Hilfe, meine Miterben sind unbekannt!

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In der Praxis gibt es regelmäßig Immobilien, die mehreren ineinander verzweigten Erbengemeinschaften gehören. Dabei geht es oft um alte, leerstehende Hausgrundstücke oder Ackerflächen.

Teilweise ist der Aufenthalt von Miterben nicht mehr bekannt oder Miterben sind verstorben und deren Erbfolge nicht geklärt. Das kommt besonders häufig bei verpachteten (Acker-)Flächen vor, da die Erben die Kosten der Grundbuchumschreibung scheuen und dies für die weitere Verpachtung nicht notwendig war.

Das wird meist dann problematisch, wenn die Gemeinde die Grundsteuern festsetzt oder zum Winterdienst auffordert. Muss ein einzelner Miterbe diese dann trotzdem in voller Höhe bezahlen? Was tun?

1. Grundsatz: Erbenhaftung

Grundsätzlich gilt: Erben haften für die schon bestehenden und noch anfallenden Verbindlichkeiten. Der Gläubiger – hier die Gemeinde – kann entscheiden, ob sie die Erbengemeinschaft insgesamt verklagt oder einen oder mehrere Miterben.

Aber: Solange der Nachlass noch ungeteilt ist (also die Erbengemeinschaft nicht durch Vereinbarung oder Teilungsversteigerung aufgelöst wurde), kann sich jeder Miterbe darauf berufen, dass er nur beschränkt mit seinem Anteil am Nachlass haftet – nicht aber mit seinem eigenen Vermögen. Dieser Einwand muss im gerichtlichen Verfahren vorbehalten werden, damit der Gläubiger nicht in das Eigenvermögen des Miterben vollstrecken kann. Der Gläubiger kann dann nur in das Nachlassvermögen vollstrecken.

Der Einwand der beschränkten Erbenhaftung hat aber einen Nachteil: Sie müssen als Miterbe ein oder mehrere Gerichtsverfahren erdulden, es entstehen häufig Anwalts- und Gerichtskosten. Dies übt hohen Druck auf erbrechtliche bzw. juristischen Laien aus. Zugriff auf ihr Erbe erhalten Sie dabei weiterhin nicht.

2. Welche Optionen haben Sie als Miterbe noch?

a) Ausschlagung?

Da die Ausschlagung nach § 1944 BGB nur innerhalb von 6 Wochen ab dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von seinem Erbe Kenntnis erlangt, möglich ist, ist eine nachträgliche Ausschlagung in solchen Fällen in aller Regel nicht mehr möglich. Weitere Informationen zur Ausschlagung finden Sie hier.

b) Anfechtung der Annahme der Erbschaft 

Im Einzelfall kann die Annahme der Erbschaft angefochten und damit doch nachträglich ausgeschlagen werden, wenn der Erbe bei Annahme der Erbschaft einem relevanten Irrtum unterlag (er z.B. die Erbschaft nur „aus Versehen“ angenommen hat) Ein solcher Irrtum liegt in der Praxis jedoch selten vor.

Selbst wenn die Voraussetzungen einer Anfechtung vorliegen würden, so haben die Anfechtung der Erbschaftsannahme bzw. die Ausschlagung den Nachteil, dass der Erbe die Erbschaft insgesamt verliert. Eine teilweise Ausschlagung ist nicht möglich.

c) Verkauf der Immobilie

Eine Nachlassimmobilie kann jederzeit durch die Erbengemeinschaft verkauft werden. Für einen freihändigen Verkauf ist jedoch die Mitwirkung aller Miterben notwendig. Diese müssten also aufwendig ermittelt und kontaktiert werden. Dabei ist völlig offen, ob sie an einem Verkauf mitwirken werden.

Bei mehreren unbekannten oder unbekannt verzogenen Erben ist dieses Vorgehen daher sehr aufwendig und dauert häufig lange.

d) Teilungsversteigerung

Grundsätzlich kann jeder Miterbe jederzeit die Teilungsversteigerung der Nachlassimmobilie(n) verlangen. Dies ist auch gegen den Willen einzelner Miterben möglich.

