Der Umfang von Schadensersatzansprüchen nach einem Verkehrsunfall

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Rund 2.314.938 (polizeilich erfasste) Straßenverkehrsunfälle mit Fahrzeugschäden ereigneten sich im Jahr 2021 (vgl. Angaben des Statistisches Bundesamtes hinsichtlich der Entwicklung seit 1950). Rund 258.987 davon führten zu einem Personenschaden. Im Anschluss an einen solchen Verkehrsunfall stellt sich häufig die Frage, welche Kostenpositionen gegenüber dem Unfallverursacher geltend gemacht werden können. Der folgende Beitrag soll einen groben Überblick über den Umfang von Schadensersatzansprüchen nach einem Verkehrsunfall geben. 


Rechtliche Haftungsgrundlagen

Die §§ 249 ff. BGB regeln das Schadensrechts auf der Rechtsfolgenseite („Welche Schäden kann ich ersetzt verlangen?“). Relevante Anspruchsgrundlagen finden sich hingegen in den §§ 280 ff., §§ 823 ff. BGB und insbesondere im StVG. Besonders relevant ist hierbei § 7 Abs. 1 StVG, dieser beinhaltet die Halterhaftung. Hiernach haftet der Halter eines Kfz für Schäden, die dadurch entstehen, dass bei dem Betrieb seines Fahrzeuges ein Mensch getötet / verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Hierbei ist kein eigenes Verschulden des Halters erforderlich, da § 7 StVG einen Tatbestand der Gefährdungshaftung normiert. Demgegenüber enthält § 18 Abs. 1 StVG die Haftung des Fahrzeugführers. Im Unterschied zu § 7 StVG bedarf es jedoch eines Verschuldens des Fahrzeugführers im Sinne des § 18 Abs. 1 StVG, um zu haften. Das Verschulden wird ausweislich § 18 Abs. 1 S. 2 StVG zunächst zum Nachteil des Fahrzeugführers vermutet. 


Grundsatz der Naturalrestitution

Im Regelfall gilt der Grundsatz der Naturalrestitution, § 249 Abs. 1 BGB. Kommt es zu einem Verkehrsunfall, ist der Schädiger zunächst nach § 249 Abs. 1 BGB dazu verpflichtet, den Zustand herzustellen, der ohne das schadensbegründende Ereignis (den Verkehrsunfall) bestehen würde. Erforderlich hierfür ist, dass die Restitution noch möglich ist (vgl. § 251 BGB). Da es dem Geschädigten zumeist jedoch nicht zumutbar ist, sich in die Hände des Schädigers zu begeben und diesem im Zweifel auch das erforderliche Knowhow fehlt, um den Zustand herzustellen, der ohne das schadensbegründende Ereignis bestehen würde, hat der Geschädigte die Möglichkeit, den für die Herstellung erforderlichen Geldbetrag zu verlangen, § 249 Abs. 2 BGB. Dies gilt sowohl bei der Beschädigung einer Sache als auch bei der Verletzung einer Person. Dabei kann sich der Geschädigte jedoch nicht grenzenlos an den Schädiger halten. Vielmehr ist lediglich der „erforderliche“ Geldbetrag zu ersetzen, welcher sich nach objektiven Kriterien bestimmt. 

Bestehen so verschiedene Möglichkeiten um den Schaden auszugleichen, muss der Geschädigte grundsätzlich diejenige auswählen, welche den geringsten Aufwand erfordert (und den Schädiger am „wenigsten“ kostet), sog. Wirtschaftlichkeitsgebot. Gleichermaßen obliegt es dem Geschädigten nicht, mit allen Mitteln zugunsten des Schädigers zu sparen; der Geschädigte darf hierbei diejenigen Aufwendungen tätigen, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in dieser konkreten Situation aufwenden würde. 


Grundsatz der Dispositionsfreiheit

Selbstredend ist der Geschädigte nicht dazu verpflichtet, den Zustand herstellen zu lassen, welcher ohne das schädigende Ereignis bestehen würde. Bei einem Verkehrsunfall hat der Geschädigte im Rahmen des § 249 BGB grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten. Entweder er lässt das Kfz reparieren und verlangt die hierzu erforderlichen Kosten oder er kann die erforderlichen Kosten für die Beschaffung eines gleichwertigen Ersatzkfz verlangen. Hiervon ist jedoch der Restwert des Unfallautos abzuziehen (der Geschädigte soll im Grundsatz seinen Schaden ausgeglichen bekommen, nicht „bereichert werden“). Abgesehen hiervon, kann der Geschädigte auch die bloß fiktiven Wiederherstellungskosten verlangen und das Auto nicht reparieren lassen. 

