Fluggastrecht – zur Haftung von Airlines (A / B) wenn A den Flug auf B umbucht (der sich verspätet)

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Der nachfolgende Beitrag behandelt die Abwicklung eines Falles aus dem Bereich der Fluggastrechte (EG-Verordnung 261/2004).

Schwerpunkt

Zur Frage, welche Airline haftet, wenn der ursprüngliche Flug (Airline A) annulliert wird und der Ersatzflug (Airline B) sich dann um mehr als drei Stunden verspätet. 

Ausgangslage

Unsere Mandantschaft (ein Ehepaar) wollte mit der Airline A von Delhi (DEL) über Frankfurt (FRA) nach Dresden (DRS) fliegen. Dieser Flug ist wegen eines Mitarbeiterstreiks annulliert worden. Ein Streik kann ein außergewöhnlicher Umstand sein, der die Airline nach Art. 5 III FluggastrechteVO von Ausgleichsleistungen befreit. 

Airline A buchte unsere Mandantschaft sodann auf einen Flug der Airline B von Delhi (DEL) über Zürich (ZRH) nach Dresden (DRS) um. Airline A ist nach Art. 8 I b) FluggastrechteVO verpflichtet, bei einer Flugannullierung die Fluggäste so schnell wie möglich, zum letzten Ziel zu befördern. Dies notfalls auch mittels anderer Airlines. 

Airline B landete in Zürich (ZRH) mit einer Verspätung von 22 Minuten. Da allerdings die Umsteigezeit betreffend den Flug nach Dresden (DRS) gerade einmal 55 Minuten vorsah, hat unsere Mandantschaft es nicht geschafft, in den nun noch verbleibenden 35 Minuten zum Abfluggate zu eilen und hat den Anschlussflug verpasst. Im Ergebnis kam unsere Mandantschaft erst mit mehr als 13 Stunden Verspätung in Dresden an. 

Unsere Mandantschaft forderte sowohl die Airline A, als auch die Airline B auf, die € 600,00 pro Person wegen der Flugverspätung entsprechend der EU-Verordnung zu zahlen. 

Die Airline A verwies darauf, dass sie ja gar nicht geflogen und damit auch nicht „ausführenden Luftfahrtunternehmen“ im Sinne der FluggastrechteVO sei. Die Airline B meinte, die Klägerseite hätte in 35 Minuten den Anschlussflug noch bekommen können und sei lediglich zu langsam gewesen. 

Zur Recht?

Das Urteil

Nein, urteilte das Amtsgericht Dresden und verurteilte die Airlines – Airline A = Beklagte zu 2) und Airline B = Beklagte zu 1) – dazu, an unsere Mandantschaft gesamtschuldnerisch 2x € 600,00 an Ausgleichsleistungen zu zahlen. 

Das Gericht führte in ungewöhnlich deutlichen Worten aus:

„1. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 10.10.2017, Az: X ZR 73/16) kann nicht ernsthaft zweifelhaft sein, dass die Beklagte zu 2), die aufgrund von Irritationen eine Umbuchung moderiert hat, haftet. Verspätet sich der Zubringerflug und wird deshalb der Anschlussflug verpasst – so wie vorliegend unzweifelhaft aufgrund der Flugdaten – so begründet dies eine Haftung für den Zubringer. Wenn – wie vorliegend – zwischen zwei Flügen weniger als 60 Minuten – hier nach Plan 55 Minuten – nach Verspätung lediglich 35 Minuten liegen und es zu einer geringfügigen Verspätung kommt, aufgrund derer die Mindestumsteigezeit nicht mehr gewährleistet ist, hat dies mit einem Planungsdefizit zu tun, das zur Haftung führt. 

