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Wem gehört das Zahngold Verstorbener?

  • 5 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Acht Jahre lang hatte ein Krematoriumsmitarbeiter zusammen mit Kollegen das beim Einäschern von Leichen übrig gebliebene Zahngold heimlich eingesteckt und verkauft. Insgesamt 31 Kilogramm soll er allein mit seiner Frau verkauft haben. Als das aufflog, kündigte ihm seine Arbeitgeberin und verlangte über 273.000 Euro Schadensersatz. Zu Recht, urteilte nun das Bundesarbeitsgericht (BAG). Den Anspruch machte es jedoch nicht daran fest, wer Eigentümer des Zahngolds nach einer Verbrennung ist.

Gold sollte gespendet werden

Eine schriftliche Anweisung, die auch der Ex-Mitarbeiter unterzeichnet hatte, legte den Umgang mit Zahngold und anderen wertvollen Gegenständen wie etwa Schmuck, die beim Einäschern anfielen, genau fest. Entsprechende Funde in den Ascheresten mussten Mitarbeiter sicher verwahren und täglich herausgeben, um sie im Safe einzulagern.

Hierbei zweigten der Beklagte und andere Mitarbeiter jahrelang und systematisch Gold für sich ab. Mit dem Verkauf verdienten sie nebenbei mehrere Hunderttausend Euro. Das Gold ebenfalls verkaufen wollte auch der Krematoriumsbetreiber und den Erlös der Kinderkrebshilfe spenden. Mit weiteren Einnahmen aus dem Verkauf anderer Prothesen wollte er die Arbeitsplatzbedingungen der Mitarbeiter verbessern. Nachdem der Abnehmer des Goldes auf ungewöhnlich geringe Goldmengen im Vergleich zu anderen Krematorien hingewiesen hatte, kam der Betreiber dem Vorgehen mittels heimlicher Videoüberwachung und anschließenden Durchsuchungen auf die Schliche.

Mitarbeiter zur Herausgabe verpflichtet

Die Spendenabsicht schließt einen möglichen Schaden nicht aus. Es genügt, dass der Mitarbeiter den Spendenzweck verringert hat. Doch auf diesen Umstand und wer das Eigentum am Zahngold erlangt, stützte das BAG seine Entscheidung nicht. Seiner Entscheidung legte es stattdessen einen gesetzlichen Anspruch des Arbeitgebers zugrunde: die auch in Arbeitsverhältnissen anzuwendende Herausgabepflicht des § 667 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Dementsprechend muss ein Arbeitnehmer alles an seinen Arbeitgeber herausgeben, was er im inneren Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis erlangt hat. Diese Pflicht habe der beklagte Mitarbeiter verletzt. Weil er das Gold verkauft hatte und daher nicht mehr herausgeben konnte, hatte er sich schadensersatzpflichtig gemacht. Dazu muss das Krematorium nicht Eigentümer der Gegenstände sein oder werden. Die weitaus interessantere Frage nach dem Eigentum blieb so weitgehend offen.

Als Eigentümerin sah sich allerdings die klagende Arbeitgeberin, die Hamburger Friedhöfe, eine Anstalt öffentlichen Rechts. Sie bestimmte, dass Zahngold, Schmuckreste und Körperersatzstücke mit der Kremation in ihre Eigentum übergehen. Für den beklagten Mitarbeiter hatte das Zahngold hingegen keinen Eigentümer, war also herrenlos. Wer solche herrenlosen beweglichen Sache in Besitz nimmt, erwirbt das Eigentum an der Sache. Folglich sah sich auch der Mitarbeiter als Eigentümer. Aber selbst wenn das zuträfe, urteilte das BAG, müsste der Mitarbeiter in der Asche gefundene Gegenstände herausgeben, da die Inbesitznahme unmittelbar mit der Arbeit zusammenhing.

Können die Angehörigen oder Erben das Zahngold verlangen?

Geht es nach der herrschenden Meinung, haben die Angehörigen oder die Erben ein vorrangiges Aneignungsrecht. Entsprechende Körperteile gelten nach der Trennung als herrenlos. Zudem könnte der Erblasser solche Teile seines Körpers explizit vererben. Das mag für manche makaber erscheinen. Ob dabei bereits ein Tabu verletzt wird, ist vor allem eine Frage der persönlichen Moral und ob man solche künstlichen Teile eines menschlichen Körpers, die wieder von ihm getrennt werden, wie Sachen behandeln darf. Eine andere Ansicht stellt hier die Pietät voran. Sie verlangt die Beisetzung in der Urne, die jedenfalls bei Zahngold problemlos möglich wäre. Schließlich würden auch einem Leichnam bei einer Erdbestattung keine künstlichen Körperteile entnommen.

