Keine Pflicht zur Vorlage der Reparaturrechnung bei fiktiver Schadenabrechnung

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Wird ein Unfallschaden fiktiv abgerechnet, besteht gegenüber der gegnerischen Haft­pflicht­versicherung keine Pflicht zur Vorlage der Reparaturrechnung. Diese Pflicht besteht nur, wenn neben den Netto­reparatur­kosten ebenfalls die auf die Reparaturkosten angefallene Mehrwertsteuer geltend gemacht wird.

AG Düsseldorf, Urteil vom 29.10.2020– 40 C 134/20

 

Sachverhalt

Das Fahrzeug des Klägers, ein VW Golf Cabrio Baujahr 1988,  wurde im Rahmen eines Verkehrsunfalls am 16.07.2019 beschädigt. Der von Kläger ausgewählte Sachverständige bezifferte die Reparaturkosten auf brutto 9.228,57 Euro (netto 7.755,10 Euro). Der Widerbeschaffungswert wurde im Gutachten mit 9.100,00 Euro geschätzt. Als Restwert wurde ein Betrag von 1.500,00 Euro ermittelt. Für das Gutachten entstanden Kosten in Höhe von 1.131,10 Euro.

Die beklagte Versicherung ließ das vorgelegte Gutachten durch die DEKRA überprüfen. Der DEKRA-Gutachter ermittelte die gleichen Reparaturkosten, bezifferte den Wiederbeschaffungswert jedoch nur auf 7.500,00 Euro. Darüber hinaus legte Sie ein Restwertangebot in Höhe von 2.000,00 Euro vor.

Die Beklagte rechnete zunächst auf Totalschadenbasis ab und zahlte den von ihr errechneten Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) in Höhe von 5.500,00 Euro. Die Sachverständigenkosten kürzte die Beklagte mit Verweis auf das von ihr verwandte Tableau um 159,10 Euro.

Der Kläger ließ das Fahrzeug in reparieren und beauftragte die DEKRA mit der Erstellung einer Reparaturbestätigung. Die DEKRA attestierte dem Kläger: „Das Fahrzeug war zum Besichtigungszeitpunkt soweit ohne Demontagearbeiten erkennbar sach- und fachgerecht instandgesetzt“.

Der Kläger machte sechs Monate nach dem Schadenereignis im Rahmen einer fiktiven Abrechnung auf Gutachtenbasis die Differenz zwischen den bereits gezahlten 5.500,00 Euro und dem Netto-Schadenbetrag von 7.755,10 Euro, somit einen Betrag von 2.255,10 Euro geltend. Darüber hinaus forderte er die noch offenen Sachverständigenkosten in Höhe von 159,10 Euro.

Der Kläger berief sich in seiner Begründung darauf, dass der Schaden innerhalb der 130% Grenze liege, das Fahrzeug nach dem Gutachten sach- und fachgerecht instandgesetzt worden sei und weitere 6 Monate genutzt worden wäre. Es seien somit die vom BGH im Rahmen der 4-Stufen-Theorie entwickelten Voraussetzung erfüllt (vgl. BGH, NJW 2008, 439).

Die Beklagte wandte ein, dass Fahrzeug müsse vollständig und fachgerecht repariert werden, um auf Reparaturkostenbasis den Schaden abrechnen zu können. Hierfür müsse der Kläger eine Reparaturkostenrechnung vorlegen.

Im Übrigen seien die Sachverständigenkosten überhöht.

Entscheidung

Das Amtsgericht Düsseldorf sprach die Klage zu.

Der Kläger sei berechtigt auf Gutachtenbasis fiktiv abzurechnen. Die Reparaturkosten lägen unstreitig vom im Streit befindlichen Wiederbeschaffungswert zwar über 100 %, aber auch unter 130 % des Wiederbeschaffungswerts, so dass eine Abrechnung auf Reparaturkostenbasis erfolgen könne.

Entgegen der Auffassung der Beklagten sei ein Nachweis der vollständigen Reparatur nach den Vorgaben des Sachverständigengutachtens und insbesondere die Vorlage einer Reparaturkostenrechnung nicht erforderlich.

Der Unfallgeschädigte könne auch ohne eine fachgerechte Reparatur fiktiv auf Gutachtenbasis abrechnen, wenn er das Fahrzeug, gegebenenfalls nach Versetzung in einen verkehrssicheren Zustand für mindestens sechs Monate weiter nutzt. Aus der vorgelegten Reparaturbestätigung der DEKRA ergäbe sich, dass das Fahrzeug sach- und fachgerecht instandgesetzt wurde. Da sich aus dem Gutachten ergäbe, dass für eine Reparatur keine „versteckten“, von außen nicht sichtbaren Teile wie etwa Lenkung, Achse oder ähnliches benötigt wurden, sondern im wesentlichen Abschlussbleche, Stoßfänger und Leuchten, sei das Gericht davon überzeugt, dass das Fahrzeug verkehrssicher repariert worden sei.

Der Kläger rechne fiktiv ab, weswegen auch keine Rechnung vorgelegt werden müsse.

Auch die Sachverständigenkosten seien in voller Höhe zu erstatten. Zwar sei der Geschädigte im Rahmen des ihm zumutbaren verpflichtet, nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot einen wirtschaftlichen Weg zur Schadensbehebung zu wählen. Allerdings sei bei der Beurteilung, auch Rücksicht auf die Erkenntnisse und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten zu nehmen. Er sei daher nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markte verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen zu finden. Das von der Beklagte verwendete Tableau für die Berechnung von Sachverständigenkosten sei von ihr selbst erstellt und nicht relevant. Zudem weiche der geltend gemachte Betrag nur geringfügig von dem von der Beklagten angenommenen Betrag ab.

Praxishinweis

Es entspricht dem Wesen der fiktiven Abrechnung, dass keine Reparaturrechnung vorgelegt werden muss. Dies bestätigt das Urteil des AG Düsseldorf auch für den Fall des reparierten und fiktiv abgerechneten Totalschadens.

Es wird zudem immer häufiger Praxis der Versicherer an allen ihr möglichen Stellen Schadenspositionen zu kürzen. Dabei werden auch die Sachverständigenkosten immer wieder Gegenstand der Kürzung mit Verweis auf eigen erstellte Tableaus. Auch hier lohnt es sich, sich für den Sachverständigen stark zu machen bzw. den Mandanten vor unnötigen Kosten zu schützen.

Foto(s): SV Büro Amawi

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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