Wie können Erben auf Nachlasskonten ohne Erbschein zugreifen?

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Im Todesfall geht das gesamte Vermögen des Verstorbenen auf den oder die Erben über. Regelmäßig zählen zum Vermögen des Verstorbenen Bankkonten, oft auch Wertpapierdepots und Sparverträge. Obwohl nach den gesetzlichen Regelungen das Vermögen mit dem Tod des Erblassers automatisch auf den Erben übergeht, dauert es mitunter sehr lange, bis der oder die Erben auf die Konten wirklich zugreifen können. Besonders lange dauert es dann, wenn die Bank einen Erbschein verlangt. Für Erben ist das nicht nur ärgerlich und nervenzehrend. In vielen Fällen ist ein schneller Zugriff auf die Konten auch erforderlich, um gravierende wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden, etwa dann, wenn weiterhin Abbuchungen erfolgen. Manchmal ist der zeitnahe Zugriff auf die Konten für den Erben auch existenziell, zum Beispiel bei Ehepartnern, wenn der Verstorbene Alleinverdiener war und das Geld alleine verwaltet hat.


1. Bankvollmacht

Am einfachsten ist der Zugang zu den Konten, wenn der Erblasser dem Erben noch zu seinen Lebzeiten eine Bankvollmacht erteilt hat, die über den Tod hinausreicht. Die Kreditinstitute sprechen ihre Kunden darauf auch regelmäßig an und halten dafür entsprechende Formulare vor. So kann ein Kontoinhaber generell eine andere Person bevollmächtigen, über das eigene Konto zu verfügen. Die Formulare enthalten üblicherweise einen Passus, wonach die Vollmacht nicht mit dem Tod erlischt. Der so Bevollmächtigte kann dann auch nach dem Tod des Kontoinhabers über das Guthaben verfügen und Einsicht in die Konten nehmen, selbst wenn er nicht Erbe ist. Aber Achtung, die Erben können die Kontovollmacht nach dem Tod des Kontoinhabers widerrufen.

Allerdings sollten sich Kontoinhaber genau überlegen, wem sie eine solche Vollmacht erteilen, da der Bevollmächtigte bereits zu Lebzeiten über das Konto verfügen kann. Es sollte also jemand sein, dem der Kontoinhaber vertraut.


2. Generalvollmacht

Im Rahmen der Vorsorge, insbesondere für den Fall der Pflegebedürftigkeit und zur Vermeidung einer Betreuung, ist es inzwischen auch üblich, der Ehefrau oder den Kindern eine Generalvollmacht zu erteilen. Wenn deren Geltung über den Tod hinausreicht und sie notariell beglaubigt wurde, ermöglicht sie dem Bevollmächtigen ebenfalls die Verfügung über Bankkonten. Bei privatschriftlichen Vollmachten ist das meist nicht der Fall, da Banken dann nicht sicher sein können, dass der verstorbene Kontoinhaber die Vollmacht auch wirklich erteilt hat. Dann wird von den Banken doch ein Erbschein oder ein anderer Nachweis der der Erbfolge verlangt. Aber auch für die Erteilung einer Generalvollmacht gilt, sie sollte nur demjenigen erteilt werden, dem man sicher vertraut.


3. Eröffnetes Testament

Eine weitere Möglichkeit, die Erbenstellung gegenüber der Bank nachzuweisen, ist die Vorlage einer beglaubigen Abschrift eines vom Nachlassgericht eröffneten Testaments mit entsprechendem Eröffnungsprotokoll. Wenn sich aus der testamentarischen Regelung die Erbenstellung eindeutig ergibt und sonst keine Umstände bekannt sind, wonach der im Testament Bedachte nicht Erbe sein kann, genügt das eröffnete Testament zum Nachweis der Erbenstellung. Das hat der BGH bereits vor einigen Jahren so entschieden. Inzwischen haben die Banken dazu auch eine Regelung in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ein Erbschein ist dann nicht mehr erforderlich. Eine Bank kann also nicht pauschal und immer einen Erbschein fordern. Bestehen allerdings Zweifel, ist das Testament nicht eindeutig formuliert oder ist die Erbenstellung an Bedingungen geknüpft, deren Eintritt nicht ohne Weiteres belegt werden kann, wird die Bank Verfügungen über das Nachlasskonto von der Vorlage eines Erbscheins abhängig machen.


4. Gesetzliche Erbfolge

Hat der Erblasser kein Testament gemacht, greift die gesetzliche Erbfolge. Wenn dann die gesetzlichen Erben keine Kontovollmacht haben, müssen die Erben zunächst einen Erbschein beantragen und können über die Nachlasskonten erst nach dessen Vorlage bei den Banken verfügen. Zum Teil erhalten die Erben auch erst dann entsprechende Auskünfte zu den Konten.


5. Weitere Voraussetzungen

Zu beachten ist auch, dass, unabhängig davon, ob nun ein Erbschein benötigt wird oder die Erbfolge anderweitig nachgewiesen werden kann, die Banken prüfen und dokumentieren müssen, für wen die Konten geführt werden. Das bedeutet auch, dass sich die Erben gegenüber den Banken legitimieren müssen. Dazu muss der Erbe regelmäßig persönlich bei der Bank vorsprechen unter Vorlage eines Ausweisdokumentes. Das kann die Nachlassabwicklung in Fällen, in denen der Erbe nicht vor Ort lebt, ebenfalls erschweren und verzögern.


Fazit

Wer weiß, dass er Erbe ist, muss einiges regeln. Dazu zählt auch ein möglichst schneller Zugriff auf die Konten des Erblassers. Zum einen gilt es zeitnah die Vermögenssituation des Erblassers festzustellen und einen Überblick über noch laufende Verträge und Abbuchungen zu erhalten. Auch wenn unklar ist, ob der Nachlass überschuldet ist und der Erbe die Erbschaft noch ausschlagen will, ist Eile geboten (siehe auch "Schulden als Erbschaft - Was tun?"). Mit anwaltlicher Unterstützung lässt sich der Zugriff auf die Konten regelmäßig beschleunigen. Zudem kann der Anwalt auch einschätzen, ob ein Erbschein erforderlich ist oder nicht und gegebenenfalls Maßnahmen einleiten, um sicherzustellen, dass bis zur Erteilung eines Erbscheins Dritte nicht über das Kontoguthaben verfügen.


Rechtsanwältin Jana Narloch berät sie in Fragen der Nachlassabwicklung und vertritt Sie gegenüber Banken, Sparkassen und Versicherungen.


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