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Zurückstellung von der Schule in Baden-Württemberg gem. § 74 SchG BW

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Wie kann ich mein Kind in Baden-Württemberg von der Schule zurückstellen?

Die Zurückstellung von der Schule ist in immer mehr Familien ein großes Thema. Wenn man fragt, heißt es meist, dass man dem Kind noch ein weiteres Jahr Zeit geben möchte, bis es in die Schule kommt. In der Regel geht es demnach weniger um gesundheitliche oder intellektuelle Gründe, sondern um die sogenannten sozial-emotionalen Gründe. Das Kind ist noch nicht so weit, um einen Schulbesuch erfolgreich zu bewältigen.

Zu beachten ist, dass Behauptungen, es gäbe in Baden-Württemberg ein Elternrecht auf Zurückstellung, unzutreffend sind. Auch von alleine (seitens des Schulleiters) passiert regelmäßig nicht viel, d. h., meist muss man die Zurückstellung von der Schule in Baden-Württemberg selbst beantragen und es ist alles andere als ein Selbstläufer…

Wie man eine Zurückstellung von der Schule in Baden-Württemberg dennoch erreicht, zeigen nachfolgende Ausführungen:

Zurückstellung von der Schule und Einschulungsstichtag – § 73 SchG BW

Einen Antrag auf Zurückstellung von der Schule müssen in Baden-Württemberg alle Kinder stellen, die vor dem Einschulungsstichtag das sechste Lebensjahr vollendet haben und damit grundsätzlich schulpflichtig werden.

Der Einschulungsstichtag ist in § 73 Absatz 1 Schulgesetz Baden-Württemberg geregelt:

„Mit dem Beginn des Schuljahres sind alle Kinder, die bis 30. September des laufenden Kalenderjahres das sechste Lebensjahr vollendet haben, verpflichtet, die Grundschule zu besuchen. Dasselbe gilt für Kinder, die bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres das sechste Lebensjahr vollendet haben und von den Erziehungsberechtigten in der Grundschule angemeldet wurden.“

Aktuell gilt in Baden-Württemberg also die Regelung, dass alle Kinder, die vor dem 30.09. das sechste Lebensjahr vollenden, eingeschult werden und demnach einen Antrag auf Zurückstellung von der Schule stellen müssen. Diese Regelung soll allerdings auf den 30.06. (vermutlich stufenweise) abgeändert werden, d. h. künftig werden in Baden-Württemberg nur Kinder eingeschult, die vor dem 30.06. das sechste Lebensjahr vollenden.

Gründe für die Zurückstellung von der Schule – § 74 SchG BW

Von den 3 historischen Zurückstellungsgründen (gesundheitliche Gründe, intellektuelle Gründe & sozial-emotionale Gründe) sind in Baden-Württemberg nur 2 Gründe geregelt, wobei ausgerechnet die praktisch relevanten sozial-emotionalen Gründe fehlen!

In § 74 Abs. 2 Schulgesetz Baden-Württemberg heißt es:

„Kinder, von denen bei Beginn der Schulpflicht auf Grund ihres geistigen oder körperlichen Entwicklungsstandes nicht erwartet werden kann, dass sie mit Erfolg am Unterricht teilnehmen, können um ein Jahr vom Schulbesuch zurückgestellt werden; mit Zustimmung der Erziehungsberechtigten können auch Kinder zurückgestellt werden, bei denen sich dies während des ersten Schulhalbjahres zeigt. Die Entscheidung trifft die Schule unter Beiziehung eines Gutachtens des Gesundheitsamtes. Die Zeit der Zurückstellung wird auf die Dauer der Pflicht zum Besuch der Grundschule nicht angerechnet.“

Demnach kommen in Baden-Württemberg grundsätzlich nur die Zurückstellung aus gesundheitlichen Gründen und aus intellektuellen Gründen in Betracht:

  • Eine Zurückstellung aus gesundheitlichen Gründen ist möglich, wenn Kinder wegen schwerer Krankheiten entwicklungsverzögert sind oder diese Krankheiten eine aktuelle Einschulung verhindern.
  • Eine Zurückstellung aus intellektuellen Gründen kommt in Betracht, wenn Kinder noch nicht in der Lage sind, den Schulstoff zu bewältigen.

Ein erhebliches Problem besteht demnach bei der Zurückstellung von der Schule in Baden-Württemberg darin, dass ausgerechnet die praktisch relevante Zurückstellung aus sozial-emotionalen Gründen nicht geregelt ist, d. h. Kinder, die noch unkonzentriert, ängstlich oder verspielt sind, eigentlich keinen Zurückstellungsgrund in Baden-Württemberg haben.

Um eine Zurückstellung von der Schule in Baden-Württemberg zu erreichen, muss man demnach durchaus kreativ vorgehen, da eine Zurückstellung aus gesundheitlichen oder intellektuellen Gründen meist nicht in Betracht kommt und die sozial-emotionalen Gründe nicht geregelt sind. Als erfahrener Anwalt für Schulrecht kann ich Ihnen hierzu in Ihrem konkreten Fall mögliche Wege aufzeigen.

