Freistellungswahl beim Betriebsrat: Teilfreistellung ohne Beschluss?

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Welche Betriebsratsmitglieder freigestellt werden, bestimmt der Betriebsrat nach einer Beratung mit dem Arbeitgeber durch ein Wahlverfahren. Das ist die sog. Freistellungswahl. Im Rahmen dieser Wahl besteht häufig Streit darüber, wie die gesetzliche Anzahl der möglichen Vollzeitfreistellungen zu verteilen ist — also z.B. ob und wie die Teilfreistellungen erfolgen sollen.

Nun hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu entscheiden, welche Voraussetzungen eine Freistellungswahl mit Teilfreistellungen erfüllen muss (BAG, Beschluss v. 21.03.2021, Az.: 7 ABR 6 /20).

Was ist die Teilfreistellung?

Nach § 38 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sind einzelne Betriebsräte abhängig von der Betriebsgröße vollständig von ihrer Arbeitsleistung freizustellen. Das Gesetz gibt zwei Möglichkeiten: Vollfreistellung und Teilfreistellung.

Vollfreistellung heißt, dass ein vollzeitbeschäftigtes Betriebsratsmitglied vollumfänglich von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt ist. Bei einer Teilfreistellung hingegen wird entweder ein Vollzeitbeschäftigter teilweise von der Arbeitsleistung freigestellt und erbringt den anderen Anteil weiterhin oder ein Teilzeitbeschäftigter wird in vollem Umfang von der Arbeitsleistung freigestellt.

Die Folge ist, dass eine Vollfreistellung in zwei oder mehr Teilzeitfreistellungen aufgeteilt werden kann. Und genau hier ist das Problem in der Praxis. Denn oft besteht Streit, welche Voraussetzungen für diese Aufteilung in Teilfreistellungen vorliegen müssen — insbesondere ob vor der Freistellungswahl ein extra Beschluss über die Aufteilung der Vollfreistellungen in Teilfreistellungen zu fassen ist oder nicht.

Genau darum ging es auch hier.  

Teilfreistellung ohne Beschluss darüber möglich?

Es ging es um die Frage der Wirksamkeit einer Freistellungswahl. Der Betriebsrat war gespalten: Zusammen mit dem Arbeitgeber vertrat ein Teil des Betriebsrats, darunter die in der Freistellungswahl gewählten Mitglieder, die Ansicht, die Wahl sei wirksam, der andere Teil des Betriebsrats hielt sie für unwirksam.

Nach § 38 Abs. 1 BetrVG war bei der Wahl über zwei Vollfreistellungen zu entscheiden. Bereits im Vorfeld stritten die Betriebsratsmitglieder über die Aufteilung zumindest einer Vollfreistellung in zwei Teilfreistellungen. Es kam aber zu keiner Einigung und auch zu keinem Beschluss darüber, ob und wie Teilfreistellungen bestimmt werden könnten.

Bei der Wahl kam es zu folgendem Ergebnis: Eine Vollfreistellung für ein Betriebsratsmitglied und eine Vollfreistellung für zwei Betriebsratsmitglieder, die sich die Freistellung als Teilfreistellungen teilen.      

Das hielten einige Betriebsratsmitglieder für unwirksam, da ihrer Ansicht nach vor einer Freistellungswahl ein Beschluss ergehen muss, der bestimmt, ob und wie die Vollfreistellungen in Teilfreistellungen aufzuteilen sind. Das BAG folgte dieser Ansicht nicht.

Teilfreistellungsbeschluss nicht notwendig

Nach dem BAG ist ein Beschluss über Teilfreistellungen keine Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Freistellungswahl. Werden bei der Freistellungswahl Teilfreistellungen gewählt, ist dafür kein vorhergehender Beschluss erforderlich. Ein solches Erfordernis folgt weder aus dem Gesetzestext noch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift. In § 38 Abs. 1 S. 3 BetrVG steht ausdrücklich, dass Freistellungen auch in Form von Teilfreistellungen erfolgen können. Ein Beschluss ist nicht gefordert. Hätte der Gesetzgeber das gewollt, hätte er die Vorschrift dementsprechend formuliert.

Auch die Bestimmung in § 38 Abs. 2 BetrVG spricht gegen ein Beschlusserfordernis. Danach werden die freizustellenden Betriebsratsmitglieder nach Beratung mit dem Arbeitgeber aus der Mitte des Betriebsrats in geheimer Wahl und nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt. Bestünde ein Beschlusserfordernis für Teilfreistellungen vor der Wahl, könnte das im Einzelfall sogar eine echte Wahl vereiteln und einige Betriebsratsmitglieder von vornherein von der Freistellungsmöglichkeit ausschließen. So z.B., wenn vor der Freistellungswahl ein Beschluss ergeht, der Teilfreistellungen nicht zulässt: Teilzeitbeschäftigte Betriebsratsmitglieder, für die nur Teilfreistellungen in Betracht kommen, könnten sich dann nie für die Freistellungswahl aufstellen lassen.

Fazit

Die Wahl von Betriebsratsmitgliedern für Teilfreistellungen ist auch ohne einen extra Beschluss möglich. Ein gesonderter Beschluss über das Ob und Wie von Teilfreistellungen ist nicht notwendig und widerspricht sogar dem Sinn und Zweck der Freistellungswahl.

Sind Sie Betriebsratsmitglied und halten die Freistellungswahl für unwirksam? Haben Sie Fragen zur Teilfreistellung? Sie erreichen mich telefonisch unter 08215 / 08 526 60, über das anwalt.de-Kontaktformular oder per E-Mail an kanzlei@schleifer-arbeitsrecht.de.


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