Wer zahlt, wenn bei der Arbeit was kaputtgeht? – Die Arbeitnehmerhaftung

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„Wo gehobelt wird, fallen Späne!“ Im Arbeitsalltag kommt es durchaus mal vor, dass den Beschäftigten Fehler unterlaufen. Im schlimmsten Fall können dem Arbeitgeber hierdurch beachtliche Schäden entstehen. In einer solchen Situation sind die Interessen klar verteilt: Der Arbeitgeber möchte seinen Schaden ersetzt haben, während der Arbeitnehmer darum bangt, in eine existenzgefährdende Situation zu geraten! Nicht selten steht der erzielte Lohn in einem krassen Missverhältnis zum eingetretenen Schaden. Die gesetzlichen Bestimmungen reagieren auf diese Fallgestaltung nur unzureichend. Daher hat die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte im Laufe der Zeit eine Reihe von Grundsätzen zur Haftung des Arbeitnehmers entwickelt.

Dieser Rechtstipp soll Klarheit über die Haftungssituationen im Arbeitsleben verschaffen und die Grundsätze des sogenannten innerbetrieblichen Schadensausgleichs genauer beleuchten.

1. Die Pflicht zur Zahlung von Schadenersatz

Der Arbeitnehmer muss bei der Verrichtung seiner Arbeit eine Bandbreite an Pflichten erfüllen. Grundlage hierfür ist der Arbeitsvertrag. Die arbeitsvertraglichen Regelungen enthalten meist konkrete Angaben über die sogenannten Hauptleistungspflichten des Arbeitnehmers. Diese betreffen den Kern der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung und beziehen sich auf die tatsächlich auszuübende Tätigkeit.

Neben diesen Hauptleistungspflichten spielen aber auch die sogenannten Nebenpflichten eine tragende Rolle. Denn der Arbeitnehmer ist aufgefordert, mit den Arbeitsmaterialien (z. B. Laptop, Werkzeug, Maschinen, Fahrzeuge etc.) sorgfältig umzugehen. Der Beschäftigte muss also die Interessen des Arbeitgebers achten.

Verletzt der Arbeitnehmer nun schuldhaft eine dieser Haupt- oder Nebenpflichten des Arbeitsvertrages und verursacht er hierdurch einen Schaden, so haftet er hierfür. Das gilt auch gegenüber dem eigenen Arbeitgeber. Schuldhaft ist eine Pflichtverletzung dann, wenn dem Beschäftigten entweder Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorgeworfen werden kann. Eine Besonderheit im Arbeitsrecht liegt hier noch darin, dass der Arbeitgeber die Pflichtverletzung und den Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers zu beweisen hat, vgl. § 619a BGB.

2. Die Gefahren der allgemeinen zivilrechtlichen Haftung

Der Grund, warum sich die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte schon seit geraumer Zeit mit der Haftung des Arbeitnehmers auseinandersetzt, liegt in den allgemeinen Haftungsmaßstäben des Zivilrechts. Das bürgerliche Recht geht allgemein von dem sogenannten „Alles oder Nichts“-Prinzip aus. Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, muss der Schaden grundsätzlich vollumfänglich ersetzt werden.

Dieser Ansatz wird den Besonderheiten des Arbeitsrechts jedoch nicht gerecht, da das Verhältnis zwischen dem eingetretenen Schaden und dem erzielten Lohn nicht aus dem Blick geraten darf. Schließlich kann der Beschäftigte hierdurch in eine existenzgefährdende Lage geraten. Diese und weitere Aspekte haben die Arbeitsgerichte dazu gedrängt, die Haftung im Schadensfall zugunsten des Arbeitnehmers einzuschränken.

3. Wann ist die Haftung des Arbeitnehmers begrenzt?

Um die Eigenheiten des Arbeitslebens auch in rechtlicher Hinsicht zu berücksichtigen, ist die Haftung des Arbeitnehmers folgendermaßen begrenzt:

  • Leichteste Fahrlässigkeit 

Bei leichtester Fahrlässigkeit, wenn der Mitarbeiter den Schaden also „aus Versehen“ verursacht hat, soll er von der Haftung befreit sein. Der Arbeitgeber muss hierfür also prinzipiell selbst aufkommen.

  • Mittlere Fahrlässigkeit
  • In Fällen sogenannter „mittlerer“ Fahrlässigkeit soll der Schaden aufgeteilt werden. Gemeint sind hier Situationen, in denen der Arbeitnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt schlicht außer Acht gelassen hat. Die konkrete Schadensaufteilung erfolgt dann anhand einer Gesamtabwägung. Dabei ist zu berücksichtigen, wie gefährlich die betrieblich veranlasste Tätigkeit war, wie hoch der Schaden ausgefallen ist, welche Stellung der Arbeitnehmer hat und welches Gehalt er bezieht. Je nach Einzelfall können noch weitere Indizien berücksichtigt werden. Im Ergebnis muss es also nicht zwangsläufig zu einer hälftigen Aufteilung des Schadens kommen.
  • Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit 
  • Bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit sieht die Situation jedoch anders aus. Hier ist in der Regel von einer vollen Haftung auszugehen. In seltenen Ausnahmefällen kann auch bei grober Fahrlässigkeit eine Haftungserleichterung angenommen werden.

Dieses Schema, das auf der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte beruht, kann jedoch nicht starr auf jeden Einzelfall übertragen werden. Es dient lediglich als ersten Anhaltspunkt. So kann sich die Haftung des Arbeitnehmers auch dann reduzieren, wenn den Arbeitgeber ein Mitverschulden trifft. Anhaltspunkte hierfür können etwa in einer fehlenden Unterweisung, mangelhaften Arbeitsmaterialen oder der Missachtung von Arbeitsschutzpflichten erblickt werden.

Voraussetzung für eine Haftungsbegrenzung ist stets, dass die Tätigkeit betrieblich veranlasst war. Wenn der Beschäftigte also seinen Dienstwagen in seiner Freizeit benutzt und dabei einen Unfall verursacht, muss er den Schaden in voller Höhe ersetzen. Hier fehlt es nämlich an dem betrieblichen Zusammenhang. Allerdings kann das Risiko hier durch den Abschluss einer entsprechenden Versicherung eingedämmt werden.

4. Fazit

Fehler sind im Arbeitsleben keine Seltenheit. Schäden lassen sich häufig nicht vermeiden. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Arbeitnehmer ständig der Angst einer Haftung ausgesetzt ist. Die Rechtsprechung hat auf die unzureichende Gesetzeslage reagiert und feingliedrige Grundsätze zur Arbeitnehmerhaftung entwickelt. Gemeinsam mit einem Rechtsbeistand lassen sich Streitigkeit in diesem Zusammenhang häufig einer Lösung zuführen, die den Interessen des Beschäftigten entspricht. Nehmen Sie daher jederzeit gerne Kontakt zu uns auf und wir besprechen gemeinsam, welche Möglichkeiten Ihnen zur Verfügung stehen, wenn auf der Arbeit etwas zu Bruch gegangen ist.


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