Hierbei sind jedoch einige Dinge zu berücksichtigen. So kann der Geschädigte lediglich dann Umsatzsteuer verlangen, wenn diese auch tatsächlich angefallen ist, § 249 Abs. 2 S. 2 BGB. Eine fiktive Umsatzsteuer kann gegenüber dem Unfallverursacher mithin nicht verlangt werden. Sofern das Kfz nicht repariert wird, kann der Geschädigte die Reparaturkosten lediglich in Höhe des Wiederbeschaffungsaufwandes verlangen. Der Wiederbeschaffungsaufwand ist hierbei die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem Restwert des Unfall-kfz. 

Im Gegensatz hierzu können keine fiktiven Heilbehandlungskosten bei einem Personenschaden verlangt werden. Wird der Geschädigte mithin auch an der Gesundheit geschädigt, kann er ohne Durchführung einer ärztlichen Heilbehandlung, die Kosten hierfür auch nicht verlangen. Der Geldbetrag (für die Heilbehandlung) muss damit also angefallen sein. 


Höhe der Reparaturkosten

Soweit der Geschädigte sich dazu entscheidet, das Kfz reparieren zu lassen und die Reparaturkosten sodann die Kosten der Ersatzbeschaffung übersteigen, ist zu berücksichtigen, dass die Reparaturkosten bis zu 130 Prozent des Wiederbeschaffungswertes betragen dürfen, wenn das Fahrzeug dann in der Folge auch wirklich genutzt wird. Soweit sich erst bei der Reparatur herausstellt, dass die 130 Prozent überschritten werden, ist dies unschädlich, da der Schädiger das sogenannte „Werkstatt- und Prognoserisiko“ trägt. 


Schmerzensgeld

Der Geschädigte kann vom Unfallverursacher daneben auch ggf. Schmerzensgeld geltend machen, § 253 Abs. 2 StGB. Dem Schmerzensgeld kommt hierbei eine Doppelfunktion zu. Auf der einen Seite soll das Schmerzensgeld die Einbußen am Wohlbefinden ausgleichen; auf der anderen Seite dient das Schmerzensgeld der Genugtuung des Geschädigten. Voraussetzung hierfür ist, dass dem Geschädigten ein Schadensersatzanspruch i.S.d. oben genannten Normen zusteht und der Körper, die Gesundheit, usw. verletzt worden ist, § 253 Abs. 2 BGB. Hierbei ist eine „billige“ Entschädigung in Geld zu leisten. Maßgeblich für die Beurteilung der Billigkeit ist der Einzelfall. Hierbei werden verschiedene Aspekte berücksichtigt, z.B. der Umfang des Verschuldens des Geschädigten oder das Schadensbild. In der Regel werden hier sog. „Schmerzensgeldtabellen“ zugrunde gelegt, welche verschiedene (Körper- /Gesundheits-)Verletzungen enthalten und einen entsprechenden, angemessenen Geldbetrag beinhalten. Diese Tabellen stellen jedoch lediglich Richtwerte da. 


Rechtsanwaltskosten 

Rechtsanwaltskosten zur (vorgerichtlichen) Schadensregulierung sind dem Geschädigten zu ersetzen. Ausgenommen hiervon ist der Fall, dass die Verantwortlichkeit für den Schaden derart klar ist, dass aus der Sicht des Geschädigten kein vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, dass der Schädiger seiner Ersatzpflicht nachkommen wird (z.B. AG Flensburg NJW-RR 2012, 432). 


Mietwagenkosten und Nutzungsausfallentschädigung

Soweit das Kfz des Geschädigten eines Werkstattaufenthaltes bedarf, so sind dem Geschädigten über § 249 BGB die Kosten für ein gleichwertiges Kfz für die Dauer der Reparatur zu ersetzen. Fährt der Geschädigte beispielsweise einen kleinen Fiat, so kann er sich nicht die Mietwagenkosten für einen Porsche ersetzen lassen. Da sich der Geschädigte sich hierbei die Abnutzung am eigenen Kfz, etc. erspart, wird zumeist kein genau äquivalentes Fahrzeug zugebilligt, sondern ein Kfz, welches eine Klasse unter dem eigenen Kfz liegt (Ausdruck des zuvor skizzierten „Bereicherungsverbots“). Andernfalls sind rund 10 Prozent der Kosten für die ersparten Aufwendungen abzuziehen, sofern ein Mietwagen aus der gleichen „KfzKlasse“ angemietet wird. 

