten. Deshalb ist es für den Arbeitnehmer finanziell riskant, einen Aufhebungsvertrag zu schließen, der das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der Kündigungsfrist beendet. Die dadurch gewonnene Abfindung bedeutet keinen finanziellen Vorteil mehr, wenn im Gegenzug der Anspruch auf ALG I verringert wird.

Gerne bin ich Ihnen bei Ihren Fragen und Problemen im Arbeitsrecht behilflich.

Foto(s): Tobias Ziegler

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