Muss der Pflichtteil sofort bezahlt werden?

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Die Auszahlung eines Pflichtteils oder sogar mehrerer Pflichtteile kann für die Erben eine erhebliche finanzielle Belastung bedeuten. In Ausnahmefällen sieht das Gesetz aber Stundungsmöglichkeiten vor, damit der Pflichtteil zu mindestens nicht sofort bezahlt werden muß.

 

Wann ist eine solche Stundung möglich?

Nur dann, wenn die sofortige Zahlung für die Erben eine „unbillige Härte“ darstellen würde.

Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Pflichtteilsanspruch mit dem Tod des Erblassers sofort fällig und zu bezahlen ist. Dem Erben wird daher zugemutet, dafür auf sein eigenes Vermögen zurückzugreifen oder einen Kredit aufzunehmen, um den Pflichtteil bezahlen zu können. Auch wenn er z.B. gezwungen ist, Wertpapiere zu einem momentan ungünstigen Kurs zu verkaufen, bedeutet das noch keine unbillige Härte.

Eine unbillige Härte kann aber dann vorliegen, wenn der Erbe das Familienheim verkaufen müßte, um den Pflichtteil zu bedienen. Gleiches gilt, wenn er einen Betrieb oder ein anderes Wirtschaftsgut, das seine Existenzgrundlage ist, versilbern müßte.

 

Beispiel: Der Ehemann war Alleineigentümer des Familienheims. Er hatte seine Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt und den gemeinsamen Sohn auf den Pflichtteil gesetzt. Nach dem Tod des Ehemanns erbt die Ehefrau als wesentlichen Nachlass das Familienheim, das einen Verkehrswert von 400.000,00 € hat. Sie bezieht eine eigene Rente und zusätzlich Witwenrente. Der Sohn macht seinen Pflichtteil geltend.

 

Konsequenz: Die Pflichtteilsquote des Sohns beträgt (wenn die Eheleute im gesetzlichen Güterstand verheiratet waren) 25%. Sein Pflichtteilsanspruch beträgt also, wenn man allein das Familienheim zugrunde legt, 25% von 400.000,00 €, also 100.000,00 €.

 Hier liegt eine unbillige Härte vor, wenn die Ehefrau kein sonstiges Vermögen hat um den Pflichtteil zu bezahlen. Denn dann müsste sie das Familienheim verkaufen und ausziehen. Daher kommt hier eine Stundung in Betracht.


 Wie kann gestundet werden? 

Die Zahlung des Pflichtteils kann bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gestundet werden. Es können auch Ratenzahlungen bewilligt werden. Die Interessen den Pflichtteilsberechtigten sind dabei angemessen zu berücksichtigen.

Aber: Für die Zeit der Stundung muß der Erbe an den Pflichtteilsberechtigen Zinsen zahlen. Und der Erbe muß dem Pflichtteilsberechtigten für die Zeit der Stundung eine Sicherheit stellen, wenn dieser das verlangt.

 

Wann ist eine Stundung ausgeschlossen?

In der Praxis in zwei Situationen: Wenn absehbar ist, dass der Erbe auch durch die Stundung nicht in die Lage kommt, den Pflichtteil bezahlen zu können. Und wenn der Erbe die vom Pflichtteilsberechtigten verlangte Sicherheit nicht erbringen kann.

 

Wer entscheidet über die Stundung?

Akzeptiert der Erbe die Pflichtteilszahlung als solche und geht es nur um die Stundung, entscheidet das Nachlassgericht auf Antrag einer der Beteiligten.

Ist der Pflichtteilsanspruch umstritten und bereits ein Prozess darüber anhängig, entscheidet das Prozessgericht. Wichtig ist, dass der Erbe dann in diesem Verfahren schon vorsorglich einen Stundungsantrag stellt, da dies nach Abschluss des Verfahrens nur noch eingeschränkt möglich ist.

 

Was bedeutet das…….

Für den Pflichtteilsberechtigten: Ein Pflichtteil muß bezahlt werden, in der Regel sofort. Die Stundung ist die Ausnahme. Selbst wenn eine Stundung bewilligt wird, ist der Pflichtteil immerhin solange zu verzinsen und vom Erben kann eine Sicherheit verlangt werden.

Für den Erben: Ist der Nachlass hinreichend liquide oder kann der Pflichtteil aus eigenem Vermögen bezahlt werden, scheidet eine Stundung aus. Sinnvoll ist sie dann, wenn eine Immobilie, ein Unternehmen oder ein anderer Nachlassgegenstand praktisch den gesamten Nachlass darstellt und die Versilberung nur zur Bezahlung des Pflichtteils eine unbillige Härte darstellen würde. Es muß aber die Perspektive bestehen, dass nach der Stundung der Pflichtteil dann tatsächlich auch bezahlt werden kann bzw. bezahlt ist.


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