Das Pferd im Straßenverkehr

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Kaum steht der Frühling vor der Tür, treibt es Spaziergänger, Hunde- und Pferdehalter und Fahrradfahrer wieder verstärkt vor die Tür. Leider hat nicht jeder das Glück, unmittelbar im Grünen zu wohnen. Vor allem in der Stadt und in Stadtnähe erfordert der Gang ins Feld häufig die Überquerung von Verkehrsstraßen. Dabei stellt sich insbesondere für Pferdehalter die Frage, wie sie sich im Straßenverkehr zu verhalten haben. Damit der nächste Ausflug unbeschwert gelingen kann, zeigt der folgende Beitrag die (rechtlichen) Besonderheiten im Straßenverkehr auf, welche zu berücksichtigen sind.


Rechtliche Vorgaben

Ausgangspunkt für die rechtliche Beurteilung der Teilnahme von Pferden am Straßenverkehr ist die Straßenverkehrsordnung und hier im Besonderen § 28 StVO. Gemäß § 28 Abs. 1 StVO sind Haus- und Stalltiere, die den Verkehr gefährden können, von der Straße fernzuhalten. Sie sind auf der Straße nur dann zugelassen, wenn sie von geeigneten Personen begleitet sind, die ausreichend auf sie einwirken können. § 28 Abs. 2 StVO bestimmt, dass wer reitet, Pferde oder Vieh führt oder Vieh treibt, sinngemäß den für den gesamten Fahrverkehr einheitlich bestehenden Verkehrsregeln und Anordnungen unterliegt. Neben § 28 StVO sind oftmals ortsrechtliche Normen, welche die Benutzung öffentlicher Flächen regeln vorhanden, die zu berücksichtigen sind. Kennzeichnend für diese Regelungen ist, dass sie grundsätzlich zum Beispiel der Abwehr allgemein drohender Gefahren durch Tiere dienen und nicht der Gefahrenabwehr im Straßenverkehr – anderenfalls würde ein Verstoß gegen Bundesrecht drohen, da das Bundesrecht den Straßenverkehr regelt, Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG [Haus/Krumm/Quarch/Krumm, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Auflage 2017, StVO § 28 Rn. 1].

Unter „Haus- und Stalltiere“ kann man dabei zunächst alle Tiere fassen, bei welchen die Haltung in Haus und Stall in Deutschland beziehungsweise Europa die Norm ist, d.h. insbesondere Hunde und Pferde [MüKoStVR/Asholt, 1. Auflage 2016, StVO § 28 Rn. 2]. Dabei umfasst die Pflicht, Tiere welche den Verkehr gefährden könnten, von der Straße fernzuhalten, nicht nur die eigentliche Fahrbahn, sondern auch Seitenstreifen, Gehsteige und Parkplätze [Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Heß, StraßenverkehrsR, 27. Aufl. 2022, StVO § 2 Rn. 18; MüKoStVR/Asholt, 1. Auflage 2016, StVO § 28 Rn. 3]. Der maßgebliche Aufwand, welcher betrieben werden muss, um die Tiere von der Straße fernzuhalten, richtet sich einerseits nach der Art des Tieres und andererseits nach der Umgebung [BGH NJW-RR 1990, 789 (790); MüKoStVR/Asholt, 1. Auflage 2016, StVO § 28 Rn. 3]. Damit ergibt sich zum Beispiel das Erfordernis einer besonders sorgfältigen Sicherung in der Nähe von Autobahnen und stark befahren Straßen.

§ 28 Abs. 1 S. 2 StVO enthält eine Ausnahme vom Grundsatz, dass den Straßenverkehr gefährdende Tiere von der Straße ferngehalten werden müssen. Hierfür ist eine ausreichend geeignete Begleitung des Tieres erforderlich. Daneben bedarf es eines Pferdes, welches grundsätzlich dafür geeignet ist, am Straßenverkehr teilzunehmen [MüKoStVR/Asholt, 1. Auflage 2016, StVO § 28 Rn. 6]. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass besonders schreckhafte Pferde grundsätzlich im Straßenverkehr nicht zu führen sind. Die Begleitperson muss im Falle einer drohenden Gefährdung in geeigneter Weise auf das Tier einwirken können [für Hunde: OLG Düsseldorf NJW 1987, 201]. Dafür bedarf es der Erfahrung im Umgang mit dem Tier und der entsprechenden körperlichen Fähigkeiten. Dies kann bei Kindern und älteren Personen fraglich sein. An dieser Stelle verbieten sich jedoch pauschale Aussagen, da es auch stets auf das individuelle Tier, dessen Art und Größe ankommt [Haus/Krumm/Quarch/Krumm, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Auflage 2017, StVO § 28 Rn. 7]. Pferde müssen grundsätzlich von links geführt werden, sodass auch der Umstand genutzt werden kann, ein in Panik geratenes auf dem Bankett zur Ruhe zu bringen [Spiegel SVR 2015, 445 (451)].

