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Gesetzesänderungen im August 2015: Erben ohne Grenzen, neue Düsseldorfer Tabelle und mehr

  • 7 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Die entscheidendste Änderung im August betrifft diesmal das Erbrecht. Ab Monatsmitte sollen einheitlichere Regeln das Erben und Vererben auf europäischer Ebene vereinfachen. Aktualisiert wird im August auch die Düsseldorfer Tabelle. Obwohl kein Gesetz und damit keine Gesetzesänderung, hat die Anpassung der Düsseldorfer Tabelle dennoch besondere Bedeutung für die Höhe des Kindesunterhalts. Außerdem steigt das Kindergeld. Auch im Friseurhandwerk gilt ab August der gesetzliche Mindestlohn. Für die energetische Sanierung von Wohngebäuden gibt es mehr KfW-Förderung. Verringert werden soll dagegen die BAföG-Lücke zwischen Bachelor- und Masterstudium. Und nicht zuletzt gilt ab August auch in Teilen Bayerns die Mietpreisbremse.

Erbrechtsverordnung soll Erbschaften in der EU vereinfachen

Ab 17.08. gilt für das Vererben in fast allen EU-Staaten die Europäische Erbrechtsverordnung (Verordnung EU Nr. 650/2012, EU-ErbVO). Vorerst noch nicht dabei sind die EU-Länder Dänemark, das Vereinigte Königreich und Irland. Allerdings gilt die Neuregelung aufgrund von Abkommen auch im Verhältnis zum Nicht-EU-Land Schweiz. In Deutschland richtet sich die Durchführung der neuen Bestimmungen nach dem am 17.08. in Kraft tretenden Internationalen Erbrechtsverfahrensgesetz (IntErbRVG).

Die Verordnung soll grenzüberschreitende Erbfälle vereinfachen. Dazu führt sie ein Europäisches Nachlasszeugnis ein. Außerdem bestimmt sie für alle Länder das grundsätzlich geltende Erbrecht, wenn jemand im Ausland lebt und verstirbt. Je nach Land galten bislang verschiedene Regeln. Das machte es unnötig schwer, eine Erbschaft zu regeln. Dabei ist das Arbeiten im Ausland, eine dort geführte Beziehung oder das Verbringen des Lebensabends in der Ferne schon längst keine Seltenheit mehr.

Staatsangehörigkeit vielerorts maßgeblich

Für alle noch vor dem 17.08. eintretende Todesfälle gilt in vielen Ländern wie Spanien, Portugal, Italien, Österreich und auch Deutschland: Das anzuwendende Erbrecht richtet sich nach der Staatsangehörigkeit des Verstorbenen. Problematisch an diesem Staatsangehörigkeitsprinzip ist, dass auch die für solche Fälle zuständigen inländischen Gerichte ausländisches Recht anwenden müssen.

Derselbe Erbfall, verschiedenes Erbrecht

Noch problematischer wird es, wenn auf einzelne Nachlassgegenstände verschiedenes Erbrecht anzuwenden ist, wie beispielsweise in Frankreich oder Belgien. Verstirbt z. B. ein in Frankreich lebender Deutscher, müssen französische Gerichte auch dort deutsches Erbrecht anwenden – allerdings nur auf das in Deutschland befindliche Vermögen. Ein Eigenheim in Frankreich vererbt sich dagegen, wie etwa auch die Ferienwohnung in der Bretagne, nach französischem Erbrecht. In ein- und demselben Erbfall gilt dadurch verschiedenes Erbrecht. Solche Nachlassspaltungen sollen, wie die bereits komplizierte Anwendung ausländischen Rechts durch einheimische Gerichte, der Vergangenheit angehören.

Grundsätzlich entscheidet gewöhnlicher Aufenthalt

Vereinheitlichend führt die Europäische Erbrechtsverordnung dabei das Wohnsitzprinzip ein. Für alle Todesfälle ab dem 17.08. richtet sich das anzuwendende Erbrecht in der EU nach dem gewöhnlichen Aufenthalt – also bei einer besonders engen und festen Beziehung zu dem Land, in dem jemand verstirbt. Im Fall des in Frankreich lebenden Deutschen kommt dann grundsätzlich französisches Erbrecht zur Anwendung. Entsprechend gilt auch für ausländische Bewohner mit Wohnsitz in Spanien, spanisches Erbrecht. Für jene, die zum Todeszeitpunkt an der Algarve lebten, ist portugiesisches Erbrecht maßgeblich und auf den gewöhnlichen Aufenthalt in der Toskana bezogen, italienisches Erbrecht.

