Wenn die Hand ausrutscht: Ohrfeige unter Arbeitnehmern als Kündigungsgrund?

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Wutausbrüche, Beschimpfungen und Tätlichkeiten am Arbeitsplatz: Streit unter Kollegen kommt immer wieder vor. Dauert so ein Streit zwischen Arbeitnehmern allerdings an und ist dadurch der Betriebsfrieden gestört, können und müssen Arbeitgeber eingreifen. Besonders, wenn es neben Wutausbrüchen zu Handgreiflichkeiten kommt und ein Arbeitnehmer seinem Kollegen eine Ohrfeige verpasst. Eine Kündigung ist dann immer gerechtfertigt – oder nicht?  

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz entschied, dass eine Ohrfeige unter Kollegen nicht ohne weiteres als Grund für eine fristlose Kündigung ausreichend ist (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 01.06.2016, Az.: 7 Sa 424/15).

Wutausbrüche und Tätlichkeiten: Grund für eine fristlose Kündigung?

Heftige Streitereien und Übergriffe unter Arbeitnehmern rechtfertigen eine fristlose Kündigung nur, wenn die Voraussetzungen des § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorliegen. Danach muss es einen „wichtigen Grund“ zur Kündigung geben, der es dem Arbeitgeber unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung weiterzuführen.  

Dann bedarf es bei Tätlichkeiten unter Arbeitskollegen vor Ausspruch der fristlosen Kündigung regelmäßig auch keiner Abmahnung. Denn der Arbeitnehmer weiß von vornherein, dass der Arbeitgeber so ein Fehlverhalten missbilligt. Das gilt zumindest uneingeschränkt bei schweren Tätlichkeiten. Hier kann schon ein einmaliger Vorfall ein wichtiger Grund für eine Kündigung sein.  

Es gibt aber auch Ausnahmefälle, bei denen eine Abmahnung erforderlich wäre.

Der Fall vor dem LAG: dem Kollegen eine „geschmiert“ 

Im konkreten Fall vor dem LAG ging es um die fristlose Kündigung eines Postangestellten. Der Arbeitgeber kündigte seinem Arbeitnehmer, weil dieser einem Kollegen im Streit ohne Vorwarnung eine Ohrfeige verpasste.

Nachdem der Arbeitgeber davon erfahren hatte, sprach er sofort die fristlose Kündigung aus. Der Arbeitnehmer störe durch ständige Wutausbrüche und Streitigkeiten den Betriebsfrieden. Eine Zusammenarbeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist sei nicht zumutbar. Eine fristlose Kündigung sei nun das einzige geeignete Mittel, den Betriebsfrieden wiederherzustellen.

Die dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers vor dem Arbeitsgericht Mainz war erfolgreich. Der Arbeitgeber legte Berufung vor dem LAG ein. Das LAG Rheinland-Pfalz hatte nun in einem Berufungsverfahren darüber zu entscheiden, ob die fristlose Kündigung das Arbeitsverhältnis tatsächlich beendet hatte.

Schallende Ohrfeige: kein wichtiger Grund für fristlose Kündigung 

Das LAG schloss sich der erstinstanzlichen Entscheidung an. Die fristlose Kündigung wegen der Ohrfeige sein unwirksam. Der Arbeitgeber hätte den Arbeitnehmer zuvor abmahnen müssen.

Zwar sei eine Ohrfeige unter Kollegen natürlich ein zu missbilligendes Fehlverhalten, das als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB genügen kann. Das gelte aber nur, wenn es kein anderes milderes Mittel gibt, um dem Arbeitnehmer sein Fehlverhalten vor Augen zu führen und damit den Betriebsfrieden zu wahren.

Vor einer Kündigung haben Arbeitgeber zu prüfen, ob nicht ggf. eine Abmahnung ausreicht, um das Fehlverhalten des Arbeitnehmers zu ahnden. Ist eine Abmahnung im konkreten Einzelfall ebenso geeignet, eine störungsfreie Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sicherzustellen und den Betriebsfrieden wiederherzustellen, ist eine Abmahnung immer einer (fristlosen) Kündigung vorzuziehen.

Das war hier nach Ansicht des LAG der Fall: Die Ohrfeige des Arbeitnehmers war weder gefährlich, noch sei der andere Kollege dadurch schwer verletzt worden. Außerdem handelte es sich bei der Ohrfeige um eine Affekthandlung. Nach alledem hätte eine Abmahnung gegenüber dem Arbeitnehmer als Warnung ausgereicht.

Relevanz des Urteils im Alltag? 

Eine Ohrfeige unter Kollegen ist und bleibt ein unzulässiges Fehlverhalten. Das LAG hat in dieser Entscheidung aber gezeigt, dass im Einzelfall sogar ein objektiv sehr schwerwiegend einzuschätzendes Fehlverhalten nicht immer für eine fristlose Kündigung reicht.

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