Wie Pferde ausgerüstet werden müssen, wird unterschiedlich, auch unter Berücksichtigung des individuellen Tieres, beurteilt. Gegebenenfalls genügt eine gebisslose Zäumung aus, um den Erdordernissen Rechnung zu tragen, sofern das der Eigenart und Gewohnheit des Tieres entspricht und der Reiter hierfür ausreichende Kenntnisse besitzt [Siegel SVR 2015, 445 (451)]. Eine Kandare statt einer Trense muss nicht angelegt werden, da durch die verstärkte Hebelwirkung der Kandare dem Tier starke Schmerzen zugefügt werden können, was nicht als geeignetes Mittel eingeordnet werden kann, ein in Panik geratenes Tier wieder ruhig zu bekommen [OLG Karlsruhe r+s 1997, 111], sondern die Panik gar verstärken kann.

§ 28 Abs. 1 S. 3 bzw. S. 4 StVO normieren darüber hinaus, dass Tiere nicht von einem Kraftfahrzeug aus geführt werden dürfen. Lediglich für Hunde gilt die Ausnahme, dass diese vom Fahrrad aus geführt werden dürfen. Das Führen eines Pferdes unter zeitgleicher Nutzung eines Rades ist damit untersagt. Sinn und Zweck hinter diesen Regelungen ist vor allem, aber nicht nur, dass sich derjenige, der das Tier führt, gänzlich auf das Tier und das Führen konzentrieren kann [MüKoStVR/Asholt, 1. Auflage 2016, StVO § 28 Rn. 7].

Sofern das entsprechende Pferd dann für den Straßenverkehr grundsätzlich geeignet ist, muss der Reiter die für den gesamten Fahrverkehr einheitlich bestehenden Verkehrsregeln und Anordnungen berücksichtigen. Das bedeutet insbesondere, unter Beachtung von § 2 StVO, welcher die Nutzung der Fahrbahn (durch Fahrzeuge) vorsieht, dass das Tier auf der (Auto-)Straße zu reiten ist. Damit scheidet die Nutzung von Geh- und Radwegen aus. Daneben müssen zum Teil andere Wege, wie z.B. Feldwege genutzt werden, soweit diese ausgeschildert sind; das Reiten/Führen auf Autobahnen ist insbesondere mit Blick auf § 18 Abs. 9 StVO selbstredend nicht zulässig [Haus/Krumm/Quarch/Krumm, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Auflage 2017, StVO § 28 Rn. 14 f.]. Daneben sind zum Beispiel die allgemeinen Vorfahrtsregeln zu beachten, die Pflicht „Anzuhalten“ an roten Ampeln beziehungsweise die Beachtung aller Verkehrsregeln.

Bei Verstößen gegen § 28 StVO handelt es sich um Ordnungswidrigkeiten. § 28 StVO stellt zugleich ein Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB dar, sodass bei Schädigung Dritter sich hieraus, insbesondere neben §§ 833 f. BGB, eine Haftung ergeben kann [Haus/Krumm/Quarch/Krumm, Gesamtes Verkehrsrecht, 2. Auflage 2017, StVO § 28 Rn. 17f.].

Reiter bzw. Führende sollten sich darüber hinaus mit den Verkehrsschildern vertraut machen, welche die Nutzung der Wege und Straßen regeln. Sofern nämlich ein Reitweg ausdrücklich ausgeschildert ist, besteht eine Reitwegbenutzungspflicht, sodass ein Ausweichen auf die (Auto-)Straße nicht erlaubt ist. Daneben können Verkehrsschilder die Nutzung einer Straße beziehungsweise eines Weges auch gänzlich verbieten. Daneben können andere Straßenverkehrsteilnehmer auch ausdrücklich vor Verkehrsteilnehmer mit Pferd gewarnt werden. Ob ein Reiten mit dem Führen eines Pferdes im Hinblick gleichgestellt werden können, wird unterschiedlich beurteilt. So hat das OLG Dresden mit Beschluss vom 10.09.2015, Az.: OLG 26 Ss 505/15 (Z), entschieden, dass das Verbot des Reitens außerhalb ausgewiesener Waldwege (nach dem Sächsischen Waldgesetz) nicht das Führen von Pferden am Zügel erfasse. In der vorausgegangenen Entscheidung des AG Pirna wurde das Reiten dem Führen gleichgesetzt. Das OLG Dresden begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass bereits nach dem Wortsinn ein Unterschied zwischen „dem Führen“ und „dem Reiten“ vorliege.

Im Übrigen gelten die entsprechenden Vorschriften gleichermaßen für Kutschfahrer. So hat das OLG Oldenburg mit Urteil vom 24.02.2014, Az. 1 Ss 204/13 [NJW 2014, 2211] entschieden, dass der zu § 316 StGB für Kraftfahrer entwickelte BAK-Grenzwert auch für Gespannfahrer von Pferdefuhrwerken gilt. Eine absolute Fahrtüchtigkeit des Kutschführers ist damit ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 ‰ zu bejahen.

Bei Reiten bzw. Führern auf nicht öffentlichen Wegen bzw. Straßen sind die Regelungen der Landesnaturschutzgesetzes, Landeswaldgesetze und Bundeswald- bzw. Bundesnaturschutzgesetze zu berücksichtigen. Gegebenenfalls existieren verschiedene (gemeindebezogene) Verordnungen.