Nur Erbfolge von Todes wegen betroffen

Die Anwendung des jeweiligen nationalen Erbrechts betrifft nur die Erbfolge von Todes wegen und damit unter anderem auch Fragen des Pflichtteils, der Erbschaftsannahme und -ausschlagung. Nicht von der Anwendung betroffen sind dagegen die Regelung vorweggenommener Erbfolge, der Bereich der Erbschaftsteuer und gesellschaftsrechtliche Fragen.

Testament im Ausland möglicherweise unwirksam

Diese grundsätzliche Festlegung auf das Erbrecht eines anderen Landes kann dazu führen, dass die Gerichte vor Ort ein nach deutschem Recht errichtetes Testament nicht anerkennen. Das gilt beispielsweise für ein Berliner Testament. Die damit bezweckte Bindung des jeweils überlebenden Ehegatten an den Inhalt könnte vor ausländischen Gerichten ihre Wirkung verlieren.

Wahl anderen Erbrechts durch Erblasser möglich

Wer das vermeiden will, sollte daher auch ohne konkrete Wegzugspläne die mögliche Rechtswahl bedenken. Denn jeder Erblasser kann der automatischen Geltung ausländischen Erbrechts entgehen, wenn er zu Lebzeiten ein anderes Erbrecht gewählt hat. Das ist hierzulande möglich mittels einer Verfügung von Todes wegen – also in einem Testament oder Erbvertrag. Darin kann die vererbende Person festlegen, dass in jedem Fall deutsches Erbrecht gelten soll – dann allerdings nur für den gesamten Nachlass und nicht etwa nur für im Vermögen vorhandene Immobilien. Außerdem setzt die Wahl eine entsprechende Staatsangehörigkeit voraus. Den Erben selbst ist dagegen weder vor noch nach Eintritt des Erbfalls eine solche Rechtswahl möglich. Wer länger im Ausland lebt, sollte sich aber um sein Erbe Gedanken machen und sich am besten zu den Vor- und Nachteilen des jeweils einschlägigen Erbrechts beraten lassen.

Europäisches Nachlasszeugnis vereinheitlicht Erbnachweis

Eine weitere wesentliche Neuerung ist ein Europäisches Nachlasszeugnis. Dieses soll länderübergreifend vor allem den Nachweis der Erbenstellung im Rechtsverkehr erleichtern. Auch hier kochte jedes Land bisher sein eigenes Süppchen. Eine gegenseitige Anerkennung der Nachweise fehlte jedoch. Der Zugriff auf ausländische Bankguthaben oder die Übereignung dortiger Immobilien soll sich mit dem Nachlasszeugnis leichter gestalten. Insbesondere sollen zeitraubende und teure Anträge auf Erbscheine in allen Ländern, in denen der Erblasser Vermögen hinterlassen hat, passé sein.

Neue Düsseldorfer Tabelle 2015

Ab August gelten eine aktualisierte Düsseldorfer Tabelle und unterhaltsrechtliche Leitlinien. Die vom Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf herausgegebenen Richtlinien dienen zahlreichen weiteren Gerichten zur Bemessung des zu zahlenden Kindesunterhalts. Der jeweilige Barunterhalt steigt dabei auf Grundlage des 2015 um 144 Euro auf 4512 Euro erhöhten Kinderfreibetrags. Dadurch erhöht sich der Mindestunterhalt für ein Kind im Alter bis sechs Jahre von monatlich 317 Euro auf 328 Euro. In der folgenden Altersstufe bis zwölf Jahre sind ab August mindestens 376 Euro zu zahlen (Anstieg um 12 Euro). Für Kinder ab zwölf Jahre bis zur Volljährigkeit sind es fortan 440 Euro (Anstieg um 14 Euro). Für volljährige Kinder steigt der Bedarfssatz auf 504 Euro (Anstieg um 26 Euro). Die nächste Aktualisierung der Düsseldorfer Tabelle erfolgt vermutlich Anfang 2016, wenn der Kinderfreibetrag auf 4608 Euro steigt.

