BGH: VBL ist Unternehmen im Sinne des Kartellrechts - Gegenwertforderung unwirksam

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Der Kartellsenat des BGH hat mit Urteil vom 6. November 2013 - KZR 58/11 - bestätigt, dass die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) ein Unternehmen im Sinne des Kartellrechts ist, wenn sie gegenüber ausgeschiedenen Beteiligten Gegenwertforderungen geltend macht.

Die Parteien streiten über die Berechtigung der VBL, nach § 23 Abs. 2 ihrer Satzung (VBLS) von Arbeitgebern, die ihre Beteiligung bei der VBL gekündigt haben, einen sogenannten Gegenwert als Ausgleich für die bei der VBL verbleibenden Versorgungslasten zu fordern.

Die in dem Verfahren beklagte Krankenkasse hat nach Kündigung ihrer Beteiligungen bei der VBL den geforderten Gegenwert nur teilweise gezahlt. Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Urteil vom 14. Dezember 2011 - 6 U 193/10 Kart.) hat bereits die auf Zahlung des restlichen Gegenwerts gerichteten Klagen der VBL abgewiesen. Die Widerklagen der Beteiligten auf Rückzahlung bereits geleisteter Zahlungen hat es wegen einer Prozessvereinbarung als unzulässig angesehen. Weiter hat es die VBL u.a. dazu verurteilt, Zinsen auf bereits geleistete Zahlungen zu erstatten, für die Zeit vor Erhebung der Widerklage allerdings - unter Abweisung der weitergehenden Zinsforderung der Beteiligten - nur nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen (zeitabschnittsweise zwischen 3,3% und 4,3% bzw. 4,1%); einen Zinsanspruch auf kartellrechtlicher Grundlage hat das Oberlandesgericht verneint, weil es sich bei der VBL nicht um ein Unternehmen im Sinne des Kartellrechts handele. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Revision eingelegt.

Die Revision der VBL hatten keinen Erfolg. Der BGH hat seine Rechtsprechung bestätigt, wonach die Regelung zum Gegenwert in § 23 Abs. 2 VBLS in der für den Streitfall maßgeblichen Fassung von 2001 als allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam ist, weil sie den ausgeschiedenen Beteiligten unangemessen benachteiligt. Die nach Abschluss des Berufungsverfahrens beschlossene Neufassung des § 23 Abs. 2 Satz 3 VBLS vom 21. November 2012, die mit Rückwirkung zum 1. Januar 2001 den gegen die Wirksamkeit dieser Bestimmung bestehenden Bedenken Rechnung tragen soll, konnte in der Revisionsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden.

Die Revision der Krankenkasse hatte teilweise Erfolg und führten insoweit zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen und Zurückverweisung an das OLG. Der BGH hat zwar die Abweisung der Rückzahlungsklagen als unzulässig bestätigt. Es ist aber nicht auszuschließen, dass die Beteiligten auf kartellrechtlicher Grundlage weitere Zinsen auf die geleisteten Gegenwertzahlungen verlangen können. 

Der BGH hat entschieden, dass die VBL jedenfalls im Zusammenhang mit Gegenwertforderungen gegen frühere Beteiligte Unternehmen im Sinne des deutschen Kartellrechts ist. Die von der VBL als Gruppenversicherungsverträge abgeschlossenen Beteiligungsvereinbarungen sind privatrechtlicher, nicht hoheitlicher Natur. Es besteht auch keine Pflichtmitgliedschaft bei der VBL. Die Zusatzversorgung der VBL erfolgt in Form einer auch in der gewerblichen Wirtschaft üblichen Betriebsrente, die auch von privaten Versicherungsunternehmen angeboten werden kann. Auf die Finanzierung der Zusatzversorgung im Wege des Umlageverfahrens kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Das Ergebnis, die VBL bei der Erhebung von Gegenwertforderungen als Unternehmen im Sinne des deutschen Kartellrechts einzustufen, steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zum europäischen Kartellrecht, die aufgrund der vom Gesetzgeber bezweckten Angleichung des nationalen an das europäische Kartellrecht bei der Auslegung des deutschen Kartellrechts zu berücksichtigen ist. 

Mangels entgegenstehender Feststellungen des OLG konnte auch eine marktbeherrschende Stellung der VBL auf dem Markt für die Zusatzversorgung von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes nicht ausgeschlossen werden. Daher kam in Betracht, dass die Verwendung der unzulässigen Allgemeinen Geschäftsbedingung des § 23 Abs. 2 VBLS 2001 einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinn von § 19 GWB darstellen könnte. Die Rückzahlungsforderung der Beteiligten wäre dann nach § 33 Abs. 3 Satz 4 und 5 GWB entsprechend § 288 BGB zu verzinsen. Der Zinssatz beträgt nach Absatz 1 dieser Vorschrift fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, im Fall von Rechtsgeschäften, an denen kein Verbraucher beteiligt ist, aber für Entgeltforderungen gemäß Absatz 2 acht Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Der BGH hat klargestellt, dass eine Verzinsung der Rückzahlungsforderung der Beteiligten nach § 33 Abs. 3 Satz 4 und 5 GWB gemäß § 288 Abs. 1 BGB auf fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz ab Entstehung des Schadens begrenzt wäre. Die entsprechende Anwendung des höheren Zinssatzes in § 288 Abs. 2 BGB nach § 33 Abs. 3 Satz 5 GWB ist bei einem Verstoß gegen § 19 Abs. 1 GWB grundsätzlich auf Fälle beschränkt, in denen sich der Missbrauch auf eine Entgeltforderung des Missbrauchsopfers bezieht. Beispiele sind die systematisch verzögerte Bezahlung fälliger Forderungen oder die missbräuchliche Erzwingung zu niedriger Entgelte, etwa durch hohe Bezugsrabatte. Um eine solche Entgeltforderung handelt es sich bei der gegenüber der VBL geltend gemachten Rückzahlungsforderung nicht. 

Für die weitere Behandlung der Sache hat der BGH darauf hingewiesen, dass es der VBL selbst dann, wenn die Geltendmachung der Gegenwertforderung sich als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung darstellt, aus kartellrechtlichen Gründen nicht verwehrt wäre, die unwirksame Regelung rückwirkend durch eine neue Regelung zu ersetzen, die den beiderseitigen Interessen in angemessener Weise Rechnung trägt. 

Das Gericht hat mit diesem Urteil seine Rechtsprechung bestätigt, wonach die Regelung zum Gegenwert in § 23 Abs. 2 VBLS in der für den Streitfall maßgeblichen Fassung von 2001 als allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam ist, weil sie den ausgeschiedenen Beteiligten unangemessen benachteiligt. Bewertungen hinsichtlich der zwischenzeitlich erfolgten Neuregelung des § 23 VBLS wurden von Seiten des Gerichts nicht abgegeben, da zum Zeitpunkt der Neufassung das Verfahren bereits entschieden war. Es bleibt also spannend und es ist jedem Beteiligten anzuraten, auch gegen die Neuregelung vorzugehen, da die Benachteiligung von ausscheidenden Beteiligten auch hierdurch nicht aus der Welt geschafft wurde.

Karlsruhe, den 29. Januar 2014

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