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Beweislastumkehr: Was ist das und wer muss sie erbringen?

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Beweislastumkehr: Was ist das und wer muss sie erbringen?

Experten-Autor dieses Themas

Gewährleistung: Beweislastumkehr im Verbrauchsgüterkauf

Wahrscheinlich kennen Sie das auch: Waschmaschine, Fernseher oder auch Kaffeemaschine sind defekt. Und da eine Reparatur manchmal sehr kostenintensiv ist, soll ein neues Gerät her. Nachdem nun Prospekte gewälzt und Angebote verglichen wurden, steht die Kaufentscheidung fest. Sehr ärgerlich allerdings, wenn das Neugerät schon nach einem halben Jahr wieder kaputt ist. 

Bei der Reklamation kommt es häufig zu der Frage, wer denn für den Schaden verantwortlich ist. Nicht selten kochen die Gemüter von Käufer und Händler über. „Ich habe doch noch Garantie, das ist Herstellersache“, argumentieren viele. Allerdings ist es beim sogenannten Verbrauchsgüterkauf ganz so einfach leider nicht. Garantie ist nicht Gewährleistung – das wird oft verwechselt oder miteinander vermischt. Eine Garantie ist immer nur eine freiwillige Leistung des Herstellers oder des Händlers. Wie und wofür diese gilt, sollte am besten vor dem Kauf erfragt werden. 

Anders ist es bei der Gewährleistung. Hier gibt es gemäß Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) gesetzlich vorgeschriebene Rechte für den Verbraucher im Rahmen eines Kaufvertrages – egal ob es sich wie im obigen Beispiel um eine neue Waschmaschine oder beispielsweise um eine neue Hose handelt. Der Haken bei der Gewährleistung: Sind Mängel nach sechs Monaten ab Kauf (der Jurist nennt das „Gefahrenübergang“; das ist der Zeitpunkt, an dem die Ware dem Käufer übergeben wurde) oder später aufgetreten, musste bisher der Käufer beweisen, dass ein Mangel schon beim Kauf vorgelegen hat. War der Artikel bei der Übergabe mangelfrei und der Mangel ist erst später eingetreten, haftete der Verkäufer nicht. 

Aber wie soll man nachweisen, ob ein Fehler schon von Anfang an vorhanden war oder erst später eingetreten ist? Gute Neuigkeiten: Zum 01. Januar 2022 wurde zugunsten der Verbraucher die Frist für die sogenannte Beweislastumkehr von sechs Monate auf zwölf Monate verlängert. Das bedeutet: Wenn innerhalb eines Jahres nach dem Kauf Mängel/Fehler/Defekte auftreten, wird nun vermutet, dass ein Mangel bereits zum Zeitpunkt des Gefahrenübergangs bestand (wir erinnern uns: der Zeitpunkt, an dem die Ware dem Käufer übergeben wurde). Das macht das Reklamieren für die Verbraucher sehr viel einfacher. Dabei sollten wir jedoch nicht vergessen, dass der Verkäufer im Einzelhandel oft nur eine Schnittstelle ist, die mitunter noch nichts von der neuen Regelung weiß. Ein nettes Wort und ein Lächeln mit dem Hinweis auf das neue Kaufrecht erleichtern das Reklamieren oft ungemein – für beide Seiten. 

Beweislastumkehr in der Medizin: Arzthaftung

Ganz anders verhält es sich mit der Beweislastumkehr im medizinischen Bereich. Diese kann hier aufgrund der Komplexität auch nur ganz grob angerissen werden. 

Zuerst einmal: Ärzte sind auch nur Menschen, die nicht unfehlbar sind. Auch sie können sich irren, etwas falsch einschätzen oder auch falsch behandeln. Zudem ist schon länger der Fachkräftemangel in Krankenhäusern und die damit verbundene Belastung der Mitarbeiter in den Krankenhäusern bekannt. Leider kann all dies aber in Einzelfällen auch zu „Schäden“ am Patienten führen. 

Wenn ein Patient nun einen Gesundheitsschaden erlitten hat, muss er beweisen, dass der Behandlungsfehler beim behandelnden Arzt liegt und dieser Fehler ursächlich für den eingetretenen Gesundheitsschaden ist. Ein schweres Unterfangen für Otto-Normalbürger. Die Beweisführung in einem Prozess, ob wirklich ein Behandlungsfehler vorliegt oder ob der Genesungsverlauf einfach nur tragisch ist, wird durch Gutachten von gerichtlich bestellten Sachverständigen geführt. 

In einigen Fällen dreht sich die Beweislast zugunsten der Patienten und zulasten der Ärzte aber auch um. Seit 2013 gilt das Patientenrechtegesetz. Darin ist der Behandlungsvertrag in den §§ 630 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) mit Ausnahmen verankert. Können zum Beispiel grobe Behandlungsfehler, eine unterlassene Befunderhebung oder auch ein Anfängereingriff nachgewiesen werden, kann es zur Umkehr der Beweislast kommen und der Arzt muss die entsprechenden Beweise erbringen. 

Mein Rat: Wenn Sie Zweifel an einer fachärztlichen Behandlung haben, suchen Sie bitte unbedingt einen Anwalt für Medizinrecht auf, der sich genauestens mit dieser Materie auskennt. 

Beweislastumkehr in der Pflege

Die Deutschen werden immer älter. Die Lebenserwartung der Deutschen befindet sich auf einem neuen Höchststand.* Das bedeutet aber auch, dass immer mehr Menschen Pflegedienste oder Pflegeheime in Anspruch nehmen. Wie auch in Krankenhäusern fehlen in der Pflege Fachkräfte.  

Passend zum Thema tritt auch in diesem Zusammenhang immer wieder einmal die Frage auf, ob bestimmte Fehler in der Pflege zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes an der pflegebedürftigen Person geführt haben. Nicht erst seit dem Bericht des Team Wallraff** oder einem Artikel des Magazins „Stern“*** hinterfragen Angehörige, ob neue gesundheitliche Probleme durch Behandlungsfehler entstanden sind, beispielsweise durch eine falsche Dosierung der Medikamente, oder von einem Wundliegen der zu pflegenden Person durch eine falsche Lagerung kommen (wodurch ein sogenanntes Druckgeschwür entstehen kann).  

Natürlich gibt es in der Pflege – wie in allen anderen Berufszweigen auch – „schwarze Schafe“ und traurige Einzelfälle. Andererseits erleben wir aber, wie aufopfernd und liebevoll sich um zu pflegende Personen gekümmert wird. Haben Sie jedoch einen konkreten Verdacht, sollten Sie fachanwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen. Hinsichtlich der Beweislast werden in der Rechtsprechung die Grundsätze der Haftung hierbei übrigens in weiten Teilen aus der Rechtsprechung der (zuvor beschriebenen) Arzthaftung übernommen und angewendet. Wir hoffen, dass Sie und Ihre Angehörigen gesund und bestens versorgt bleiben. 

* ntv.de: Rekordwert an Hundertjährigen. Die Deutschen werden immer älter. 12.07.2022. 

** brigitte.de: Missstände im Pflegeheim. Undercover-Report zeigt schockierende Zustände. 11.02.2022. 

*** stern.de: Missstände im Pflegeheim. Ich beobachtete, wie Demenzkranke in den Zimmern eingesperrt wurden. 05.02.2021.

Foto(s): ©AdobeStock/Nomad_Soul

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