Erbschaft von Vermögen in der Schweiz: Das sollten Sie wissen!

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Immer mehr Deutsche leben in der Schweiz.

Das führt zu Fragen sowohl im Hinblick auf die Nachlassplanung sowie dann, wenn der deutsch-schweizerische Erbfall tatsächlich eintritt. Dann haben Erben, Pflichtteilsberechtigte und Vermächtnisnehmer aus Deutschland einen Nachlass in der Schweiz abzuwickeln und kommen in Kontakt mit schweizerischen (Steuer-) Behörden, Gerichten und Banken (vgl. hierzu auch Schweizer Bankvermögen im Erbfall: Ermittlung und Auskunftsansprüche der Erben).

Häufig tauchen dann Fragen auf, wie z. B., ob die Erbrechtsverordnung der EU (ErbVO) eine Rolle beim deutsch-schweizerischen Erbfall spielt, welches Erbrecht auf den Erbfall Anwendung findet, welches Nachlassgericht international zuständig ist und wie es sich mit der Erbschaftsteuer verhält.

Hierzu im Folgenden ein erster Überblick:

Erbrechtsverordnung der EU

Die ErbVO hat nicht nur Auswirkungen auf Erbfälle innerhalb der EU, sondern sie ist auch dann von Relevanz, wenn ein Deutscher in der Schweiz verstirbt. Dies gilt sowohl im Hinblick auf Behörden- und Gerichtszuständigkeiten wie auch bezüglich des anwendbaren Erbrechts, d. h., ob deutsches Erbrecht oder das Erbrecht der Schweiz anwendbar ist.

Internationale Zuständigkeit des Nachlassgerichts

Die ErbVO bestimmt die internationale Zuständigkeit des Nachlassgerichts grundsätzlich nach dem Ort, an dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat hatte. Deutsche Nachlassgerichte sind daher grundsätzlich z. B. dann für den Nachlass zuständig, wenn der Erblasser zum Todeszeitpunkt seinen letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland hatte.

Hatte der Erblasser hingegen seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz, so sind die Gerichte eines Mitgliedstaats, in dem sich Nachlassvermögen befindet, dann international zuständig, wenn der Erblasser die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats im Zeitpunkt seines Todes besaß, oder, wenn dies nicht der Fall ist, der Erblasser seinen vorhergehenden gewöhnlichen Aufenthalt in dem betreffenden Mitgliedstaat hatte, sofern die Änderung dieses gewöhnlichen Aufenthalts zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts nicht länger als fünf Jahre zurückliegt.

Das bedeutet z. B.:

Besitzt ein deutscher Staatsangehöriger, der seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz hatte, in Deutschland gelegenes Vermögen (z. B. Grundstücke, Bankguthaben, Unternehmensbeteiligungen etc.), so kann es nach den Bestimmungen der ErbVO dazu kommen, dass trotz des letzten gewöhnlichen Aufenthalts in der Schweiz die deutschen Nachlassgerichte und -behörden für den gesamten Nachlass zuständig sind. Die deutschen Behörden und Gerichte sind damit gemäß der ErbVO – vorbehältlich abweichender internationaler Staatsverträge – nicht nur für das in Deutschland gelegene Vermögen, sondern auch für das weltweite und damit auch für das in der Schweiz gelegene Vermögen zuständig.

Für alle in der Schweiz wohnhaften Deutschen, die verhindern wollen, dass bei ihrem Ableben die deutschen Nachlassgerichte und Behörden für ihren gesamten Nachlass zuständig sind, kann es sich von daher empfehlen, rechtzeitig eine entsprechende Vermögensnachlassplanung vorzunehmen.

Materielles Recht/Erbrecht

Neben der internationalen Gerichts- und Behördenzuständigkeit regelt die ErbVO, welches nationale materielle Recht auf den Erbfall anwendbar ist. Das materielle Recht regelt z. B. die Frage, wer mit welchen Quoten Erbe wird, wer Pflichtteilsberechtigter ist etc.

Grundsätzlich ist das Erbrecht desjenigen Staates anwendbar, in welchem der Erblasser zum Todeszeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hatte. Das kann auch das Erbrecht eines Nicht-EU-Staates (z. B. Schweiz) sein. Verstirbt also ein deutscher Staatsangehöriger an seinem letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort in der Schweiz, so ist das schweizerische Erbrecht anwendbar. Sollte deutsches Erbrecht bevorzugt werden, so besteht nach den Bestimmungen der ErbVO für deutsche Staatsbürger die Möglichkeit, eine Rechtswahl für das deutsche Erbrecht zu treffen.

Für Erblasser kann die Wahl einer anderen Rechtsordnung vorteilhafter sein, wenn ihnen diese Regelungen unter Umständen bestimmte Erbfolgegestaltungen ermöglicht, die nach der anderen Rechtsordnung nicht möglich wären (z. B. Ausschluss von Erben, Bevorzugung von Erben, Möglichkeit der Errichtung eines Ehegattentestaments etc.). Die Rechtswahl wird, sofern sie richtig umgesetzt wird, durch die Schweizer Gerichte anerkannt, wenn der deutsche Erblasser in der Schweiz verstirbt.

Erbschaftsteuerrecht

Die ErbVO regelt nur die Fragen bezüglich des materiellen Erbrechts, nicht aber des Steuerrechts! Das bedeutet, dass ein Erblasser das auf den Erbfall zur Anwendung zu bringende Erbschaftsteuerrecht nicht durch Rechtswahl bestimmen kann.

Die Erbschaftsteuer richtet sich bei deutsch-schweizerischen Erbfällen nach deutschem und schweizerischem Steuerrecht bzw. dem jeweiligen Kantonsrecht. In einigen Kantonen sind Ehegatten und Kinder des Erblassers von der Erbschafts- und Schenkungssteuer komplett befreit. In Deutschland gelten erhebliche Freibeträge (z. B. für Ehegatten derzeit € 500.000, im Eltern-Kind-Verhältnis derzeit € 400.000).

Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und der Schweiz (DBA) gilt für Nachlasssteuern und Steuern auf Schenkungen auf den Todesfall. Das Abkommen kann eine internationale Doppelbesteuerung verhindern. Dabei ist für jeden Fall gesondert zu prüfen, ob und inwieweit das DBA zugunsten der Erben und Beschenkten Anwendung findet.

Fazit und Tipps:

Im Zusammenhang mit einem deutsch-schweizerischen Erbfall sollte immer an eine vorsorgliche Nachlassplanung gedacht werden und ggfs. ein Testament errichtet werden, das sowohl die Vorstellungen des Erblassers wie auch die steuerrechtliche Situation berücksichtigt. Die ErbVO bietet Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der Wahl des Erbrechts.

Auch deutschen Staatsangehörigen, die noch vor ihrem Umzug in die Schweiz ein Testament oder einen Erbvertrag aufgesetzt haben, kann eine rechtliche Prüfung empfohlen werden, damit es nicht zu unerwünschten Folgen kommt, z. B. weil sich entgegen den Wünschen des Erblassers bei dessen Tod ein anderes internationales Nachlassgericht mit seinem Nachlass beschäftigt oder ein anderes als sein bevorzugtes Erbrecht zur Anwendung gebracht wird.

Schließlich kann auch deutschen Staatsangehörigen, die vorübergehend in einem anderen EU-Staat als Deutschland – z. B. in Italien – gewohnt und dort auch Immobilieneigentum erworben haben, empfohlen werden, ihre Vermögensnachlassplanung überprüfen zu lassen, wenn sie wieder nach Deutschland zurückkehren oder sich in der Schweiz niederlassen.

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