Rückwirkend vier Euro mehr Kindergeld

Nicht erst ab August, sondern rückwirkend zum Jahresanfang steigt das Kindergeld um je vier Euro pro Kind – und das ausgehend vom Januar 2015. Für das erste und das zweite Kind gibt es dann je 188 Euro im Monat. Für das dritte Kind erhalten Eltern künftig 194 Euro und das ab dem vierten Kind gezahlte Kindergeld beträgt fortan 219 Euro pro Kind. Bei der regelmäßig hälftigen Anrechnung des Kindergeldes auf die Bedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle ist allerdings für 2015 noch von den bisherigen Beträgen auszugehen. Ab Anfang 2016 erhöht sich das Kindergeld nochmals um zwei Euro pro Kind.

8,50 Euro Mindestlohn auch für Friseure

Auch im Friseurhandwerk mit schätzungsweise 260.000 Beschäftigten gilt ab August bundesweit ein Mindestlohn von 8,50 Euro brutto pro Stunde. Zuvor ließ ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag Abweichungen auf Grundlage von § 24 Mindestlohngesetz zu. Diese fehlt jedoch ab August, da die die Allgemeinverbindlichkeit erklärende Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen im Friseurhandwerk am 31.07.2015 außer Kraft tritt.

Energetische Sanierung besser gefördert

Ab August fördert die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) die energetische Sanierung weiterer Gebäude zu einem sogenannten KfW-Effizienzhaus mit dem Programm „Energieeffizient Sanieren“. Dazu zu einem jährlichen Effektivzins von maximal 0,75 Prozent vergebene KfW-Darlehen gibt es nun bis zu 100.000 Euro pro Wohneinheit (bisher waren es maximal 75.000 Euro). Für die Umstellung von Heizungsanlagen auf erneuerbare Energien gibt es einen sogenannten Ergänzungskredit von bis zu 50.000 Euro je Wohneinheit bei einem effektiven Jahreszins von 1,61 Prozent. Wer keinen Kredit aufnehmen möchte, kann stattdessen einen Investitionszuschuss von bis zu 30.000 Euro pro Wohneinheit erhalten (bisher maximal 18.750 Euro). Davon profitieren können nun bereits all jene, die ein Wohngebäude mit Bauantrag oder Bauanzeige vor dem 01.02.2002 sanieren wollen. Bislang war das nur für Wohngebäude mit Bauantrag bzw. Bauanzeige vor dem Jahr 1995 möglich.

Kleinere BAföG-Lücke zwischen Bachelor und Master

Studenten, die im Anschluss an einen Bachelor-Abschluss ein Master-Studium begannen, bekamen ein BAföG-Problem. Denn oft entstand beim Übergang eine Lücke bei der Ausbildungsförderung. Grund: Die BAföG-Zahlung endet bei einer Hochschulausbildung im Monat des letzten Prüfungsteils – und nicht erst mit dem Bestehen, dem Semesterende oder der Zeugnisvergabe. Bei einem sich anschließenden Master-Studium fließt das BAföG erst wieder mit der endgültig erlangten Zulassung. Die bereits mit Bestehensnachweis des Bachelors mögliche vorläufige Zulassung genügte dafür bislang nicht. Das ist ab August anders. Statt endgültiger genügt die vorläufige Zulassung zum Master-Studiengang und soll so die Finanzierungslücke schließen. Zu der bereits beschlossenen BAföG-Erhöhung um sieben Prozent kommt es allerdings erst ab 2016.

Bayerische Mietpreisbremse nicht nur in München

Die bayerische Landeshauptstadt ist als teures Pflaster bekannt. Der Wohnungsmarkt in und rund um München ist berüchtigt für hohe und stetig steigende Mieten. Mit fortlaufenden Mieterhöhungen ist im Großraum München ab August erst mal Schluss. Die bayerische Staatsregierung hat eine Mietpreisbremse für 144 Städte beschlossen, 127 davon liegen in Oberbayern. Neben München finden sich außerhalb dieses Regierungsbezirks auch Städte wie Nürnberg, Augsburg, Erlangen und Würzburg.

(GUE)

Foto(s): ©Fotolia/contrastwerkstatt

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