Rassistische Äußerungen am Arbeitsplatz rechtfertigen nicht per se eine Kündigung

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In Anbetracht der aktuell weltweit lodernden „black lives matter“-Proteste im Zusammenhang mit dem Tod von George Floyd behandelt dieser Artikel die aktuelle Rechtsprechung zum Thema Rassismus am Arbeitsplatz. Immer wieder stehen rassistische Äußerungen von Mitarbeitern im Rahmen von Kündigungsschutzprozessen im Disput der Arbeitsvertragsparteien. Inwieweit solche Äußerungen von den Gerichten toleriert werden, fasst dieser Artikel in den folgenden Ausführungen zusammen:

LAG Köln, Urteil v. 6. Juni 2019 – 4 Sa 18/19

Diese Entscheidung behandelt die fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitglieds, die in Reaktion auf seinen rassistischen Ausbruch gegenüber seinem Kollegen ausgesprochen wurde. Bei einer Betriebsratssitzung wand sich der später gekündigte Kläger mit den affenähnlichen Lauten „Ugah, ugah“ einem Betriebsratsmitglied dunkler Hautfarbe zu. Dieses Verhalten deutete das Landesarbeitsgericht Köln als Manifestation einer rassistischen Grundeinstellung des Klägers und bejahte den wichtigen Grund für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung. Das Gericht führte hierzu aus, dass es sich hierbei nicht um eine schlichtweg derbe Beleidigung handele. Vielmehr zeuge die Verbindung mit einem verpönten Merkmal nach § 1 AGG von einer Selbstoffenbarung eines Diskriminierenden und in diesem Fall eines Rassisten. Weil der Arbeitnehmer keine Reue gezeigt hat ging das Gericht ferner davon aus, dass ein wiederholter Verstoß nicht unwahrscheinlich sei und wies die Kündigungsschutzklage ab.

BAG, Urteil v. 27 Juni 2019 – 2 AZR 28/19

Diese Entscheidung betraf die Kündigung eines LKA-Technikers, der seit 17 Jahren im IT-Innendienst tätig war. Eines Tages hinterließ der Kläger auf seinem Facebook-Profil rassistische Äußerungen. Unter anderem bezeichnete er muslimische Zuwanderer darin als Abschaum und als Brut. Einen Hinweis auf die berufliche Tätigkeit des Klägers enthielt sein Profil nicht. Grundsätzlich kann ein außerhalb der Arbeitszeit begangener Verstoß eines Arbeitnehmers eine fristlose Kündigung nach sich ziehen, wenn dieser mit dem Arbeitgeber des Betroffenen in direkten Zusammenhang gebracht werden kann. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn es um einen Arbeitnehmer geht, der sich in einer übergeordneten Stellung befindet und den Arbeitgeber in seiner Funktion repräsentiert. Obwohl die Vorinstanzen dem Arbeitnehmer Recht gaben, sah das Bundesarbeitsgericht die fristlose Kündigung nicht als gerechtfertigt an. Man hätte den Kläger, nach Ansicht des Gerichts, während der Kündigungsfrist mit anderen, nicht sicherheitsrelevanten Aufgaben beschäftigen können. Eine Umdeutung in eine ordentliche Kündigung war in diesem Fall nicht möglich, weil der Personalrat nur zu der fristlosen Kündigung angehört worden war.

LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 5 Dezember 2019 – 17 Sa 3/19

In diesem Fall wurde ein Mitarbeiter des Autowerks Daimler fristlos gekündigt nachdem er seinem türkischen Kollegen wiederholt über WhatsApp Fotos und Videos mit eindeutig rechtsextremen Inhalten zukommen ließ. Sein Verhalten rechtfertigte der Kläger damit, dass ein rauer Umgangston in der Produktion durchaus üblich sei. Im Übrigen habe er nicht beabsichtigt seinen Kollegen durch den Aussagegehalt seiner Nachrichten zu kränken. Sie seien allenfalls als Witz gemeint gewesen und Ausdruck allgemeiner Meinungsfreiheit. Entschuldigen wollte sich der Kläger bei seinem Kollegen dennoch nicht. Interessanterweise hat das Landesarbeitsgericht die fristlose Kündigung als gerechtfertigt angesehen, obwohl der Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt worden war.

LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 15. Januar 2020 – 4 Sa 19/19

Auch in diesem Fall war die fristlose Kündigung eines Mitarbeiters der Äußerungen mit Bezug auf den Nationalsozialismus von sich gab nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht angemessen. Der Arbeitgeber sah die fristlose Kündigung des schwerbehinderten 54-jährigen Klägers deswegen als gerechtfertigt an, weil er darin eine tiefe Menschen- und Lebensverachtung gegenüber dunkelhäutigen Mitarbeitern sah. Den wichtigen Grund für den Ausspruch der fristlosen Kündigung bejahte auch das Gericht. Dennoch fiel auf der zweiten Stufe die Interessenabwägung zugunsten des Klägers aus, der 34 Jahre beanstandungsfrei für die Beklagte gearbeitet hat. Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang die wohl als mildernde Umstände zu wertenden Anmerkungen des Landesarbeitsgerichts:

Bei dem Kläger handelt es sich um eine „einfache Persönlichkeit, welche fehlgeleitet durch die durch populistische Tabubrüche vergiftete Flüchtlingsdebatte unreflektiert „dummes Zeug hinterherschwätze“ ohne den menschenverachtenden Kern seiner Aussagen zu erkennen“.

Angesichts dieser Entscheidungen sollten sich Arbeitgeber darüber im Klaren sein, dass der Ausspruch einer fristlosen Kündigung nicht allein aus dem Grund angebracht ist, dass der Arbeitnehmer sich etwas Schlimmes hat zuschulden kommen lassen. Vielmehr muss auch die Interessenabwägung zu Lasten des betroffenen Arbeitnehmers ausfallen. Dies ist dann der Fall, wenn das Arbeitgeberinteresse an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Arbeitnehmerinteresse an der Weiterbeschäftigung überwiegt. Ist der Arbeitnehmer fortgeschrittenen Alters, weist eine lange Betriebszugehörigkeit auf, verfügt über eine Schwerbehinderung und hat sich zuvor nichts zuschulden kommen lassen, ist besondere Vorsicht bei der Entscheidung über den Ausspruch einer Kündigung geboten und die Einholung eines fachkundigen Rechtsrates sehr zu empfehlen.

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