Mitbestimmung des Betriebsrats: auch im Hinblick auf Betriebsöffnungszeiten?

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Viele Aspekte in einem Unternehmen unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrates – sofern ein Betriebsrat im Unternehmen besteht. Das regelt das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).

Ein Aspekt, der der Mitbestimmung unterliegt, sind Maßnahmen der betrieblichen Ordnung. Anders hingegen ist es, wenn es sich um Maßnahmen der betrieblichen Organisation handelt – hier kann der Arbeitgeber ohne Einschaltung des Betriebsrates entscheiden.

Um eben diese Abgrenzung ging es u.a. in einem Fall vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen. Der Betriebsrat war der Auffassung, dass die Regelung der Betriebsöffnungszeiten (Drehkreuz) zu den Fragen der betrieblichen Ordnung zählt und damit mitbestimmungspflichtig sei (LAG Hessen, Beschluss v. 8.2.2021, Az.: 16 TaBV 185/20).

Betriebliche Ordnung und Mitbestimmung

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BetrVG hat der Betriebsrat in einem Unternehmen ein Mitbestimmungsrecht, wenn der Arbeitgeber Maßnahmen zur Ordnung im Betrieb trifft.

Um Maßnahmen der betrieblichen Ordnung geht es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts grundsätzlich immer, wenn sich Maßnahmen bzw. Regelungen auf das betriebliche Zusammenleben und das Zusammenwirken von Arbeitnehmern beziehen (z.B. allgemeine Weisungen und Verhaltensregeln, Regelungen/Maßnahmen für einen reibungslosen Arbeitsablauf).  

Wird der Betriebsrat nicht beteiligt, wenn der Arbeitgeber über solche Maßnahmen entscheidet oder Regelungen trifft, kann der Betriebsrat als Gremium dagegen vorgehen, wenn keine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht, und Unterlassung der Maßnahme verlangen.

Betriebsöffnung in der Corona-Pandemie

Im Fall vor dem LAG Hessen stritt der Betriebsrat eines Unternehmens mit dem Arbeitgeberunternehmen um die Frage, ob die Betriebsöffnungszeiten – hier die Öffnung der Einlass-Drehkreuze – eine Frage der Ordnung im Betrieb seien oder nicht. Der Betriebsrat war der Auffassung: ja. Der Arbeitgeber war dagegen der Meinung, dass diese Frage dem Bereich der Organisation des Unternehmens zuzuordnen sei und damit nicht mitbestimmungspflichtig ist.

Konkret stritt man, weil der Arbeitgeber den Beschäftigten auch in der Corona-Pandemie den Zutritt zum Unternehmen trotz Arbeitsbeginn um 6:00 Uhr erst ab 5:30 Uhr ermöglichte. Für den Betriebsrat in der Pandemie problematisch: mit einer so kurzen Zeit zwischen möglichem Zutritt zum Unternehmen und Arbeitsbeginn sei es kaum möglich, den vorgeschriebenen Hygieneschutz umzusetzen und vorgeschriebene Abstände einzuhalten.  

Die Forderung des Betriebsrates: Der Arbeitgeber solle die Drehkreuze früher öffnen. Sein Mitbestimmungsrecht in diesem Punkt begründete der Betriebsrat damit, dass es sich bei dieser konkreten Maßnahme um eine Frage der betrieblichen Ordnung und des Gesundheitsschutzes im Unternehmen handle. Einer früheren Öffnung des Drehkreuzes stimmte der Arbeitgeber allerdings nicht zu. Außerdem sei dieses Thema als Frage der betrieblichen Organisation nicht mitbestimmungspflichtig.

Klage wegen unterlassener Betriebsratsbeteiligung

Gegen die Weigerung des Arbeitgebers, die Drehkreuze früher zu öffnen, ging der Betriebsrat gerichtlich vor, unterlag allerdings vor Gericht.

Vor Gericht bekam der Arbeitgeber Recht: Fragen der Betriebsöffnungszeiten beträfen den Bereich der betrieblichen Organisation als Ausfluss des Hausrechts des Arbeitsgebers, nicht der betrieblichen Ordnung. Maßnahmen der betrieblichen Organisation seien allerdings mitbestimmungsfrei, sodass der Arbeitgeber ohne Beteiligung des Betriebsrates darüber entscheiden könne. Und auch eine Maßnahme des Gesundheitsschutzes, die nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG mitbestimmungspflichtig sein kann, erkannten die Richter nicht.

Abgrenzung betriebliche Organisation und Ordnung oft nicht einfach  

Im Urteil des LAG Hessen wird deutlich: ob es sich um eine Maßnahme der betrieblichen Ordnung oder betrieblichen Organisation handelt, ist bei etlichen Maßnahmen des Arbeitgebers nicht eindeutig zu bestimmen – die Grenzen können hier fließend sein. Das zu klären ist im Vorfeld einer rechtlichen Auseinandersetzung aber essenziell: denn nur wenn es sich um eine Maßnahme der betrieblichen Ordnung handelt, hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, das auch gerichtlich durchsetzbar ist.  

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