Gibt es einen Abwehranspruch gegen Mehrfamilienhäuser?

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In Städten prägen Mehrfamilienhäuser schon seit jeher das Stadtbild. Nunmehr nimmt ihre Häufigkeit aber auch in weniger urbanen Wohngebieten zu, in denen bisher überwiegend freistehende Einfamilienhäuser mit ein bis zwei Vollgeschossen vorhanden waren.

Das ist nicht verwunderlich. Aufgrund gestiegener Grundstückspreise und dem Mangel an Baugrundstücken bei einem zunehmenden Bedarf an Wohnraum wächst das Bedürfnis, dass die Wohnnutzung "verdichtet" bzw. intensiviert wird. Nicht zuletzt auch aus Umweltschutzgründen ist es politisch gewollt, dass zunehmend Mehrfamilienhäuser anstatt Einfamilienhäuser errichtet werden. 

Obwohl Mehrfamilienhäuser somit bei objektiver Betrachtung viele Vorteile gegenüber Einfamilienhäusern haben, erregen sie regelmäßig den Unmut der Nachbarn. Viele Grundstückseigentümer, die in Wohngebieten leben, die durch Einfamilienhäuser geprägt sind, haben Vorbehalte gegen Mehrfamilienhäuser in der Nachbarschaft. Denn dann erscheint ein neu errichtetes Mehrfamilienhaus wie ein Fremdkörper.

Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sich die Rechtsprechung regelmäßig mit der öffentlich-baurechtlichen Zulässigkeit von Mehrfamilienhäusern in Wohngebieten auseinandersetzen muss, die durch eine Einfamilienhausbebauung geprägt sind. Zu klären ist dann regelmäßig die Rechtsfrage, ob die Nachbarn einen Gebietserhaltungsanspruch haben, der Mehrfamilienhäuser ausschließt.

Grundsatz: Kein Abwehrrecht

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) musste sich bereits mehrfach mit dieser Frage befassen. 

In seinem Beschluss vom 02.11.2021 entschied es, dass Nachbarn grundsätzlich keinen Abwehranspruch gegen die Errichtung eines Mehrfamilienhauses haben, selbst wenn die bisherige Bebauung in der Umgebung durch Einfamilienhäuser geprägt ist.

In dem Fall, den das OVG NRW zu entscheiden hatte, lag ein Bebauungsplan vor, der Festsetzungen zu der maximal zulässigen Anzahl von Vollgeschossen und zur Geschossflächenzahl (GFZ) enthielt. Diese Festsetzungen hätte die Errichtung eines Mehrfamilienhauses ausgeschlossen. Aus diesem Grund erteilte die Bauaufsichtsbehörde im Baugenehmigungsverfahren eine Befreiung von den Festsetzungen. Hiergegen richtete sich die Klage.

Nach Auffassung des OVG NRW sind Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, wie beispielsweise Festsetzungen zur Anzahl der Vollgeschosse oder zur GRZ, grundsätzlich nicht drittschützend. Ein Dritter kann sich also nicht darauf berufen, durch ein Bauvorhaben in seinem geschützten Recht verletzt zu sein. Weder im Bebauungsplan, noch in dessen Begründung habe es konkreten Anzeichen dafür gegeben, dass der Satzungsgeber ausnahmsweise einen Drittschutz für diese Festsetzungen gewollt habe.

Aus dieser Begründung folgt:

Grundsätzlich lassen sich Mehrfamilienhäuser in einem Gebiet mit einer Einfamilienhausbebauung nicht abwehren.

Es gibt aber Ausnahmen

Von dieser Regel gibt es aber in manchen Einzelfällen Ausnahmen: Aus dem Bebauungsplan oder aus dessen Begründung kann folgen, dass die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung drittschützend sein sollen. In diesem Fall wäre auch eine Klage gegen ein Mehrfamilienhaus erfolgreich.

Außerdem können Mehrfamilienhäuser gegen weitere drittschützende Normen verstoßen, die zu Abwehrrechten führen. Beispielsweise können unter engen Voraussetzen unzumutbare Beeinträchtigungen verursacht werden. Auch sind bei intensiven Bebauungen Abstandsflächenverstöße nicht ausgeschlossen.

Ob entsprechende Verstöße vorliegen, muss laut der Rechtsprechung in jedem Einzelfall geprüft werden, da es hier nach der bisherigen Rechtsprechung keine pauschalen Regeln gibt.



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