OLG Stuttgart: Vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung

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Vor Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung, einer Krankentagegeldversicherung oder aber einer Unfallversicherung stellt der Versicherer stets Gesundheitsfragen, damit er das versichernde Risiko einschätzen kann. Denn der Versicherer kann gegebenenfalls den Antrag ablehnen, gewisse Risiken ausschließen, den Beitrag anpassen oder aber den Vertrag vorbehaltlos annehmen. 

Mit Annahme des Versicherungsvertrages durch den Versicherer wird in der Regel nicht weiter geprüft, ob diese Angaben korrekt sind oder nicht. Kommt es jedoch zum Leistungsfall (Berufsunfähigkeit, Eintritt eines Unfalls, usw.) nimmt dies der Versicherer zum Anlass zu überprüfen, ob die Gesundheitsfragen korrekt gestellt wurden, um nicht in die Leistung eintreten zu müssen.

So kommt es nicht selten zu Prozessen, in denen der Versicherer nach Eintritt eines Versicherungsfalles, vom Versicherungsvertrag zurückgetreten ist oder den Vertrag angefochten hat. Eine Leistung lehnt der Versicherer in diesen Fällen ab.

In einem Verfahren vor dem Oberlandesgericht Stuttgart nahm der Versicherungsnehmer den Berufsunfähigkeitsversicherer auf Leistung und Feststellung des Fortbestands des Vertrages nach einem von diesem erklärten Rücktritt in Anspruch. Im Rahmen der Antragstellung viele Jahre vorher hatte der Versicherungsnehmer sämtlich im Antragsformular enthaltenen Gesundheitsfragen verneint. Eine der Fragen lautete:

Haben Sie derzeit oder hatten Sie in den letzten drei Monaten Beschwerden in einem der unter Nr. 5 a-i genannten Bereiche? Der Versicherungsnehmer meinte, dass diese Frage unwirksam sei, weil es sich um eine offene Frage handele, welche das Risiko einer Falschbeantwortung unzulässig auf den Versicherungsnehmer verlagerte, zumal diesem nicht erkennbar werde, was unter "Beschwerde" zu verstehen sei. Dieses Argument wies das Oberlandesgericht Stuttgart zurück, da die Frage sich auf konkrete genannten Beschwerden( Gehirn, Psyche, Nervensystem) bezog und eine gewisse Abstraktionshöhe bei der Fragestellung im Massengeschäft unvermeidlich sei. Der Begriff „Beschwerde" sei ebenfalls nicht unklar, da auf die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers abzustellen sei und es klar sei, dass darunter nicht Krankheiten oder Schäden von erheblichem Gewicht zu verstehen sei, sondern Beeinträchtigungen erfassen solle, die sich nicht bereits als Schaden oder Krankheit darstellen, sondern nur als Beschwerden zu bezeichnen sind. Im weiteren führte das Gericht aus, dass der objektive Tatbestand der Anzeigepflichtverletzung die Kenntnis des Versicherungsnehmers voraussetze. Sofern er einen Umstand abgibt, der ihm aufgrund von Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist, schadet dies nicht. Das Gericht wies jedoch hier darauf hin, dass er seine MS-Erkrankung nicht erfolgreich ignoriert habe.


Sollten Sie Ansprüche gegen Ihre Berufsunfähigkeitsversicherung geltend machen wollen und/oder sollten Leistungen abgelehnt worden sein, beraten wir Sie gern.


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