Pflicht zur Benutzung einer staatlichen App? Müssen Bauern ihre eigenen Flächen fotografieren?

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In vielen Bundesländern erhitzt dieses Thema die Gemüter: Landwirte sollen verpflichtet werden georeferenzierte Fotos von ihren Äckern anzufertigen und den Behörden zur Verfügung zu stellen. Dazu sollen die Bauern eine bestimmte App herunterladen und auf ihrem Telefon installieren.

Kann man Landwirte dazu verpflichten? Wir meinen: NEIN!

Aus verschiedenen Regionen in Deutschland erreichen uns Anfragen und Berichte, nach denen die dortigen Behörden - von Fall Zufall in etwas unterschiedlicher Weise - offenbar davon ausgehen, dass Bauern zur Mitwirkung an diesem Verfahren verpflichtet werden könnten. Im Einzelnen geht es darum, dass die betroffenen Landwirte Anträge zur Agrarförderung gestellt haben. Im Zuge der Beantragung wurden dabei bestimmte Angaben über Intensität und Art der Nutzung von Agrarflächen gemacht.

Mit der Überprüfung der Einhaltung der Fördervoraussetzungen sind die Behörden nun flächendeckend überfordert. Dies obwohl die Behörden über das sogenannte „Sentinel – Satellitensystem“ im Abstand weniger Tage aktuelle Fotos von allen landwirtschaftlichen Flächen erhalten. Alleine diese staatliche Überwachung per Satellit empfinden schon viele Landwirte als Gängelei.

Sofern zum Beispiel wegen Schatten von Gehölzen oder Gebäuden, aber auch wegen unklarer Grenzverläufe, Gewässern oder sonstiger Probleme, kann es vorkommen, dass die staatlichen Behörden einige konkrete Fragen anhand der Satellitenbilder nicht klären können. Die entsprechenden Rechtsverordnungen sehen dann primär vor Ort Kontrollen durch Behördenmitarbeiter vor.

Jedenfalls ist uns kein Fall bekannt, indem die Rechtsverordnungen die Behörde konkret dazu ermächtigen, dem einzelnen Antragsteller verbindlich aufzugeben, eine bestimmte App herunterzuladen und innerhalb einer von der Behörde festzusetzenden Frist georeferenzierte Fotos seine eigenen landwirtschaftlichen Flächen zu übersenden und dabei auch noch die recht detaillierten Anforderungen an diese Fotos in Bezug auf Belichtung, Beleuchtung, Positionierung und Zustand der Kameralinse usw. zu beachten.

Im Bundesland Brandenburg hat unsere Kanzlei kürzlich eine Muster – Feststellungsklage gegen die dortige Behörde eingereicht mit dem Ziel einer gerichtlichen Feststellung der Tatsache, dass eine Verpflichtung des Bauern zu dieser Vorgehensweise nicht besteht.


Video zur Musterklage auf TikTok


In anderen Bundesländern gibt es bereits Gespräche und werden zum Teil auch noch interessierte Landwirte gesucht, die sich entsprechenden Musterklagen anschließen und die dabei anfallenden relativ geringen Kosten in Kauf nehmen würden.

Eines der aus unserer Sicht kaum widerlegbaren Argumente gegen eine solche Verpflichtung ist die Tatsache, das der jeweilige Landwirt gegebenenfalls verpflichtet wäre, eigene Rechtsverletzungen, die möglicherweise auf seinen landwirtschaftlichen Flächen erfolgt sind, an die Behörde zu melden. Der Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare - nachdem niemand verpflichtet ist sich gegenüber dem Staat selber zu belasten, ist den meisten Bürgern nur aus dem Strafrecht bekannt. Er besitzt jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Verfassungsrang und er ist auch gegenüber Behörden anzuwenden.

Theoretisch ist es zwar dem Gesetzgeber möglich, den einzelnen Bürger gesetzlich zu einer solchen Selbstbelastung zu verpflichten. Nach unserer Auffassung kann dies jedoch nicht durch die jeweils wenig konkreten Rechtsverordnungen geschehen, die ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren gar nicht durchlaufen haben.

Daneben sprechen weitere technische und tatsächliche Argumente gegen die Verpflichtung der Landwirte zur Mitwirkung in der von der Behörde gewünschten Form.

Selbstverständlich sind Unterschiede in den verschiedenen Bundesländern und den konkreten Einzelfällen zu beachten, so dass wir betroffenen Landwirten nicht generell raten können, Anweisungen der Behörde schlicht zu ignorieren. Zum Beispiel müssen entsprechende Bescheide innerhalb der Rechtsmittelfristen angegriffen werden um zu vermeiden, das Rechtskrafteintritt.

Unsere Kanzlei ist gerne bereit auch sie in dieser Frage zu beraten und erforderlichenfalls gerichtlich zu vertreten. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.


Mit freundlichen Grüßen

Stephan Stiletto

- Rechtsanwalt -


https://www.ra-stiletto.de/agrarrecht


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Foto(s): Rechtsanwalt Stephan Stiletto


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