Gericht hält "Corona-Sperrstunde" für Gastronomie für rechtswidrig

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Gericht entscheidet im Eilverfahren gegen die durch SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung verordnete Gastronomie-Sperrstunde

Die 14. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin hat mit Entscheidung vom 15.10.2020 im Wege einstweiliger Anordnung festgestellt, dass die in § 7 Abs. 4 der SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung – SARS-CoV-2-IfSV – (vom 23. Juni 2020, GVBl. 562, in der Fassung vom 6. Oktober 2020, GVBl. 762) verordnete Schließung von Gaststätten in der Zeit von 23 Uhr bis 6 Uhr des Folgetages (im Folgenden: Sperrstunde) vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache keine Anwendung findet.

Drei Gastronomen hatten gegen das Land Berlin gegen die in § 7 Abs. 4 SARS-CoV-2-IfSV verordnete Sperrstunde geklagt und obsiegt.

Sperrstunde erweist sich im Ergebnis als rechtswidrig

Das Gericht kam im Rahmen der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung zu dem Ergebnis, dass mit einer hohen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass sich die angegriffene Sperrstunde im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen wird.

Zwar würden nach aktuellen Erkenntnissen des Robert Koch-Instituts (RKI) im Landesgebiet unzweifelhaft fortwährend Kranke, Krankheitsverdächtige Ausscheider und Ansteckungsverdächtige im Hinblick auf das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 festgestellt.

Dennoch erweise sich die Anordnung der Sperrstunde als unverhältnismäßige und damit nicht als notwendige Schutzmaßnahme.

Die angeordnete Sperrstunde verfolge zwar – zusammen mit anderen in der SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung normierten Maßnahmen und Vorgaben – das legitime Ziel, Neuinfektionen soweit als möglich vorzubeugen und damit gleichzeitig auch die Ausbreitungsgeschwindigkeit der übertragbaren Krankheit COVID-19 innerhalb der Bevölkerung zu verringern.

Nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts Berlin ist die Sperrstunde jedoch nur möglicherweise geeignet, dieses Ziel zu erreichen bzw. zu fördern. Jedenfalls aber sei nicht ersichtlich, dass die Sperrstunde für eine nennenswerte Bekämpfung des Infektionsgeschehens erforderlich wäre.

Sperrstunde neben Hygienekonzept und Alkoholausschankverbot nicht erforderlich

Es sei nicht zu erkennen, dass Gaststätten unter den bislang geltenden Schutz- und Hygienemaßnahmen einen derart wesentlichen Anteil am Infektionsgeschehen gehabt haben, dass wegen der nunmehr zu verzeichnenden Neuinfektionen eine Sperrstunde als weitere Maßnahme erforderlich wäre.

Zudem hätte das Land Berlin bereits mildere Mittel in Form von Schutz- und Hygienemaßnahmen und nunmehr auch eines Alkoholausschankverbots ergriffen, die dem Gericht für die Bekämpfung des von Gaststätten ausgehenden Infektionsrisikos als in gleicher Weise geeignet erscheinen.

Gaststätten sind kein relevantes Infektionsumfeld

Nach den durch das RKI aufbereiteten Daten spiele das Infektionsumfeld „Gaststätte“ gegenüber anderen Infektionsumfeldern wie dem privaten Haushalt, Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern und dem Arbeitsplatz ersichtlich eine untergeordnete Rolle.

Selbst wenn die Sperrstunde als erforderliche Maßnahme anzusehen sein sollte, so wäre sie jedenfalls unverhältnismäßig im engeren Sinne, weil sich der Eingriff in die Berufsfreiheit der Gastronomen aus Artikel 12 Abs. 1 GG auf der Stufe der Berufsausübungsfreiheit als unangemessen und damit als nicht gerechtfertigt darstellt, so die 14. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin (Beschl. v. 15.10.2020, Az.: 14 L 422/20).


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