Ärztliche Behandlung als Körperverletzung

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In wenigen Dingen gehen die Meinungen von Medizinern und Juristen soweit auseinander wie bei der Bewertung ärztlicher Behandlungen. Während Ärzte darauf verweisen, dass sie die Gesundheit der Menschen erhalten und wiederherstellen und ggf. sogar Leben retten, erheben Juristen hier grundsätzlich den Vorwurf der Körperverletzung. Auch im allgemeinen Sprachgebrauch ist es zunächst kaum einleuchtend, dass eine Heilung eine Verletzung darstellen soll.

Jede Veränderung des Körpers ist eine Verletzung

Um dies zu verstehen, muss man ziemlich tief in strafrechtliche Dogmatiken eindringen. Zunächst einmal muss einem klar sein, dass der Körper als solcher strafrechtlich geschützt ist. Jeder hat das Recht darauf, dass sein Körper in der Form geachtet wird, in der er besteht, mit allen Mängeln, Krankheiten und ggf. auch Defekten.

Darum ist der Eingriff in den Körper eine Verletzung dieses Körpers. Dabei nimmt die Juristerei keine "Saldierung" vor. Es ist zunächst nicht von Bedeutung, ob der Patient danach gesünder oder kränker ist. Der bloße Eingriff ist schon eine Veränderung am Körper und damit eine Verletzung. Unter Medizinern wird dies häufig mit der Formel karikiert, der Jurist würde den Chirurg mit einem Messerstecher gleichsetzen.

Körperverletzung mit Einwilligung ist rechtmäßig

Diesen Vorwurf wollen die Juristen wiederum nicht einsehen. Denn dass ein strafrechtlicher Tatbestand, hier derjenige der Körperverletzung, erfüllt ist, ist per se noch nichts Schlimmes. Entscheidend ist vielmehr, ob dies auch rechtswidrig geschehen ist.

Während die Rechtswidrigkeit einer "normalen" Körperverletzung auf der Hand liegt, ist das im medizinischen Bereich anders. Denn hier stimmt der Patient ja gerade zu, dass der Arzt seinen Körper verletzt, weil er eine bestimmte Behandlung will. Der Arzt, der den vom Patienten gewollten Eingriff vornimmt, handelt also nicht rechtswidrig, sondern gerade im Sinne der Rechtsordnung.

Dass der medizinische Eingriff eine Körperverletzung ist, kriminalisiert also nicht den Arzt, sondern sichert die Selbstbestimmung des Patienten.

Einwilligung ist nicht gleich Einwilligung

Damit die Einwilligung aber überhaupt relevant ist, muss sie gewisse Voraussetzungen erfüllen.

Zum einen muss dem Patienten klar sein, worauf er sich überhaupt einlässt. Das muss ihm, da er in aller Regel selbst kein Mediziner ist, detailliert und verständlich erklärt werden. Zur Dokumentation dessen gibt es, auch bereits bei kleineren Eingriffen wie Impfungen, umfangreiche Aufklärungsbögen, die die Durchführung der Behandlung, Chancen und Risiken darlegen.

Zum anderen erfolgt die Einwilligung aber nur in eine kunstgerechte, also medizinisch korrekte Behandlung. Ein Arzt kann also nicht ohne Weiteres seine eigenen Methoden erfinden, die in der Fachwelt nicht anerkannt sind. Ebenso spricht die Einwilligung den Arzt nicht pauschal von allen Fehlern bei der Durchführung des Eingriffs frei.

Verstoß: Zivilrechtliche, strafrechtliche und berufsrechtliche Konsequenzen

In der Praxis gibt es häufig Streit darüber, ob der konkrete Eingriff und seine Durchführung von der erteilten Einwilligung gedeckt waren. Dies kann bei zivilrechtlichen Arzthaftungsklagen von Bedeutung sein, wenn der Patient Schadenersatz oder Schmerzensgeld einfordert, weil der Eingriff gegen seinen Willen durchgeführt wurde. Nicht selten kommt es parallel aber auch zu einem Strafverfahren, weil dem Arzt eine (strafbare) Körperverletzung vorgeworfen wird.

Es drohen dann erhebliche finanzielle Konsequenzen bis hin zu Freiheitsstrafen, nicht zwangsläufig auf Bewährung. Nicht zu unterschätzen ist aber auch die berufsrechtliche Komponente. Eine Verurteilung wegen medizinischen Fehlverhaltens kann dazu führen, dass der Arzt als unzuverlässig oder unwürdig angesehen wird, sodass ihm die Approbation entzogen werden kann (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 und § 5 Abs. 2 Satz 1 der Bundesärzteordnung).

Genaue Prüfung durch spezialisierten Anwalt erforderlich

Da die Trennlinie zwischen einer legalen, von der Einwilligung umfassten Heilbehandlung und einer strafbaren, rechtswidrigen Körperverletzung sehr dünn ist, ist eine genaue fachkundige Prüfung der Sach- und Rechtslage notwendig. Zu den näheren Voraussetzungen einer Einwilligung wird noch ein separater Artikel folgen.

In der Bewertung müssen dabei stets auch die Grundrechte der Beteiligten beachtet werden: Auf Seiten des Patienten geht es um die körperliche Unversehrtheit  und um das Selbstbestimmungsrecht als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Berufsfreiheit des Arztes darf zwar unstrittig eingeschränkt werden, indem der Staat ihm Aufklärungspflichten auferlegt. Trotzdem muss aber soweit Rechtssicherheit bestehen, dass der Arzt seinen Beruf noch in zumutbarer Weise ausüben kann.

Rechtsanwalt David-Joshua Grziwa ist Dozent im Medizin- und Pflegebereich und kennt dieses sehr spezielle Rechtsgebiet aus Theorie und Praxis. Er vertritt und verteidigt insbesondere Ärzte, die eines Verstoßes gegen berufsrechtliche Regelungen beschuldigt werden.



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