Aber: Damit das Vollstreckungsgericht die Teilungsversteigerung durchführt, müssen alle Miterben mit ladungsfähiger Anschrift angegeben und deren Erbfolge nachgewiesen werden. Das aber ist bei unbekannten Miterben nicht möglich.

e) Nachlasspfleger

Nach § 1960 BGB hat das Nachlassgericht einen Nachlasspfleger zu bestellen, wenn der Erbe unbekannt ist. Diese hat dann nicht nur die Aufgabe, die Erben zu ermitteln, sondern kann auch für die unbekannten Erben agieren und z.B. im Rahmen eines Teilungsversteigerungsantrages angegeben werden. Im Einzelfall kann eine Nachlassimmobilie auch unter Mitwirkung des Nachlasspflegers verkauft werden.

Achtung: In der Regel wird ein Nachlasspfleger durch das zuständige Nachlassgericht (letzter Wohnsitz des Erblassers) nur bestellt, wenn die Erben unbekannt sind. Ist nur einer von mehreren Erben unbekannt, ist dies – je nach Nachlassgericht – häufig keine Option.

Steht eine Immobilie im Eigentum verschiedener, ggf. verschachtelter Erbengemeinschaften, so ist zudem für jeden Erblasser ein gesonderter Nachlasspfleger – ggf. bei verschiedenen Nachlassgerichten – zu bestellen.

Ein Nachlasspfleger ist also insbesondere dann eine gute Option, wenn einer von mehreren bekannten Miterben verstorben ist, nun aber nicht bekannt ist, wer dessen Erbe geworden ist.

f) Abwesenheitspfleger

Ist nur der Aufenthalt einzelner Miterben unbekannt, ist grundsätzlich die Bestellung eines Abwesenheitspflegers denkbar. Diese nimmt das zuständige Gericht jedoch nur vor, wenn die Bestellung im Interesse des Abwesenden ist. Zum Zweck des Verkaufs einer Immobilie wird dies von den Gerichten häufig abgelehnt, da der Verkauf – nach Auffassung des Gerichts – nicht im Interesse des Abwesenden sei.

g) Verkauf des Erbteils

Jeder Miterbe kann grundsätzlich seinen Erbteil verkaufen. Ein solcher Erbteilskauf ist notariell zu beurkunden. Finden Sie daher einen anderen Miterben oder einen professionellen Erbteilskäufer, der bereit ist, Ihren Erbteil zu übernehmen, so kann dies eine Möglichkeit sein, Ihren Erbteil zu verwerten.

h) Nachlassinsolvenz

Kommt keine der oben genannten Optionen in Betracht und beruht die Erbengemeinschaft bzw. beruhen die Erbengemeinschaften auf einem „Ursprungserblasser“, so kann auch die Beantragung eines Nachlassinsolvenzverfahrens denkbar sein.

Voraussetzung ist, dass ein Eröffnungsgrund vorliegt: Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung oder drohende Zahlungsunfähigkeit. Meistens liegt Zahlungsunfähigkeit vor, da sich im Nachlass nur die Immobilie, aber kein liquides oder anders verwertbares Vermögen mehr befindet.

Sie brauchen Hilfe?

Sie befinden sich in einer Erbengemeinschaft gemeinsam mit unbekannten Erben? Sie möchten eingehende Rechnungen für die Nachlassimmobilie nicht mehr alleine begleichen müssen?

Gerne unterstütze ich Sie! Gemeinsam klären wir, welche Optionen in Ihrer Situation möglich sind und helfen Ihnen bei der Durchführung. Bei Bedarf vereinbaren Sie gerne einen Beratungstermin mit mir unter 0351 / 65 88 77 0, über unser Kontaktformular oder info@ra-lauck.de.


Foto(s): ©Pexels/Karolina Grabowska

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