Entscheidet sich der Geschädigte hingegen dazu, keinen Mietwagen zu nutzen, so kann für die Dauer der Reparaturzeit oder der Wiederbeschaffungszeit über § 249 BGB eine Nutzungsausfallentschädigung geltend gemacht werden. Die Höhe der Nutzungsausfallentschädigung kann mithilfe von Tabellen ermittelt werden. Hierbei bleibt zu berücksichtigen, dass sowohl die Mietwagenkosten als auch eine Nutzungsausfallentschädigung nur dann geltend gemacht werden können, wenn dem Geschädigten kein gleichwertiges Ersatzfahrzeug zur Verfügung, beispielsweise ein äquivalenter Zweitwagen zur Verfügung, steht. 

Soweit lediglich sehr kurze Strecken in der Regel mit dem Kfz zurückgelegt werden, kann auch die Nutzung eines Taxis bisweilen der Anmietung eines Mietwagens vorzuziehen sein, wenn dies z.B. im Rahmen einer Gesamtbetrachtung für den Schädiger „günstiger“ ist. 


Vorgerichtliche Gutachterkosten

Über § 249 BGB sind auch vorgerichtliche Gutachterkosten ersatzfähig. Voraussetzung hierfür ist insbesondere jedoch, dass es sich nicht um sogenannte „Bagatellschäden“ handelt; mithin Schäden, welche unter 700 Euro liegen. Unter dieser Bagatellgrenze können jedoch Kostenvoranschläge von Werkstätten ersatzfähig sein. 


Haushaltsführungsschaden

Daneben ist auch der sogenannte „Haushaltsführungsschaden“ ersatzfähig. Wird bei einem Verkehrsunfall eine Person derart geschädigt, dass diese ihren Haushalt/den Haushalt der Familie nicht mehr führen kann, kommt diese Schadensposition als grundsätzlich ersatzfähig hinzu. Wird in der Folge eine Haushaltshilfe eingesetzt, so sind der Bruttolohn sowie die Beiträge der Sozialversicherung ersatzfähig. Soweit hingegen Freunde, der Ehepartner, etc. um Hilfe gebeten werden, kann eine fiktive Berechnung erfolgen. Häufig eingesetzt werden auch hier diverse Tabellen zur Schadensermittlung. Wichtig zu berücksichtigen ist, dass der Anspruch dem Verletzten, der den Haushalt führt, zusteht, nicht hingegen den übrigen Familienmitgliedern. 


Schockschäden

Schockschäden des unmittelbar Geschädigten sind ersatzfähig. Soweit der Schockschaden einen Dritten betrifft, z.B. weil dieser den Unfall beobachtet oder hierüber informiert wird, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Schockschäden ersetzt verlangt werden kann. Zunächst muss es sich bei dem Verunfallten um einen nahen Angehörigen, beispielsweise um den Ehemann/die Ehefrau oder das eigene Kind, handeln. Der Schockgeschädigte muss über das normalerweise zu erwartende Maß seelisch erschüttert worden sein, sodass eine fassbare Gesundheitsschädigung vorliegt. Dies kann zu bejahen sein, wenn der Schockgeschädigte beispielsweise selbst eines Aufenthalts im Krankenhaus bedarf. 

Zudem muss der Schock „verständlich“ sein; d.h. nachvollziehbar sein und keine Überreaktion darstellen. Soweit es sich bei dem Unfallopfer um ein Tier handelt, sind Schockschäden des Eigentümers (bislang) nicht ersatzfähig. Nach Ansicht der Rechtsprechung und der überwiegenden Literatur handle es sich hierbei lediglich um die Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos. Gleiches gilt im Übrigen für Schockschäden sonstiger Personen. Soweit dem Unfallgeschädigten ein Mitverschulden anzurechnen ist, so ist über § 242 BGB i.V.m. 254 BGB analog der Anspruch des Schockgeschädigten ebenfalls zu kürzen.

Foto(s): Jana Hartmann


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