Das Führen mehrerer Pferde

Pferde dürfen grundsätzlich nur einzeln, wenn sie ungekoppelt sind, d.h. wenn sie nicht durch Zügel miteinander verbunden sind, geführt werden [Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Hühnermann, 27. Aufl. 2022, StraßenverkehrsR, StVO § 28 Rn. 7]. Das Führen von zwei Pferden zeitgleich, die sogar Halfter und Führkette tragen, stellt ein Verstoß gegen § 28 Abs. 1 S. 2 StVO dar, da Pferde grundsätzlich daran gewöhnt sind, linksseitig geführt zu werden [LG Koblenz Schaden-Praxis 2014, 225].



Ausreiten und Führen im Dunklen

Auch Reiter unterfallen der Pflicht, sich im Dunkeln entsprechend zu beleuchten, vgl. § 1 und § 17 StVO, d.h. beispielsweise durch eine Leuchte an der linken Seite [Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Hühnermann, 27. Aufl. 2022, StraßenverkehrsR, StVO § 28 Rn. 11.]. § 27 Abs. 4 StVO gilt für den geschlossen reitenden Verband. Hiernach gilt, dass die seitliche Begrenzung reitender oder zu Fuß marschierender Verbände geschlossen sein muss. Sofern angezeigt (§ 17 Abs. 1 StVO) muss dies mindestens nach vorn durch nicht blendende Leuchten mit weißem Licht, nach hinten durch Leuchten mit rotem oder gelben Blinklicht, kenntlich gemacht werden.


Reitplaketten

In verschiedenen Bundesländern müssen Pferde zum Ausreiten oder Spazierengehen durch eine Reitplakette besonders gekennzeichnet werden, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen oder Thüringen. Diese muss gut sichtbar seitlich am Pferd angebracht werden. Ausgestellt werden sie von der jeweils zuständigen Behörde. Sie ist in der Regel ein Jahr gültig.


Dauerkonflikte mit Autofahrern und Radfahrern

Insbesondere mit Auto- und Radfahrern kommt es häufig bei Ausreiten beziehungsweise Spazierengehen zu Konflikten.

Auch wenn ein Reiter z. B. entgegen eines Verbots auf einem Radweg reitet und es in der Folge zu einem Unfall mit einem Dritten kommt, bedeutet dies nicht, dass hierdurch die Verkehrsregeln gegenüber dem Reiter außer Kraft treten, sodass bei Eintritt eines Unfalls, durchaus die Möglichkeit besteht, ein Mitverschulden des Radfahrers anspruchsmindernd zu berücksichtigen [LG Frankenthal NJW-RR 2020, 1481]. Der nach § 5 Abs. 4 S. 2 StVO erforderliche Seitenabstand ist trotz des verbotswidrigen Reitens auf dem Radweg zu beachten. Was hierbei den maßgeblichen Abstand darstellt, ist nach Ansicht des LG Frankenthals vom Einzelfall abhängig, allerdings muss er so groß sein, dass mit Schreckreaktionen des überholten Pferdes nicht zu rechnen ist.

Auch beim Passieren von Reitern durch einen Autofahrer stellt sich häufig die Frage, welcher Seitenabstand eingehalten werden muss. Nach Ansicht des OLG Celle, NJW-RR 2018, 728, ist hierbei ein Abstand von wenigstens 1,5-2m einzuhalten. Dabei kann unter Umständen vom Autofahrer sogar verlangt werden, das Bankett mit zu nutzen, um diesen erforderlichen Seitenabstand einzuhalten. Das Bankett gehört zwar nicht zur Fahrbahn, § 2 Abs. 1 S. 2 StVO, allerdings könne es unter Umständen als sachgerecht und vernünftig erscheinen, dieses mit zu nutzen, sodass es in diesen Fällen als gestattet anzusehen ist [Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Heß, StraßenverkehrsR, 27. Aufl. 2022, StVO § 2 Rn. 18]. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn es erforderlich ist, um den Abstand zu einem Reiter einzuhalten (OLG Celle NJW-RR 2018, 728), um eine Kollision zu verhindern.


Tipps aus anwaltlicher Sicht

Damit das Verlassen des Hofs nicht zum Fiasko wird, sollte im Vorfeld abgeklärt werden, welche Straßen beziehungsweise Wege und Straßen für das Reiten und Führen von Pferden genutzt werden dürfen. Daneben sollte das Tier umfangreich auf Situationen im Straßenverkehr vorbereitet werden, um das Risiko, einen Unfall zu provozieren, möglichst weit zu minimieren.

Im Hinblick auf die Ausrüstung bleibt zu berücksichtigen, dass in jedem Falle mit dem (Pferdehaftpflicht-)Versicherer geklärt werden muss, welche Zäumung etc. vorgeschrieben ist, um einen umfänglichen Deckungsschutz beizubehalten. So erscheint zum Beispiel ein bloßer Halsring wohl eher nicht als geeignete Maßnahme, um auf ein scheuendes Pferd adäquat einzuwirken.

Foto(s): Jana Christina Hartmann

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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