Rückforderung von während coronabedingem Lockdown gezahlten Gehalts möglich ?

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Betrieb während Lockdown geschlossen - Arbeitnehmer freigestellt

Alle Bundesländer haben am März 2020 allgemeine Verordnungen erlassen, auf Grund welcher zahlreiche Betriebe keine Dienstleistungen und Waren anbieten durften. Nach allgemeinen Lockerungen wurde auch im November bzw. Dezember 2020 abermals ein allgemeiner Lockdown verordnet und es mussten wieder fast alle öffentlichen Waren- und Dienstleistungsangebote eingestellt werden. Duch die großzügige Einräumung der Möglichkeit vo Kurzarbeit konnten in sehr weitgehendem Umfang Kündigungen vermieden werden. 

Es gab aber mehrere Situationen, in welchen kein Kurzarbeitergeld möglich war, nämlich:

  • für Minijobber (geringfügige Beschäftigung),
  • im gekündigten Arbeitsverhältnis bis zur Beendigung der Kündigungsfrist oder
  • bei Weigerung des Mitarbeiters, eine erforderliche Vereinbarung über Kurzarbeit abzuschließen.

Bisherige Rechtsprechung: Arbeitgeber muss Gehalt aufgrund der "Lehre zum Betriebsrisiko" weiter zahlen

Die Rechtsprechung und mit ihr die Berater gingen bislang davon aus, dass der Arbeitgeber, dem wegen der staatlich angeordneten "Lockdown-Schließungen" keine Beschäftigung des Arbeitnehmers möglich war, zur Weiterzahlung des Gehalts verpflichtet war. Dem lag die bislang  als herrschend angenommene Auslegung von § 615 S. 2 BGB zugrunde (Lehre vom Betriebsrisiko).

§ 615 Vergütung bei Annahmeverzug und bei Betriebsrisiko

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

Man nahm an, dass es zum besonderen Risiko des Betriebsinhabers gehört, seinen Betrieb aufgrund der Risiken zu schließen, welche mit den durch den Betrieb eröffneten sozialen Kontakten und Begegnungen verbunden sind.  Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (z.B. BAG, Urteil vom 23.09.2015 , Az. 5 AZR 146/15)  ist seit vielen Jahren bekannt und wurde in den bekannten Fällen auf die Corona-Lockdown-Maßnahmen angewendet. So haben auch zahlreiche Gerichte entschieden ( ArbG Verden, Urt. v. 29.09.2020, Az.: 1 Ca 391/20;  LAG Niedersachsen, Urt. v. 23.03.2021, Az.: 11 Sa 1062/20;  LAG Düsseldorf , Urt. v. 30.03.2021, Az.: 8 Sa 674/20).

Neu: BAG verweigert im Urteil vom 13.10.2021 Anwendung der Lehre vom Betriebsrisiko auf Corona-Lockdown

In seiner Entscheidung vom 13.10.2021 (BAG, Urt. v. 13.10.2021, Az. 5 AZR 211/21) hat das BAG nun überraschend festgestellt, dass Minijobber keinen Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts haben, wenn der Betrieb aufgrund der allgemeinen staatlichen Corona-Lockdown-Maßnahmen schließen muss und es keine Möglichkeit gibt, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen. Das war von den meisten Fachleuten so nicht erwartet worden, wenngleich bereits vorher schon in der Fachöffentlichkeit verlangt wurde, das Risiko der Corona-Schließungen nicht einseitig den Arbeitgebern aufzubürden (z.B.  Sagan/Brockfeld, NJW 2020, 1112, 1116; Grimm, DB 2020, 1177, 1181 f.). Nach Meinung des Bundesarbeitsgerichts rechtfertigt diese Situation keine Ausnahme vom Grundsatz "ohne Arbeit kein Gehalt". Den Arbeitnehmern steht auch keine staatliche Entschädigung nach § 65 Infektionsschutzgesetz und kein Arbeitslosengeld zu.

Auswirkungen des Urteils: Ohne Arbeit kein Gehalt - Rückforderung möglich?

In dem meisten Fällen wirken inzwischen keine Lockdown-Maßnahmen mehr, so dass dieses Urteil (hoffentlich) nur für die Vergangenheit Bedeutung hat.

Manche Arbeitgeber werden nun prüfen, ob sie gezahltes Gehalt zurückfordern können, welches sie an die o.g. Gruppen von Beschäftigten gezahlt haben, denen kein Kurzarbeitergeld zustand. Da es sich um eine sogenannte "ungerechtfertigte Bereicherung" handelt, dürfte  grundsätzlich ein Rückforderungsanspruch in Betracht kommen (§§ 812 ff. BGB).

Der Anspruch scheidet allerdings aus, wenn der Arbeitnehmer die Gehaltszahlungen im guten Glauben daran ausgegeben hat, dass er die Entgeltfortzahlung zu Recht erhalten hat (Einwand der Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3 BGB). Dies ist dem Arbeitnehmer in der Regel aber nur bei "geringfügigen Überzahlungen" ohne weiteres möglich (BAG, Urt. v.  18.01.1995, Gz. 5 AZR 817/93) und in vielen Arbeitsverhältnissen sogar ausdrücklich ausgeschlossen. In zahlreichen Fällen dürfte es im jeweiligen Arbeitsverhältnis  eine "Ausschluss- bzw. Verfallsklausel" geben, welche durch den Arbeits- oder einen Tarifvertrag wirkt. 

Aus diesen Gründen dürfte die erfolgreiche Durchsetzung von Rückforderungsanspüchen in vielen Fällen schwierig sein. Es kommt aber auf die Besonderheiten des Einzelfalls an.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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