Zurückstellung von der Schule und Sonderpädagogischer Förderbedarf

Ein neuer Trend ist zu verzeichnen, dass Schulen Kinder zwar nicht von der Schule zurückstellen möchten, diese aber mit sonderpädagogischem Förderbedarf einschulen wollen!

Hierbei bedienen sich Schulen gerne der vorgebrachten Zurückstellungsgründe, die sie zwar nicht für eine Zurückstellung von der Schule anerkennen wollen, dafür diese aber für sonderpädagogischen Förderbedarf missbrauchen wollen!

Folglich muss man bei der Geltendmachung von Zurückstellungsgründen aufpassen, dass man nicht übertreibt!

Der Hintergrund, dass immer mehr Schulen auf diese Idee kommen, besteht darin, dass sie auf diese Weise auf Kosten einzelner sich Ressourcen für alle verschaffen wollen…

Für das betroffene Kind stellt sonderpädagogischer Förderbedarf (das vormalige Behindertenrecht) eine erhebliche Stigmatisierung dar, der dauerhaft festgestellt wird, d. h. man bekommt dies kaum noch los… Siehe ausführlich zum Thema meine Website: www.sonderpädagogischer-förderbedarf-inklusion.de.

Der Antrag auf Zurückstellung von der Schule ist demnach ein gewisser Eiertanz, dass man genug vorbringt, um eine Zurückstellung zu erreichen, aber nicht zu viel, sodass man im sonderpädagogischen Förderbedarf statt der Zurückstellung landet… Hierzu bedarf es erheblicher Erfahrung, wobei ich Ihnen aus meiner langjährigen Tätigkeit gerne weiterhelfen kann.

Der Antrag auf Zurückstellung von der Schule – § 74 SchG BW

In Baden-Württemberg muss man regelmäßig selbst einen Antrag auf Zurückstellung von der Schule stellen: Zwar prüft der Schulleiter von sich aus, ob Schulreife vorliegt, aber Zurückstellungen von der Schule werden nur ganz selten durch ihn ausgesprochen.

Die Grundlagen hierfür sind in § 74 Abs. 3 Schulgesetz Baden-Württemberg geregelt:

„Kinder, die vorzeitig eingeschult oder vom Schulbesuch zurückgestellt werden sollen, sind verpflichtet, sich auf Verlangen der Schule bzw. der Schulaufsichtsbehörde an einer pädagogisch-psychologischen Prüfung (Schuleignungsprüfung und Intelligenztest) zu beteiligen und vom Gesundheitsamt untersuchen zu lassen.“

In der Praxis orientiert sich der Schulleiter an der Einschulungsuntersuchung (Schuleingangsuntersuchung) und an seinen eigenen Feststellungen. Hierbei sind in Baden-Württemberg vor allem die Kooperationslehrer relevant, die in Kindergärten vorschulische Grundlagen beibringen und ein persönlicher Eindruck des Schulleiters.

Eltern haben ihrerseits die Möglichkeit, durch eigene Gutachten und Stellungnahmen des Kindergartens, Ärzten, Psychotherapeuten, Ergotherapeuten etc. Einfluss auf die Entscheidung des Schulleiters zu nehmen.

Zurückstellung von der Schule und Grundschulförderklasse

Im Falle einer Zurückstellung von der Schule ist ein Besuch in der Grundschulförderklasse Baden-Württemberg nicht erforderlich. Siehe hierzu näher unter dem Link: Grundschulförderklasse Baden-Württemberg – ist die Teilnahme verpflichtend?

Widerspruch gegen die Ablehnung der Zurückstellung von der Schule

Bereits aufgrund der fehlenden Regelung sozial-emotionaler Gründe ist eine Zurückstellung von der Schule in Baden-Württemberg durch Eltern sehr schwer zu erreichen.

Die Ablehnung der Zurückstellung von der Schule ist ein Verwaltungsakt, sodass man hiergegen Widerspruch einlegen kann, wobei auch hier nach wie vor maßgebend der Schulleiter entscheidet, sich also sehr selten etwas von alleine ändert. Schulämter sind zwar formal für den Widerspruch zuständig, verweisen aber regelmäßig auf den erfahrenen Schulleiter und machen sich keinen persönlichen Eindruck von dem Kind!

Folglich sollte man immer bereits in einem möglichst frühen Stadium über anwaltliche Unterstützung nachdenken, denn typischerweise redet man sich ansonsten schnell in sein Unglück und dann wird es auch für mich schwer…

Ich berate deshalb bei Zurückstellungswünschen von Eltern sehr viel vor Antragstellungen und greife notfalls auch bundesweit ein.

Näheres finden Sie auf meiner Website: www.zurueckstellung-schule.de.

Rechtsanwalt Andreas Zoller

Anwaltskanzlei Zoller – Anwalt für Schulrecht


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