Rechtlich unumstritten ist, dass der Leichnam des Erblassers nicht zum Nachlass gehört. Dieser beinhaltet nur das Vermögen des Verstorbenen. Lediglich seine Sachen und Rechte gehen auf die Erben über. Am Leichnam haben Hinterbliebene hingegen lediglich Gewahrsam. Diesen Gewahrsam erlangt des Weiteren auch ein Bestatter, dem die Leiche übergeben wird. Auf Verlangen der Angehörigen muss er sie gegebenenfalls zurückgeben. Nach der Beisetzung haben wiederum der Friedhofsbetreiber und in der Regel die Hinterbliebenen als Mieter der Grabstelle den Gewahrsam.

Fragwürdiger Umgang mit wertvollen Körperteilen

In jedem Fall fragwürdig ist danach das Verhalten von Bestattungsunternehmen wie deren Mitarbeiter, die meinen, ohne weiteres Eigentümer solcher Körperteile zu sein bzw. zu werden. Da es sich hier beileibe um keine Ausnahme handelt, ist ein offenerer Umgang dringend erforderlich. Wiederkehrende Fälle zeigen, dass dieses Geschäft mit dem Tod gerne verschwiegen wird. Währenddessen steigt die Anzahl künstlicher Körperteile weiter an. Was Goldzähne betrifft, verwenden Zahnärzte statt Goldlegierungen zwar inzwischen meist andere Werkstoffe. Dieser Rückgang wird jedoch durch die Zahl wertvoller Implantate an anderen Stellen aufgewogen. So erfolgen allein in Deutschland 150.000 Operationen pro Jahr wegen künstlicher Hüftgelenke. Oft bestehen diese dabei aus Titanlegierungen.

Strafbar als Störung der Totenruhe

Einen gewissen Handlungsbedarf zeigt dabei auch der Blick auf das Strafrecht. In vergleichbaren Fällen wurden Mitarbeiter anderer Krematorien bereits mehrfach strafrechtlich verurteilt. Anders als vermutet allerdings nicht wegen Diebstahl. Dafür müsste der menschliche Körper rechtlich als Sache gelten. Die Geschichte und der Umgang mit Toten in anderen Kulturen zeigen jedoch, dass Tote im Allgemeinen würdevoll behandelt werden. Man wirft sie nicht wie eine Sache einfach weg oder schlachtet sie aus. Insoweit wirkt auch das Persönlichkeitsrecht über den Tod hinaus. In gewissen Grenzen davon abweichen kann nur der Verstorbene selbst. So etwa, wenn jemand seinen Leichnam der Forschung vermacht oder Organe spendet.

Ist das nicht der Fall, droht eine strafbare Störung der Totenruhe, im Volksmund auch Leichenfledderei genannt. Die liegt gem. § 168 Strafgesetzbuch (StGB) insbesondere vor, wenn jemand unbefugt aus dem Gewahrsam des Berechtigten den Körper oder Teile des Körpers eines verstorbenen Menschen bzw. dessen Asche wegnimmt. Aufgrund dieser Vorschrift ist auch das Vorgehen eines Krematoriumbetreibers, der diese Körperteile aussortiert und verkauft, höchst riskant

Implantate zählen als Teil des Körpers

Denn als Körperteile zählen auch fest mit ihm verbundene Implantate wie etwa Zahngold, künstliche Gelenke oder Herzschrittmacher. Dementsprechend stört die Totenruhe auch, wer die Teile aus dem Gewahrsam wegnimmt – Angehörige eingeschlossen. Ob das auch für die Wegnahme der durch das Verbrennen frei gewordenen künstlichen Körperteile gilt, ist wiederum strittig. Einige Gerichte behandeln Feuerbestattung und Erdbestattung hier gesetzlich gleich (OLG Bamberg, Urteil v. 29.01.2008, Az.: 2 Ss 125/07). Andere Gerichte orientieren sich streng am Wortlaut des Gesetzes, das von „der Asche eines verstorbenen Menschen“ spricht. Die Allgemeinheit verstehe Asche nur als pulverartige Substanz. Feste Teile darin wie etwa Zahngold zählten daher nicht zur Asche (OLG Nürnberg, Urteil v. 20.11.2009, Az.: 1 Ss 163/09).

Das Strafmaß für die Störung der Totenruhe beträgt dabei bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Ein entsprechender Strafprozess läuft auch gegen den auf Schadensersatz verklagten Krematoriumsmitarbeiter. Zusätzlich ist er wegen der Anweisungen seines öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers wegen Verwahrungsbruchs angeklagt. Eine erste Verurteilung auf Bewährung ist noch nicht rechtskräftig. Im Übrigen muss das Landesarbeitsgericht Hamburg auch im jetzigen Schadensersatzprozess noch klären, wie viel Gold der Mann genau den Ascheresten der Verstorbenen entnommen hat. Dazu und zur Klärung der Klageberechtigung aufgrund eines zwischenzeitlichen Betreiberwechsels hat das BAG den Streit an die Vorinstanz zurück verwiesen.

(BAG, Urteil v. 21.08.2014, Az.: 8 AZR 655/13)

(GUE)

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