Elektronische Fußfesseln – Liegt ein Verstoß gegen das Grundgesetz vor?

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Die elektronische Fußfessel 

Bei Personen, die nach vollständiger Verbüßung ihrer Haftstrafen zur Entlassung anstehen, tritt die sog. Maßregel der Führungsaufsicht ein. Diese verfolgt das Ziel, entlassene Straftäter bei ihrer Resozialisierung zu unterstützen und gleichzeitig für eine angemessene Kontrolle ihres zukünftigen Verhaltens zu sorgen.

Der § 68b StGB (Strafgesetzbuch) sieht hierfür bestimmte Weisungen vor, die das Gericht gegenüber verurteilen Personen für die Dauer der Führungsaufsicht oder für eine kürzere Zeit vornehmen darf. Mit § 68b S. 1 Nr. 12, S. 3 StGB i.V.m. § 463a Abs. 4 StPO sieht das Gesetz seit Anfang 2011 auch die Verpflichtung vor, eine elektronische Fußfessel zu tragen.

Mit einer elektronischen Fußfessel wird der Aufenthalt einer Person elektronisch überwacht. Dafür wird das Gerät, das einen Sender enthält, der ständigen Funkkontakt mit einer Basisstation hat, an einem der beiden Fußgelenke angebracht. Wenn die Station kein Signal enthält, weil der Sender sich außerhalb ihrer Reichweite befindet oder zerstört wurde, wird die überwachende Behörde alarmiert.

Sind die Regelungen zur elektronischen Fußfessel verfassungsgemäß?

Ob die Regelungen, die bestimmte Straftäter zum Tragen einer solchen elektronischen Fußfessel verpflichten, auch verfassungsgemäß sind, beschäftigte das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 1. Dezember 2020 (2 BvR 916/11, 2 BvR 636/12).

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war 2011 gegenüber zwei ehemaligen Sexualstraftätern nach Verbüßung ihrer langjährigen Freiheitsstrafen und nach der zu ihren Ungunsten ausfallenden vorzunehmenden Abwägung zwischen den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit und den persönlichen Freiheitsrechten der Sexualstraftätern das Tragen von elektronischen Fußfesseln angeordnet worden. Hierdurch sahen sich die Sexualstraftäter in ihren Grundrechten verletzt, weshalb sie Verfassungsbeschwerde einlegten. Die Beschwerdeführer trugen vor, dass die elektronischen Fußfesseln bei intimen Kontakt sowie beim Sport, beim öffentlichen Baden oder der Durchleuchtung beim Flughaften sofort auffielen und sie als „gefährliche Gewohnheitsverbrecher“ „abstempeln“ sowie ihre soziale Wiedereingliederung erschweren. Auch behindere die Fußfessel, die spätestens alle 22 Stunden geladen werden muss, die Beschwerdeführer darin, Deutschland urlaubs- oder arbeitsbedingt zu verlassen.

Die Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht allerdings als unbegründet zurückgewiesen. Die Beschwerdeführer seien nicht in ihren Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten verletzt.

Kein Verstoß gegen die Menschenwürde 

Die konkrete gesetzliche Ausgestaltung der Möglichkeit, den Aufenthaltsort eines Weisungsbetroffenen anlassbezogen festzustellen, führe nicht zu einer mit der Menschenwürde unvereinbaren „Rundumüberwachung“, wodurch der Betroffene zum bloßen Objekt staatlichen Handels gemacht würde. Was der Betroffene am festgestellten Ort genau tut, sei nicht Gegenstand der Überwachung. Sein Handeln unterliege insofern weder optischer noch akustischer Kontrolle. Die mit der elektronischen Aufenthaltsüberwachung verbundene Kontrolldichte sei nicht derart umfassend, dass sie nahezu lückenlos alle Bewegungen und Lebensäußerungen erfasse und die Erstellung eines Persönlichkeitsprofils ermögliche. Die Beschwerdeführer werden durch die Anordnung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung mithin nicht zum notwendigen Glied eines umfassenden technisch-elektronischen Überwachungssystems.

Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist verhältnismäßig und zumutbar

Auch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG sei nicht gegeben. Zwar stelle die elektronische Aufenthaltsüberwachung einen tiefgreifenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar, indem sie in die Privatsphäre eindringe und diese beeinträchtige. Allerdings sei dieser Grundrechtseingriff aufgrund des Gewichts der geschützten Belange zumutbar und stehe nicht außer Verhältnis zu dem Gewicht der Rechtsgüter, deren Schutz mit der elektronischen Fußfessel bezweckt sei. Das Bundesverfassungsgericht führt ferner aus, dass die elektronische Aufenthaltsermittlung erheblichen Einschränkungen unterliegt (sowohl hinsichtlich des Adressatenkreises einer solchen Weisung als auch hinsichtlich der Schwere der zu erwartenden Straftaten). Schließlich dürfe das Tragen einer elektronischen Fußfessel nur dann angeordnet werden, wenn die hinreichend konkrete Gefahr bestehe, dass der Betroffene weitere schwere Straftaten der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Art begehe.

Auch kein Verstoß gegen das Resozialisierungsgebot und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Ferner verstoße die Regelung nicht gegen das Resozialisierungsgebot, da eine wesentliche Erschwerung der Wiedereingliederung des Betroffenen in die Gesellschaft oder der Möglichkeit einer eigenverantwortlichen Lebensführung nicht gegeben ist. Die Fußfessel werde versteckt angebracht, weshalb Betroffene nicht sichtbar gebrandmarkt seien und eine generelle Stigmatisierungswirkung nicht gegeben sei. Einschränkungen, die Betroffene angesichts intimer Kontakte erfahren, seien zum Schutz der hochrangigen Rechtsgüter des Lebens, der Freiheit, der körperlichen Unversehrtheit und der sexuellen Selbstbestimmung Dritter jedenfalls gerechtfertigt.

Schließlich verletze die gesetzliche Regelung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung auch nicht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Erhebung und Verarbeitung der personenbezogenen Daten sei verhältnismäßig, insbesondere im Hinblick darauf, dass die Aufenthaltsdaten der Betroffenen im Fall der Nichtverwendung spätestens zwei Monaten nach ihrer Erhebung wieder gelöscht werden.

Fazit

Regelungen, die bestimmte Straftäter zum Tragen von „elektronischen Fußfesseln“ verpflichten, sind grundsätzlich verfassungsgemäß.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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