Die aufgedrängte Willenserklärung: Vom Missbrauch einer (Vorsorge-) Vollmacht durch Dritte

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In meinem letzten Rechtstipp Eine Vorsorgevollmacht ist kein Blankoscheck! Hatte ich dargestellt, wie es einem Bevollmächtigten ergehen kann, wenn er entgegen den Wünschen und Weisungen des Vollmachtgebers handelt, etwa, indem er sich zu eigenen Gunsten an dessen Konten „bedient“.


In diesem Beitrag beleuchte ich einen ganz anderen Fall:


Was geschieht, wenn nicht der Bevollmächtigte, sondern eine dritte (außenstehende)  Person die Vollmacht missbraucht.


Eine Vollmacht wird regelmäßig dafür erteilt, dass der Bevollmächtigte für den Vollmachtgeber nicht nur aktiv, sondern auch passiv tätig wird, indem er rechtlich wirksame Erklärungen, z.B. Steuerbescheide, für den Vollmachtgeber entgegennimmt (Empfangsvollmacht). Vorliegend geht es um den


Missbrauch einer Empfangsvollmacht,


den folgender Fall verdeutlichen möge:


Die lebenslustige Witwe W, Mitte siebzig und geistig wie körperlich kerngesund, erzählt auf einer Party, dass sie nun die ultimative Vorsorge getroffen habe und ihr gar nichts mehr passieren könne: Für „den Fall der Fälle“ seien ihre beiden Töchter A und B jeweils umfassend vorsorgebevollmächtigt. Der ebenfalls anwesende Nachbar N hört dies mit einigem Interesse. Er hat eine seiner Garagen an die W vermietet und möchte den mündlich geschlossenen Mietvertrag schnellstens beenden, wobei er genau weiß, dass die W den Unterstand für ihr Sportcabrio nicht einfach aufgeben wird. Daher lauert N der Tochter A auf, springt auf sie zu und kündigt den Mietvertrag mit sofortiger Wirkung. Die A sagt nur „ich bin nicht zuständig, klären Sie das mit meiner Mutter“ und eilt davon. Wenig später erhält die A Post von N´s Anwalt.


Der N hatte die Vollmacht, die die W ihren Töchtern erteilt hatte, willentlich missbraucht, denn „der Fall der Fälle“ war offensichtlich nicht eingetreten. Sich als Betroffene von solch einer aufgedrängten Willenserklärung zu lösen, ist allerdings nicht so einfach.


Wie der Vertretene sich von der Beschwer durch eine missbräuchliche Erklärung an den Vertreter lösen kann


Eine obergerichtliche Rechtsprechung zum Missbrauch einer (Empfangs-) Vorsorgevollmacht in der beschriebenen Konstellation ist mir nicht bekannt.


Man kann aber auch für die Passivvertretung die allgemeinen Grundsätze heranziehen, die im Fall des Missbrauchs einer Vertretungsmacht gelten. Danach sind Rechtsgeschäfte, die durch den Missbrauch einer Passivvertretung zustande kamen, schwebend unwirksam, wenn die dritte Person aufgrund der ihr bekannten Umstände erkennen muss, dass die Vorsorgevollmacht nur für den Fall des Eintritts geistiger oder körperlicher Einschränkungen erteilt worden war und diese Situation noch nicht eingetreten ist.

Das Rechtsgeschäft wird nur wirksam, wenn der Vertretene es genehmigt.

(Für Interessierte: Ausführlich und instruktiv hierzu ist der Aufsatz von Regenfus in der NJW 2023, 3609 ff).


Tipp:


Das Erteilen einer (Vorsorge-) Vollmacht ist ein hochsensibles Rechtsgeschäft, das dritten Personen nur offenbart werden sollte, wenn der Zweck, zu dem die Vollmacht erteilt worden war, eingetreten ist.


Ich bin Betreiberin der Website kfw-erbrecht.de


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