Corona & Arbeitsrecht: Anspruch auf Homeoffice bzw. Einzelbüro?

  • 3 Minuten Lesezeit

Die Corona-Krise stellt Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor neue Herausforderungen. Einerseits hat sich gezeigt, dass Homeoffice oftmals besser möglich ist als Arbeitgeber „vor Corona“ einsehen wollten. Anderseits ist die Rückkehr in den normalen Arbeitsalltag vor allem für Arbeitnehmer, die zur Corona-Risikogruppe zählen (Vorerkrankungen, 60+ etc.), eine Herausforderung – vor allem, wenn der Arbeitsplatz nicht von Kollegen abgetrennt ist.

Aber hat ein Arbeitnehmer einen „Anspruch auf Homeoffice“ oder auf ein Einzelbüro, wenn er zu einer „Corona-Risikogruppe“ gehört und Homeoffice aufgrund der konkreten Tätigkeit möglich ist? Derzeit wird in der Politik zwar ein solcher Anspruch diskutiert – gesetzlich verankert ist ein derartiger Anspruch aktuell (Oktober 2020) jedoch nicht.

Deswegen beschäftigte sich das Arbeitsgericht Augsburg mit dieser Frage (Beschluss v. 07.05.2020 – 3 Ga 9/20). Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) München zu dieser Frage im Berufungsverfahren steht allerdings noch aus.

Arbeitspflicht und Arbeitsort 

Grundsätzlich kann ein Arbeitgeber im Rahmen seines Weisungsrechts (§ 106 GewO, § 315 BGB) nach billigem Ermessen einseitig festlegen, wo und wie der Arbeitnehmer seine Arbeit verrichten muss. So kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer verpflichten, seine Arbeit in dem ihm zugewiesenen Büro zu verrichten und ggfs. Präsenzveranstaltungen abzuhalten. Zugleich ist ein Arbeitgeber jedoch nach § 618 BGB verpflichtet, für notwendige Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz zu sorgen:

„Der Dienstberechtigte hat Räume […] , die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten […], dass der Verpflichtete gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.“

Die Corona-Pandemie sorgt in diesem Spannungsfeld für neue Herausforderungen: Eine Gefahr von Leben und/oder Gesundheit kann (theoretisch) für Corona-Risikogruppen aktuell allein von der Anwesenheit von Kollegen ausgehen.

Der Fall vor dem Arbeitsgericht Augsburg

Ein 63-jähriger Arbeitnehmer, der seit 1994 für seinen Arbeitgeber tätig und aktuell als Leiter der Stabstelle Recht/Sozialrecht angestellt ist, klagte gegen seinen Arbeitgeber. Sein Arbeitsplatz befindet sich in einem Büro mit insgesamt 2 Arbeitsplätzen.

Aufgrund seines Alters („Risikogruppe 60+“ im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie) und aus einem ärztlichen Attest (9.4.2020) leitet er einen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber auf Tätigkeit im Homeoffice ab. Homeoffice oder jedenfalls ein Einzelbüro seien notwendig, um den Schutz nach § 618 BGB zu gewährleisten. Diesen Anspruch habe er, solange er dem Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion in der aktuellen Bürosituation ausgesetzt sei. Außerdem sei er aus demselben Grund von seiner Pflicht befreit, einmal wöchentlich 90 Minuten Präsenzunterricht abzuhalten.

Entsprechend verlangte er gerichtlich festzustellen, dass er „Anspruch auf Homeoffice“ habe – hilfsweise, dass er Anspruch auf ein Einzelbüro habe. Beide Anträge sah der Arbeitgeber als nicht begründet an. Der Präsenzunterricht sei zudem zwischenzeitlich auf Online-Unterricht umgestellt worden.

Kein Anspruch auf Homeoffice oder Einzelbüro 

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Beide Ansprüche seien weder vertraglich geschuldet noch aus dem Gesetz zu begründen. Auch im Hinblick auf Schutzmaßnahmen nach § 618 BGB habe der Arbeitgeber Handlungsfreiheit. Es liege allein im Ermessen des Arbeitgebers, wie und welche angemessenen Schutzmaßnahmen er treffe, um u. a. den Empfehlungen des Hausarztes des Klägers gerecht zu werden. Homeoffice sei nicht die einzige geeignete Maßnahme, um angemessenen Schutz zu gewährleisten, und auch ein Anspruch auf ein Einzelbüro bestehe aus demselben Grund nicht.

Der Arbeitgeber könne durchaus in einem Mehrpersonen-Büro geeignete Schutzvorkehrungen treffen. Wenn entsprechende Schutzvorkehrungen eingerichtet werden (können), liefen deshalb sowohl der Anspruch auf Homeoffice als auch auf Zuteilung eines Einzelbüros ins Leere. Denn im konkreten Fall war nach Rückkehr des Arbeitnehmers in den Betrieb ohnehin ein Einzelbüro für ihn vorgesehen.

Mein Fazit 

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist eine Einzelfallentscheidung. Die Beurteilung einer vergleichbaren Situation kann von Gericht zu Gericht und Fall zu Fall anders ausfallen, solange und sofern es künftig keine gesetzliche Regelung in diesem Bereich gibt. Zudem ist die Entscheidung nicht rechtskräftig: Die Entscheidung des LAG München im Berufungsverfahren steht aus (Stand 05.10.2020).

Eine abweichende Entscheidung des LAG scheint allerdings nicht vollkommen ausgeschlossen. Denn sämtliche Urteile zu dieser Thematik stammen aus Vor-Corona-Zeiten und sind damit mit der aktuellen Situation nur bedingt vergleichbar. Denn die massive gesundheitliche Gefährdung von Arbeitnehmern einer Risikogruppe – allein durch die physische Anwesenheit von Kollegen! –  ist schlichtweg neu. Zudem können die Folgen einer Ansteckung extrem schwerwiegend sein.

Insofern kann es angebracht sein, dass höhere Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit diese grundsätzliche Einschätzung neu bewerten (müssen) – auch wenn das Weisungsrecht des Arbeitsgebers grundsätzlich natürlich bestehen bleibt und bleiben muss.

Sie haben Fragen zum Thema „Anspruch auf Homeoffice“? Kontaktieren Sie mich gerne unter 0821/ 508 526 60 oder über das anwalt.de-Kontaktformular.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Fachanwalt für Arbeitsrecht Markus Schleifer

Beiträge zum Thema