Benachteiligung im Sozialplan wegen Schwerbehinderung etc.: nicht ohne rechtfertigenden Grund

  • 3 Minuten Lesezeit

Ein Sozialplan dient dazu, soziale Härten für Arbeitnehmer*innen im Falle betriebsbedingter Kündigungen etwas abzufedern, z.B. durch die Vereinbarung von Abfindungen, wenn es zu einer Betriebsstilllegung kommt etc. (sog. Sozialplanabfindung). Grundsätzlich sollen diese Regelungen alle Betroffenen möglichst gleich behandeln – Ungleichbehandlungen, die zur Benachteiligung Einzelner oder ganzer Gruppen führen, sind dabei grundsätzlich nicht möglich.

Um einen solchen Fall ging es auch vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG), in dem sich ein Arbeitnehmer „ungleich“ behandelt fühlte – und zwar wegen seines Alters und wegen seiner Schwerbehinderung (BAG, Urteil v. 16.07.2019, Az.: 1 AZR 842/16).

Gleichbehandlungsgrundsatz nach Betriebsverfassungsgesetz  

Gleichbehandlung von Mitarbeitenden ist im Arbeitsrecht ein wichtiger Grundsatz, der in § 75 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sogar gesetzlich geregelt ist. Nach dieser Vorschrift sind alle Mitarbeitenden im Unternehmen gleichermaßen nach Recht und Billigkeit zu behandeln. Eine Diskriminierung bzw. Ungleichbehandlung z.B. wegen Religion, Geschlecht oder körperlicher Beeinträchtigung ist unzulässig – die Definition der Benachteiligung findet sich im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).

Um eine ungesetzmäßige Benachteiligung handelt es sich danach, wenn es keinen legitimen Grund für eine Ungleichbehandlung gibt – dann liegt kein „rechtfertigender Sachgrund“ vor. Maßnahmen, die auf einer solchen Ungleichbehandlung basieren, sind ggf. unwirksam, was dann unterschiedliche Ansprüche zur Folge haben kann.  

Worum ging es im BAG-Fall?

Vor dem BAG hatte ein Arbeitnehmer (56, schwerbehindert) geklagt. Er fühlte sich von einer Regelung in einem Sozialplan ungerechtfertigt benachteiligt: die Berechnungsgrundlage für eine Abfindung wegen Betriebsschließung würde ihn ungerechtfertigt benachteiligen.

Im streitgegenständlichen Sozialplan fand sich eine Regelung für ältere Arbeitnehmer: ihnen sollten ein individuelles Angebot für den Abschied aus dem Unternehmen unterbreitet werden. Die Grundlage für die Berechnung der Abfindung basierte darauf, dass eine 80%-ige Nettoabsicherung bis zum frühestmöglichen Renteneintritt besteht – unter Anrechnung von ALG und Bezügen aus der Altersversorgung ab 60 Jahren. Anders für jüngere Mitarbeitende: hier sollte die Abfindung allein auf Grundlage von Entgelt und Betriebszugehörigkeit berechnet werden.   

Schließlich einigten sich der Mitarbeitende und das Arbeitgeberunternehmen auf einen Aufhebungsvertrag inkl. einer Abfindung von rund 7.600 Euro brutto. Diese Abfindung wurde auf Grundlage des Sozialplans berechnet. Zu wenig und darüber hinaus ungerecht in den Augen des Mitarbeitenden. Deshalb verlangte er im Wege einer Klage vor dem Arbeitsgericht, dass seine Abfindung auf Grundlage der Vorgaben des Sozialplans für die jüngeren Mitarbeitenden berechnet wird und er entsprechend mehr Geld erhalten solle. Er war der Auffassung, dass seine Abfindung rund 145.000 Euro betragen müsse. Er würde durch die „Formel“ für ältere Arbeitnehmer benachteiligt werden – wegen seines Alters und wegen seiner Behinderung, die zu einem früheren möglichen Renteneintritt führen würde. Also dürfe wenigstens die Basis für die Kalkulation seiner Abfindung nicht an das frühestmögliche Renteneintrittsalter für schwerbehinderte Menschen anknüpfen.

Die Entscheidung: im konkreten Fall keine Alters-Benachteiligung  

Dem stimmte das BAG nicht in vollem Umfang zu. Denn eine Berechnung der Abfindung nach der Regelung für jüngere Mitarbeitende sei in diesem Fall nicht möglich. Die Regelung im Sozialplan führe zwar zu einer mittelbaren Benachteiligung wegen Schwerbehinderung. Eine Benachteiligung wegen Alters sah das Gericht allerdings nicht.  

Denn die bestehende Ungleichbehandlung sei gem. § 10 S. 1 und 2 AGG sachlich gerechtfertigt, weil damit ein rechtmäßiges Ziel verfolgt wird: eine Sozialplanabfindung ist Ausgleich für finanzielle Einbußen in der Zukunft. Dieser Ausgleich richte sich dabei nach den Bedürfnissen der Betroffenen. Eine unterschiedlich hohe Abfindung für jüngere und ältere Mitarbeitende im Sozialplan kann deswegen im Einzelfall sachlich gerechtfertigt sein.

Eine ungerechtfertigte Benachteiligung sah das Gericht allerdings darin, dass die Berechnung der Abfindung auf dem frühestmöglichen Renteneintrittsalter basiere. Schwerbehinderte können grundsätzlich drei Jahre früher in Rente gehen als Mitarbeitende ohne Behinderung. Das führe zu einem deswegen verminderten Abfindungsanspruch – ohne dass diese Ungleichheit irgendwie sachlich gerechtfertigt wäre. Aus diesem Grund müsse der Abfindungsanspruch angepasst, also entsprechend erhöht werden. Zwar würde dabei die Berechnungsgrundlage für ältere Mitarbeitende zur Anwendung kommen müssen, aber – anders als bisher – unter Berücksichtigung des Renteneintrittsalter von Mitarbeitenden ohne Behinderung.   

Fazit

Es kann durchaus passieren, dass ein Sozialplan einzelne Arbeitnehmer(gruppen) ungleich behandelt und zu einer Benachteiligung führt. Wenn es dafür keinen rechtmäßigen Grund gibt, kann z.B. die Berechnungsgrundlage für Abfindungen rechtswidrig sein – Abfindungen sind dann ggf. neu zu berechnen.  

Sie haben Fragen zum Thema Sozialplan, Sozialplanabfindung und deren Berechnung? Sie haben Zweifel daran, dass die Berechnungsgrundlage für die Abfindung rechtmäßig ist? Ich beantworte gerne Ihre Fragen und vertrete Sie außergerichtlich und vor Gericht. Kontaktieren Sie mich gerne telefonisch unter 08215 / 08 526 60 oder über das anwalt.de-Kontaktformular.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Fachanwalt für Arbeitsrecht Markus Schleifer

Beiträge zum Thema