Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen

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Mitunter erwischt so manchen Arbeitgeber die unangenehme Überraschung, dass er mit teilweise existenzbedrohenden Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen konfrontiert wird. In diesem Fall hilft auch die Haftpflichtversicherung des möglicherweise fehlerhaft arbeitenden Steuerberaters nichts, denn auch bei ordnungsgemäßer Abwicklung hätten die Beiträge ja abgeführt werden müssen – bloß nicht für teilweise mehrere Jahre auf einmal. Außerdem kann auch der beste Steuerberater nur die Informationen verwerten, welche ihm mitgeteilt wurden. Soweit er für die sozialversicherungsrechtliche Abwicklung wichtige Informationen nicht hat (z. B. über den Einsatz von „Freiberuflern“), trifft ihn für die Nachforderung natürlich gar keine Verantwortung.

Situationen

In den nachfolgenden Situationen kommt es oft zur Berechnung von Nachforderungen an Sozialversicherungsbeiträgen:

  • Regelmäßige Sozialversicherungsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung (DRV), meist alle vier Jahre.
  • Einstufungen durch die Einzugsstellen (gesetzliche Krankenversicherung) für einzelne Beschäftigte.
  • Ermittlungen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS). Es handelt sich um besondere, behördenübergreifend zusammengesetzte und bei den Hauptzollämtern angesiedelte Einsatzgruppen, die oft aufgrund von Anzeigen unzufriedener Mitarbeiter oder Geschäftspartner oder von Mitbewerbern tätig werden.

Probleme

Die meisten Nachforderungen habe ihre Ursache in der von der bisherigen Behandlung abweichenden Bewertung eines der nachfolgenden Punkte durch die Prüforgane:

  • Anknüpfungspunkt der Sozialversicherungspflicht ist in der Regel der Begriff des Beschäftigten. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 SGB IV).
  • Davon abzugrenzen ist die selbstständige Tätigkeit, für welche zwar teilweise auch Sozialversicherungsbeiträge abzuführen sind (z. B. Rentenversicherung für selbstständige Handwerker); das obliegt dann aber nicht einem Arbeitgeber, sondern dem Versicherten selbst. Die moderne arbeitsteilige Welt wirft zahlreiche Abgrenzungsprobleme in den Randbereichen auf, denn selbstverständlich sind sowohl Beschäftigungsverhältnisse mit einer verschwindend geringen Weisungsgebundenheit und so gut wie keiner Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftrags- bzw. Weisungsgebers denkbar wie auch selbstständige Vertragsverhältnisse, bei denen der Auftragnehmer sehr konkreten Weisungen mit engem eigenen Spielraum unterliegt. 

Dies kann in sehr unterschiedlichen Einsatzfeldern zu Problemen führen. Hier einige Beispiele:

  • Einsatz von „selbstständigen Bauhelfern“ und „landwirtschaftlichen Lohnunternehmern“ im Niedriglohnbereich
  • Selbstständige Alten- und Krankenpfleger sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich
  • Hauswirtschaftliche Dienstleistungen, oft für pflegebedürftige Angehörige
  • Einsatz spezialisierter Fachleute, oft im EDV- und betriebswirtschaftlichen Bereich
  • Ausgliederung von Sekretariats- und Buchhaltungsarbeiten auf frei arbeitende Dienstleister
  • Komplexe Dienstleistungen von spezialisierten Personalunternehmen, z. B. nach Art des Contractings

Sozialversicherungspflicht von Geschäftsführern und Gesellschaftern

Zwar bedeutet die Trennung einer juristischen Person (z. B. GmbH) und der sie leitenden natürlichen Person (Geschäftsführer als Organ der GmbH), dass das Organ grundsätzlich fremdnützig arbeitet und der Geschäftsführer damit Beschäftigter im Sinne der Sozialversicherung ist. Wenn allerdings das Organ derartig bestimmenden Einfluss auf die juristische Person nimmt, dass er deren Geschicke allein bestimmen kann, gilt er ausnahmsweise sozialversicherungsrechtlich als Selbstständiger. 

Es sind zahlreiche Konstellationen denkbar, hier erläutert am Beispiel des Geschäftsführers einer GmbH:

KonstellationFolge
Geschäftsführer ist mit 50 % oder mehr an der GmbH beteiligtIn der Regel keine Sozialversicherungspflicht
Geschäftsführer ist mit weniger als 50 % an der GmbH beteiligt, verfügt aber aufgrund des Gesellschaftsvertrags über eine Sperrminorität, mit welcher er Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern kannKeine Sozialversicherungspflicht
Geschäftsführer ist nicht oder mit weniger als 50 % an der GmbH beteiligtSozialversicherungspflicht


"Echte" Schwarzarbeit

Besonders brisant ist es natürlich, wenn der Arbeitgeber und der Beschäftigte einvernehmlich die Vergütung ganz oder in Teilen unter bewusster Umgehung des Sozialversicherungsrechts behandeln. Zwar können beide sich dadurch ordnungswidrig oder strafbar verhalten, der Gesamtsozialversicherungsbeitrag wird aber nur dem Arbeitgeber berechnet.

Folgen unzutreffender sozialversicherungsrechtlicher Behandlung

Nachforderung von Beiträgen
  • Die Verjährungsfrist beträgt grundsätzlich vier Jahre, bei vorsätzlich verkürzten Beiträgen sogar 30 Jahre.
  • Der Arbeitgeber haftet für die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge und darf den Arbeitnehmerbeitrag fast nie vom Arbeitnehmer fordern.
  • Bei "Schwarzarbeit" gilt ein Nettoeinkommen als vereinbart, so dass der Arbeitgeber den Gesamtbeitrag darauf entrichten muss.
Festsetzung von BußgeldFür Fehler bei der Abwicklung der Sozialversicherungsbeiträge können Bußgelder von bis zu 50.000 € erhoben werden.
StrafverfahrenDas Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen kann mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe geahndet werden.
SäumniszuschlägeAuf rückständige Sozialversicherungsbeiträge wird ein Säumniszuschlag in Höhe von eins von Hundert je Monat (12 % pro Jahr) erhoben.
Erstatttungspflicht bei Arbeitsunfällen und -krankheitenBeschäftigte genießen auch bei nicht gemeldeter Beschäftigung vollen Schutz in der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Arbeitgeber hat im Fall von Schwarzarbeit allerdings die vollen Aufwendungen des Unfallversicherungsträgers zu erstatten. Dies kann unermesslich hohe Forderungen bedeuten.


Lösungsansätze

Vor Aufnahme eines Vertragsverhältnisses, bei welchem eine Sozialversicherungspflicht möglich ist aber zweifelhaft erscheint, kann im Wege einer Statusprüfung ein verbindlicher Verwaltungsakt beantragt werden (§ 7 a SGB IV).

Haben die Prüfungen der zuständigen Behörden bereits begonnen, sollte rechtzeitig fachkundiger Rechtsrat eingeholt werden. Dafür stehe ich gerne zu Ihrer Verfügung.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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