Landgericht Hannover verneint Schadensersatz wegen Reaktorstilllegung

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Das Landgericht Hannover hat mit Urteil vom 4. Juli 2016 eine (Amtshaftungs-)Klage E.ONs auf Schadensersatz wegen des dreimonatigen Atommoratoriums im Jahr 2011 abgewiesen (Az. 19 O 232/14).

Das Unternehmen hatte Schadensersatz in Höhe von insgesamt mehr als 380 Mio. Euro für die Verluste – infolge der kurzfristigen (rechtswidrigen) Anordnung der Betriebsstilllegung ihrer Kernreaktoren (Unterweser/Niedersachsen und Isar 1/Bayern) im Jahr 2011 – gegen die Bundesrepublik sowie die Länder Bayern und Niedersachsen (jeweils gesamtschuldnerisch mit der BRD) sowie die Feststellung der Haftung dem Grunde nach für sämtliche weiteren Schäden im Zusammenhang mit der jeweiligen Einstellung des Leistungsbetriebs der Kernkraftwerke geltend gemacht. Die Klägerin warf den Beklagten u.a. die Verletzung von Amtspflichten und ein kollusives Vorgehen zum Nachteil der Betreiber vor.

Die Bundesrepublik Deutschland und auch die Länder vertraten jeweils die Auffassung, sie seien nicht passiv legitimiert. Nach Ansicht der Bundesrepublik seien ihr Amtshandlungen des Freistaats Bayern und des Landes Niedersachsen mangels Sachkompetenzübergangs nicht zuzurechnen. Der Freistaat Bayern und das Land Niedersachsen vertraten die Auffassung, sie seien nicht passivlegitimiert, weil sie auf eine bindende Weisung im Sinne des Art. 85 Abs. 2 GG der Bundesrepublik Deutschland gehandelt hätten.

Hintergrund

Am 14.03.2011 hatte die Bundesregierung als Reaktion auf die Reaktorkatastrophe in Fukushima ein dreimonatiges Moratorium für die erst kurz zuvor mit der elften Novelle des Atomgesetzes beschlossenen Laufzeitverlängerungen der sieben ältesten Kernreaktoren und das Kernkraftwerk Krümmel beschlossen und die Landesbehörden angewiesen, gegenüber den Betreibern unmittelbar einstweilige Betriebseinstellung anzuordnen. Das Moratorium bzw. die einstweilige Betriebseinstellungsanordnung wurde von der Bundesregierung und den zuständigen Umweltministern der Länder auf § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AtG gestützt und damit begründet, dass es das Atomgesetz erlaube, bei einem Gefahrenverdacht die einstweilige Betriebseinstellung anzuordnen. Der Leistungsbetrieb der betroffenen Kraftwerke wurde anordnungsgemäß eingestellt. Die Zulässigkeit des Vorgehens der Bundesregierung war jedoch hoch umstritten. Im Februar 2013 erklärte dann der VGH Kassel das Moratorium auf die Klage eines Betreibers schließlich mangels erfolgter Anhörung und vorgesehener Ermessensausübung für rechtswidrig. Die Betreibergesellschaften der betroffenen Reaktoren kündigten Schadensersatzklagen an. Das Landgericht Bonn hat eine Klage EnBWs bereits abgewiesen, eine weitere Klage (RWE) ist noch beim Landgericht Bonn anhängig. Zudem steht auch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Atomausstiegs aus.

Entscheidungsgründe

Das Landgericht lehnte den geltend gemachten Anspruch ab. Das Unternehmen sei seiner Schadensvermeidungspflicht nach § 839 Abs. 3 BGB nicht nachgekommen und hatte auf Rechtsschutz gegen die Anordnung zur Betriebseinstellung verzichtet. Die Erhebung der Anfechtungsklage gegen die (Stilllegungs-)Bescheide sei gemäß § 839 Abs. 3 BGB erforderlich, die Ausnutzung des Suspensiveffekts gemäß § 254 BGB geboten und beide Maßnahmen der Klägerin seien auch zumutbar gewesen. Dabei sei ein Erfolg durchaus denkbar und nicht ganz unwahrscheinlich gewesen. Das Gericht hat die Frage der Passivlegitimation offengelassen. Auch auf die (unbeantwortete) Frage einer Amtspflichtverletzung kam es nicht an. Auch aus anderen Anspruchsgrundlagen ließen sich nach Ansicht des Gerichts keine Ansprüche herleiten.

Möglicherweise wird das OLG Celle über eine Berufung zu entscheiden haben.



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