Das pauschale Bestreiten der Beklagten insoweit, ist angesichts des substantiierten Vortrages der Klägerseite, die durch die vorgelegte Korrespondenz unterlegt ist, nicht ausreichend. Daneben haftet auch die Beklagte zu 1). Dies hat der BGH in oben genanntem Urteil, wenn auch in einem Nebensatz, unmissverständlich ausgeführt. Die Ausgleichspflicht des einen Flug annullierenden Flugunternehmens besteht somit unabhängig davon, ob der Fluggast gegen das den angebotenen Ersatzflug ausführenden Verkehrsunternehmen Ausgleichsansprüche wegen Verspätung geltend machen könnte.“

(AG Dresden, Urteil vom 07.11.2018, Az.: 105 C 1927/18)

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Stellungnahme 

Eine schöne Entscheidung. Das Gericht stellt zunächst für die ursprüngliche Airline A heraus, dass diese nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 10.10.2017, Az.: X ZR 73/16) auch für Probleme bei der Ersatzbeförderung haftet. Dies selbst dann, wenn die Airline A die Ersatzbeförderung nicht selber durchführt. Zu Recht weist das Gericht bereits im Eingang der Urteilsbegründung darauf hin, dass dies eigentlich nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden kann. 

Weiter führt das Gericht dazu aus, dass zu gering kalkulierte Umsteigezeiten zwischen Zubringerflug und Anschlussflug keine außergewöhnlichen und unvermeidlichen Umstände darstellen. Vielmehr muss mit kleineren Verspätungen immer gerechnet werden. Wer also eine Umsteigezeit von weniger als 60 Minuten einplant, hat möglicherweise zu stark auf Kante kalkuliert/geplant. Dann aber geht der verpasste Anschlussflug zurück auf ein Planungs- bzw. Organisationsdefizit. 

Spannend ist allerdings nun, dass das Gericht nicht nur die ursprünglich fliegende Airline A, sondern auch die später tatsächlich geflogene Airline B zur Mithaftung gezogen hat. Damit hat das Amtsgericht Dresden als – soweit ersichtlich – erstes Amtsgericht Gericht in Deutschland die Rechtsprechung des BGH aufgegriffen und konkretisiert. 

Exkurs BGH-Urteil

Der BGH hatte nämlich am 10.10.2018 einen ähnlichen Fall zu entscheiden, Auch in diesem Fall hat eine europäische Airline einen Flug von Asien nach Deutschland annulliert und danach die Fluggäste auf einen Ersatzflug umgebucht, der von einer außereuropäischen Airline durchgeführt wurde und sich ebenfalls erheblich verspätet hat. 

Der BGH hat auch hier die ursprünglich fliegende EU-Airline zur Zahlung wegen der Flugverspätung der Nicht-EU-Airline verurteilt. Er musste aber die Frage, ob daneben auch die Nicht-EU-Airline in die Mithaftung genommen werden kann, nicht beantworten, weil die FluggastrechteVO nicht auf Nicht-EU-Airlines anwendbar ist, wenn diese lediglich in die EU hinein fliegen. 

Praxistipp

Flugreisende, deren Flüge nicht durchgeführt werden und die dann auf einen anderen Flug umgebucht werden, der seinerseits zu Ärger führt, sollten im Zweifel einfach beide Airlines anschreiben und nebeneinander zur Zahlung auffordern. 

Übrigens ist es so, dass man eigentlich für jeden geplanten und dann nicht/nicht pünktlich durchgeführten Flug jeweils eigene Ausgleichsansprüche geltend machen kann. Hier hat unsere Mandantschaft ja nur Geld für den Flug über Zürich verlangt (Flug von Airline B). 

Eigentlich hätte unsere Mandantschaft noch separat von Airline A weitere 2x € 600,00 verlangen können, weil Airline A ja den ursprünglichen Flug über Frankfurt vorher annulliert hat. Da es sich allerdings um eine streikbedingte Annullierung gehandelt hat, hat unsere Mandantschaft angenommen, dass es sich bei Streik der Mitarbeiter der Airline A um einen außergewöhnlichen Umstand handelte. 

Neuerdings wird diese Frage nach einem sehr erfrischenden verbraucherfreundlichen Urteil des EuGH (EuGH, Urteil vom 17.04.2018, Az.: C-195/17) wieder lebhaft diskutiert. Es erscheint nun gar nicht mehr sicher, dass ein Mitarbeiterstreik die Airline von Zahlungspflichten freizeichnet.

Kanzlei RAS 

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Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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